Prag , 20.-22.11.2002 - Nato-Gipfel und der Protest aus diesem AnlaßBilder

DER NATO-GIPFEL IN PRAG RÜCKT NÄHER

Aus dem gipfelinfo vom 7.11.2002 - öffentlicher rundbrief der infogruppe [berlin]

Seit Monaten berichten die tschechischen Medien über Sicherheitsübungen: da wird gehüpft, dort wird gesprungen und geschossen, hier wird Straßenkampf gegen Randalierer geübt, dieser und jener Überschallflugzeugtyp wird über unseren Köpfen sausen. All diese Informationen deuten mehr auf eine Kriegserklärung hin als auf die Austragung eines historischen NATO-Gipfeltreffens. Ja, wenn Staatsoberhäupter aus 45 Ländern sich in einer Stadt treffen, dann darf die Sicherheit bestimmt nicht auf leichte Schulter genommen werden.

In Tschechien ist dieser Gipfel Angelegenheit Nr. 1 für PolitikerInnen. Präsident Havel, der für seine pazifistische Haltung gut bekannt war und der vor zehn Jahren die Abschaffung der NATO vorantrieb, ist jetzt einer der glühendsten Propagandisten des Gipfels. Der Innenminister hat angekündigt, dass 2.000 FBI-AgentInnen dabei helfen werden, die 'Sicherheit' des Gipfels 'zu garantieren' und dass die Zahl der bereitstehenden PolizistInnen dieselbe wie vor zwei Jahren sein wird (d.h. ca. 11.000, davon 3.000 mit SEK-Ausrüstung).

Das Programm:
  • 17. November (Sonntag):
    Demonstration gegen Nato und Kapitalismus unter dem Motto "after 13 years of capitalism we need a new revolution".
    12:00, Albertov


  • 18. November (Montag):
    IMC FILM NIGHT
    Es findet eine Indymedia Filmnacht statt. Es werden Dokumentationsfilme gezeigt (zB über die Proteste in Prag 2000 gegen IWF und Weltbank.)
    Center for Contemporary Arts (Jeleni 9, Praha 1) HOW TO GET THERE: Tram 22 from Malostranksa to Brusnice

  • 20. November (Mittwoch):
    Dinner der Gipfelteilnehmer. Proteste vor den Hotels (Food Not Bombs) und Gedenken an die Opfer kapitalistischer Ausbeutung. Es wird auch einen Solidaritäts Block für Argentinien stattfinden (http://www.indymedia.de/2002/11/33423.shtml)
    17:00, Na Prikope street


  • 21. November (Donnerstag)
    Heute beginnt der Gipfel... - und damit unsere lautesten Proteste! Internationaler Direct Action Day gegen NATO.
    Dezentrale und autonome Aktionen(*) am Morgen/Vormittag in der ganzen Stadt und ab 14:00 Uhr Großdemonstration.
    14:00, demo on Namesti Miru (Großdemo)
* Gruppen die von Auswärts kommen, werden gebeten eigene und unabhängige Aktionen durchzuführen.

See you in Prague ;-)

[indymedia.de, von Anarcho - 07.11.2002 01:47]


ANTINATO ACTIVIST GUIDE

Aus dem anti-NATO AktivistInnenleitfaden (nicht nur) fuer Prag - Übersetzung aus dem gipfelinfo vom 19.11.2002 - öffentlicher rundbrief der infogruppe [berlin]

Unsere Offiziellen Aktionen
  • Sonntag, 17.November:
    Demonstration gegen NATO und Kapitalismus-nach 13 Jahre waehrendem Kapitalismus brauchen wir eine neue Revoltion 12:00, Albertov


  • Mittwoch, 20.November:
    Das offizielle Dinner fuer die Gipfeldeligierten. Lauter Protest gegen dieses Dinner mit Aktionen von Food not Bombs *Argentinien Solidaritaets Block: bringt Stoecke und Toepfe mit, um mit den Protesten in Argentinien Solidaritaet zu zeigen. 17:00, Na Prikope Street


  • Donnerstag, 21.November:
    Zentraler Protesttag: Der erste Tag des Gipfels und unser groesster Protest. Autonome Aktionen ueber die ganze Stadt verteilt und dann um 14:00 eine Demo am Namesti Miru *Wir rufen Gruppen von auswaerts auf, ihre eigenen Ideen fuer autonome dezentrale Aktionen waehrend des Morgens/Vormittags zu praesentieren
Stellungnahme des Widerstands gegen die NATO

Die NATO, eine Allianz reicher KriegsmacherInnen trifft sich am 21.+22. November 2002 in Prag. Es ist dies das erste Mal, dass ein NATO-Gipfel im ehemaligen Ostblock stattfindet. Waehrend des kalten Krieges wurde den Leuten im Westen gesagt, dass die NATO gegruendet worden war, um sie vor einer Invasion des Warschauer Paktes zu beschuetzen, in Wirklichkeit hat sie die Interessen des Kapitalismus gegen seine KonkurentInnen verteidigt. Seit dem Zusammenbruch des sovietischen Blocks, war es das Begehren der westlichen kapitalistischen Staaten, ihre militaerische und oekonomische Dominanz in den Osten auszuweiten.

Dies war oekonomisch durch Institutionen wie den IWF oder die Weltbank (die sich im September 2002 in Prag getroffen hat) erreicht worden und militaerisch dadurch, dass die tschechische Republik, Ungarn und Polen 1999 in die NATO inkludiert worden waren.

Unser Widerstand erstreckt sich nicht nur auf die NATO, sondern auch auf alle anderen Arten von militaerischen Organisationen, deren Ziele das Errichten und Aufrechterhalten von Unterdrueckung sind. Nach dem Ende des Kalten Krieges und mehr noch nach dem 11. September wird die Wahrung kapitalistischer Interessen mittels bewaffneter Kraefte durch die Mainstream Medien legitimiert. Im Namen der Zivilisation wird nach Aussen gerichtete Aggression gerechtfertigt. Aber Staatsarmeen und Militaerpakte werden auch als Mittel zur Repression gegen Leute in den eigenen Laendern benutzt. Darueberhinaus wird interne Kritik durch das Inkraftsetzen neuer Antiterrorgesetze, die die harterworbenen demokratischen Rechte noch weiter einschraenken kriminalisiert.

Wir treten gegen kapitalistische Machtstrukturen auf, gegen Statismus und Militarisierung. Wir lehnen alle Arten von Hierarchie, Ausbeutung und Unterdrueckung inklusive Sexismus, Rassismus und Homophobie ab. Unsere Ideologie fusst auf den libertaeren Prinzipien einer freien und klassenlosen Gesellschaft, in der Beduerfnisse vor dem Profit kommen.

Also lasst uns NEIN zu ihnen sagen.

NEIN zu ihren Kriegen, NEIN zu ihren Profiten. Schafft die NATO-Allianz und alle Formen des Militarismus ab. Wenn die NATO im November nach Prag kommt, werden AnarchistInnen, Libertaere und andere Antiautoritaere ihren Widerstand gegen Krieg und Kapitalismus zeigen.

POST SCRIPTUM:

Unser Protest wird immer noetiger, da die wahre Bedeutung und die Funktionsweise der Euro-Atlantik-Militaerkoalition in diesen Tagen sehr offensichtlich werden. Die fuehrenden Autoritaeten der Bruesseler Zentrale haben sich bereits dem Druck des Weissen Hauses untergeordnet und ihre Prioritaeten fuer das Novembertreffen von Grund auf geaendert. Der Hauptfokus des Prager Treffens ist nicht mehr die Erweiterung in den Osten, sondern das Bemuehen, alle Mitgliedsstaaten von einer aktiven Teilnahme am Krieg gegen den Irak zu ueberzeugen - 'im Namen des Kampfes fuer die Demokratie'. Offensichtlich ist es nicht das Ziel dieser Aggression, der irakischen Bevoelkerung ein besseres und freieres Leben zu ermoeglichen, da es bei der ganzen Sache eigentlich um Profite durch oel und die Waffenindustrie, um die blosse Staerkung der militaerischen und politischen Bedeutung der Haupt-Supermacht - der USA - und ihrer Dienenden geht. Daher werden die Entscheidungen, die in Prag getroffen werden, sich nicht bloss auf 'Gerechtigkeit und Frieden' abzielen, sondern auf die Befriedigung der (Kriegs)beduerfnisse der Welt des Kapitals mit den USA als ihrer Fuehrerin. Ein weiterer Grund, gemeinsam NEIN zu einem Krieg des Profit- und Machtstrebens der NATO zu sagen - dieser 'eisernen Faust des Kapitalismus'.

Entwurfsvorschlag fuer die Proteste gegen die NATO

21.-22. November 2002. Den folgenden Umrissen fuer die Proteste gegen den NATO-Gipfel war von der Czechoslovakian Anarchist Federation (CSAF), der Feminist Group of the 8th of March (FS8B), Solidarity-The Organization of Revolutionary Anarchists (ORA-S) und Reclaim the Streets Prag (UL!) zugestimmt worden:
  • Im besten Fall visieren wir ein Szenario der kreativen Besetzung der Stadt an, um den Kampf gegen die Diktatur des Kapitals und seiner Armeen zu verkoerpern und zu unterstuetzen. Der Protest wuerde einen massiven Ausdruck von Widerstand zusammenbringen, durch viele dezentrale aber koordinierte Aktionen auf verschiedenen Plaetzen in Prag, die durch die Initiativen einzelner Gruppen durchgefuehrt werden.


  • Wir respektieren eine Vielzahl an Taktiken, gemessen an den derzeitigen Bedingungen und Perspektiven halten wir eine direkte Konfrontation am Ort des Gipfels fuer unwahrscheinlich.


  • Zudem wissen wir, dass die Rolle der verschiedenen Gipfel der globalen kapitalistischen Institutionen nicht ueberschaetzt werden sollte: Kapitalismus speist sich nicht bloss aus den Treffen seiner ManagerInnen sondern aus taeglicher Ausbeutung und Entfremdung. Nichtsdestotrotz koennen wir den NATO-Gipfel als Moeglichkeit sehen, antikapitalistischen Widerstand zu aeussern. Wie auch immer, wir glauben dass es kontraproduktiv waere, konfrontierende Taktiken zu verwenden, wenn die passenden Bedingungen nicht existieren-das ist bloss eine Fetischierung der direkten Aktion. Stattdessen wuerden wir es bevorzugen, wenn wir unsere Aktivitaeten auf die Plaetze und Strassen tragen, ueber die normale Menschen im Alltag Tag-Fuer-Tag gehen, anstatt die Strassen vor den befestigten Palaesten der VerteidigerInnen des Kapitals zu leeren. Unser Ziel ist es nicht, fuer die reichen KriegsmacherInnen innerhalb des Konferenzzentrums ein Spektakel zu veranstalten, sondern der arbeitenden Klasse unsere Kritik vorzustellen.


  • Waehrend der Punkt unserer Proteste ist, antikapitalistischen und antimilitaristischen Widerstand zu artikulieren, geht unser Vorschlag ueber die in diesem Entwurf erwaehnten Aktionen hinaus. Er kann durch neue Ideen und Perspektiven adaptiert und erweitert werden. Wie die Proteste letztendlich aussehen werden, haengt von deiner Beteiligung ab!
SIE WERDEN UNSEREN WIDERSTAND NICHT STOPPEN.

[www.antinato.cz]


PRAG: CONVERGENCE CENTER GERÄUMT

Aus dem gipfelinfo vom 20.11.2002 - öffentlicher rundbrief der infogruppe [berlin]

20.11.2002 - Das Convergence Center, der Platz, an dem DemonstrantInnen Transparente und Flaggen malen konnten, wurde geräumt.

Heute Morgen wurde ein Aktivist, welcher den Platz gemietet hatte vom Chef der CKD (der Gesellschaft, welcher der Raum gehört) angerufen. Ihm wurde gesagt, dass er sofort zur Gesellschaft zu kommen hat. Nachdem er dorthin kam, wurde ihm vom Chef der Gesellschaft mitgeteilt, dass das Convergence Center sofort zu räumen wäre, weil die Anti-Nato-AktivistInnen dem guten Ansehen seiner Firma schaden. Die Räumung wurde von einer Menge Riot-Cops überwacht.

Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass das Convergence Center von der Polizei überwacht wurde, seit sie wusste wo es ist. Gestern besetzten ungefähr 10 Riot-Cops die einzigste Strasse, die zum Convergence Center führt und überprüfte Dokumente und filmte alle, die auf dem Weg waren.

[indymedia.de, von info - 20.11.2002 13:27]


Knute für die NATO-Partner

Artikel von Rainer Rupp in 'junge Welt' vom 20.11.2002

USA wollen auf Gipfel in Prag Unterstützung für Irak-Feldzug durchsetzen

Der zentrale Zweck dieses Gipfels wird die Beratung darüber sein, wie die Fähigkeiten der NATO verbessert werden können, um mit den gegenwärtigen Bedrohungen umzugehen«, erklärte die Sicherheitsberaterin von US-Präsident George W. Bush, Condoleezza Rice, anläßlich der Reisevorbereitungen ihres Chefs zum NATO-Herbsttreffen in Prag. Gemeint ist damit eine Beteiligung der NATO am bevorstehenden US-Krieg gegen Irak. Denn der Irak, so Frau Rice, sei »ein typisches und zugleich das bedeutendste Beispiel für die Art der Bedrohungen, denen sich die NATO in Zukunft stellen muß«.

Beamte des Weißen Hauses hatten ebenfalls bereits wissen lassen, daß Präsident Bush von seinen NATO-Verbündeten »Unterstützung für mögliche militärische Operationen gegen Irak« erwartet. Auf die Frage eines osteuropäischen Journalisten hatte Bush persönlich bestätigt, daß er die NATO in Prag um militärische Hilfe gegen Irak bitten werde. Wie wenig die USA allerdings von der militärischen Kompetenz ihrer europäischen Verbündeten halten - außer, in fernen Länder Kanonenfutter zu stellen - geht aus der Tatsache hervor, daß auf Drängen Washingtons die Sicherheit des Luftraums über der Gipfelstadt Prag von US-Piloten in ihren amerikanischen Kampfflugzeugen gewährleistet werden wird.

Von den anderen NATO-Mitgliedern erwartet die US-Sicherheitsberaterin Rice auch eine gemeinsame »Prager Erklärung«, welche die Resolution 1441 der UNO zu Irak bzw. die US-amerikanische Interpretation derselben unterstützt. »Ich nehme an, wir werden von den NATO-Partnern (in Prag) erfahren, was sie tun können und wozu sie bereit sind«, betonte Frau Rice. Daß es der Bush-Regierung gelingen wird, auf dem Gipfeltreffen die NATO zum verlängerten Arm der USA für weltweite Einsätze im Rahmen der neuen »Präventivschlagsdoktrin« Washingtons umzufunktionieren, wird kaum noch von jemandem bezweifelt. Die US-amerikanische Nachrichtenagentur UPI zitierte am Dienstag z. B. hochrangige britische Offiziere, die überzeugt sind, daß die NATO in Zukunft eine weitaus bedeutendere militärische Rolle rund um die Welt spielen wird. Und dies trotz aller Washingtoner Bedenken, daß die Organisation wegen ihrer größeren Mitgliederzahl nach Aufnahme von sieben weiteren osteuropäischen Ländern in Prag zu einer »unentschlossenen Mini-UNO« werden könnte. Als neue Mitglieder sollen Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, die Slowakei und Slowenien aufgenommen werden. Polen, die Tschechische Republik und Ungarn waren bereits bei der ersten Expansionsrunde aufgenommen worden. Belorußland und die Ukraine sollen vorerst vor der Tür bleiben und sind nicht nach Prag eingeladen. Allerdings haben beide Regierungen inoffiziell angedroht, dennoch - auch uneingeladen - zu kommen, was die Feierlichkeiten erheblich stören würde.

Unter dem Druck Washingtons und aus Angst davor, daß die USA mit weiteren militärischen Alleingängen die Europäer bei der Aufteilung der Welt ausschließen könnten, haben die Hauptbefürworter einer von den USA unabhängigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität vorerst den Aufbau einer europäischen schnellen Eingreiftruppe von 60000 Mann zurückgestellt. Nach Berichten aus Frankreich, Großbritannien, London und Rom soll nun zuerst im Rahmen der NATO eine 20000 Mann starke schnelle Eingreiftruppe aufgestellt werden, die unter US-Kommando innerhalb kürzester Zeit überall auf der Welt als Hilfstruppe eingesetzt werden kann. Die dazu notwendigen Geräte, wie Langstreckenflugzeuge, Spionagesatelliten etc., werden dazu von den USA gestellt.

Quelle: http://www.jungewelt.de


Hürdenlauf zum Protest

Artikel von Peter Nowak in 'junge Welt' vom 20.11.2002

Im Vorfeld des NATO-Gipfels von Prag nimmt die Repression an den Grenzübergängen zu

Der am kommenden Donnerstag beginnende NATO-Gipfel in Prag wirft seine Schatten voraus. Zahlreiche Initiativen aus ganz Europa haben Proteste vor Ort angekündigt. Doch dazu müssen sie zunächst die Grenze überwinden. Schon seit letzter Woche berichten Aktivisten über verschärfte Grenzkontrollen nach Tschechien. Während an der tschechisch-österreichischen Grenze schon ca. 15 Personen abgewiesen wurden, hat auch auf der deutschen Seite der Hürdenlauf zum Protest begonnen.

So berichteten die Beobachter gegenüber jW von aggressiven Kontrollen am Grenzübergang Waidhaus. Auch Zurückweisungen soll es bereits gegeben haben. Genaue Zahlenangaben gibt es allerdings noch nicht. Als Gründe wurden »szenetypisches Aussehen« und das Mitführen anarchistischer Literatur genannt. Auch Personen, die in der Vergangenheit im Zusammenhang mit globalisierungskritischen Aktivitäten polizeilich aufgefallen sind, werden per Computer herausgefiltert.

Weil aufgrund der Erfahrungen bei früheren Gipfeltreffen mit derartigen Repressionen gerechnet werden mußte, haben Globalisierungskritiker in Dresden einen Grenzinfopunkt eingerichtet, der bis zum 27.November geöffnet bleiben soll. Neben der Verteilung von Infomaterial sollen dort auch von Zurückweisungen betroffenen Kontakte zu Anwälten vermittelt werden. Falls es zu weiteren Einreiseverweigerungen kommt, sind Protestaktionen direkt an der Grenze geplant.

Doch auch nach erfolgreichem Grenzübertritt ist man vor weiterem Spießrutenlaufen nicht sicher. Das zeigte sich am Montag abend, als schwerbewaffnete Polizisten ein internationales Treffen von NATO-Gegnern in der Prager Innenstadt stürmten und alle anwesenden Personen stundenlang festhielten. Sollten die Polizeiübergriffe gegen NATO-Gegner in Prag in den nächsten Tagen anhalten, soll mit Protesten vor tschechischen Botschaften und Konsulaten in vielen Ländern reagiert werden.

* Kontakt zum Grenzinformationspunkt Dresden: http://www.free.de/terminal/ borderpoint oder Telefon 49351/89960455

Quelle: http://www.jungewelt.de


Alle marschieren mit

Artikel von Arnold Schölzel in 'junge Welt' vom 22.11.2002

Die USA sammeln ein Bündnis für den Irak-Krieg - einschließlich Bundesrepublik

Wenn es um den nächsten Krieg geht, wird die Mediensprache staatsmännisch: Die Bundesregierung habe, so die Nachrichtenagentur AP am Freitag, ihr im Wahlkampf verkündetes kompromißloses Nein zur Mitwirkung an einem US-Angriff auf Irak offenkundig »modifiziert«. Zwar lehne sie unverändert eine direkte militärische Beteiligung ab, wolle aber den USA die Überflugrechte und die Nutzung von Militärbasen in Deutschland offenbar nicht verweigern. Dies wurde in Erklärungen von Außenminister Joseph Fischer und Regierungssprecher Bela Anda zu einer Anfrage der USA deutlich und durch Informationen von CSU-Landesgruppenchef Michael Glos erhärtet. Außerdem stimmte die Bundesrepublik auf dem NATO-Gipfel in Prag einer Erklärung zu, in der sich alle 19 Mitgliedstaaten des Militärpaktes zur Unterstützung der UN-Resolution 1441 zum Irak verpflichten.

Anda bestätigte am Donnerstag am Rande des Gipfels in Prag, daß der Bundesregierung erstmals seit Beginn der Diskussionen über einen möglichen Angriff auf Irak eine konkrete Anfrage der USA zu einer deutschen Unterstützung der Aktion vorliegt. In der Erklärung Andas heißt es: »Die Anfrage wird sorgfältig geprüft auf der klaren Grundlage einer deutschen Nichtbeteiligung an einer möglichen militärischen Aktion in Irak, unserer Bündnisverpflichtungen, rechtlicher Möglichkeiten und Bindungen.« Andas Formulierungen deuten darauf hin, daß die Bundesregierung den USA im Falle eines Militärschlages gegen Irak die Überflugrechte und die Nutzung ihrer Militär-Basen in Deutschland womöglich nicht verweigern würde.

Während des NATO-Gipfels war aus US-Regierungskreisen bekanntgeworden, daß Präsident George W. Bush in aller Stille rund 50 Staaten, darunter die Bundesrepublik, kontaktiert hat mit der Bitte um Benennung von Truppen und Material für den Fall eines Krieges gegen Irak. Fischer bekräftigte dazu in Prag: »Unsere Haltung ist eindeutig klar: Wir werden uns nicht beteiligen.« Diese Haltung sei »wohldurchdacht«. Die US-Anfrage, deren Inhalt vertraulich sei, werde aber geprüft. Die Gewährung von Überflugrechten sei »ohne jeden Zweifel ein Aspekt«, sagte der Minister, ohne nähere Einzelheiten dessen zu nennen, was geprüft werde.

Glos erklärte nach seiner Rückkehr von einem Washington-Kurzbesuch vor Journalisten in Berlin, Verteidigungsminister Peter Struck habe bei seinen jüngsten Gesprächen in der US-Hauptstadt offensichtlich deutlich gemacht, daß die Bundesregierung in der Irak-Frage jetzt viele Dinge anders sehe als im Wahlkampf. Die Signale, die aus der Bundesregierung kämen für den Fall, daß es zu einem Krieg komme, seien »offensichtlich anders als im Wahlkampf«, sagte Glos unter Berufung auf seine Gespräche, ohne aber eine konkrete Quelle zu nennen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte im Wahlkampf jegliche deutsche Beteiligung an einem militärischen Vorgehen gegen Irak strikt abgelehnt, und dies selbst für den Fall, daß der UN-Sicherheitsrat einen Angriff beschließen sollte. Glos verwies darauf, daß von seiten der Bundesregierung, anders als im Wahlkampf, zur Zeit keine Rede mehr sei von einer Verweigerung von Überflugrechten oder der Nutzung von Häfen und Militär-Basen.

In der NATO-Erklärung hieß es, das Bündnis sei »einig in seiner Entschlossenheit, wirkungsvolle Mittel zu ergreifen, um die Anstrengungen der UNO zu unterstützen, damit Irak die Resolution 1441 vollständig und sofort, bedingungslos und ohne Einschränkungen einhält«. Die NATO erinnere daran, daß die Resolution Irak vor »ernsten Konsequenzen« gewarnt habe, falls es seine Verpflichtungen nicht einhalte. Ein ranghoher US-Vertreter sagte, dies sei eine »überraschend deutliche Sprache«. Das Statement gehe über die »einfache politische Erklärung« hinaus, die die USA sich erhofft hätten.

Quelle: http://www.jungewelt.de


NATO stößt bis Rußland vor

Artikel in 'junge Welt' vom 22.11.2002

Prager Gipfel billigte größte Erweiterung der Allianz. Eingreiftruppe geschaffen

Mit der »Beitrittseinladung« an sieben osteuropäische Staaten hat die NATO am Donnerstag in Prag die größte Erweiterung ihrer 53jährigen Geschichte beschlossen. Das Bündnis wird damit bis Mitte 2004 auf 26 Mitglieder anwachsen und sein Territorium bis an die Grenze zu Rußland ausdehnen. Dieser Beschluß soll nach den Worten von NATO-Generalsekretär George Robertson »die endgültige Überwindung der Teilung Europas« markieren.

Der Gipfel feierte die zweite NATO-Osterweiterung als das »Ende des Kalten Kriegs«, nachdem in einer ersten Runde 1999 schon Ungarn, die Tschechische Republik und Polen Mitglieder des westlichen Militärbündnisses geworden waren. Zugleich betonten die 19 Staats- und Regierungschefs, daß die »Tür für weitere Beitritte offenbleibt«. Bundesaußenminister Joseph Fischer nannte als mögliche neue Mitglieder Kroatien und Mazedonien, die sich in der sogenannten Vilnius-Gruppe der zehn Beitrittskandidaten um eine Aufnahme in die Allianz bemühten.

Mit einem Grundsatzbeschluß machte der Gipfel zudem den Weg frei zur Aufstellung einer schnellen NATO-Eingreiftruppe. Diese sogenannte Response Force soll nach jüngsten Vorstellungen bis Oktober 2006 stehen und den »raschen Einsatz« von bis zu 21000 Mann weltweit innerhalb von fünf Tagen ermöglichen. Deutschland wird sich daran beteiligen, will laut Fischer aber »jeden Einsatz wie verfassungsrechtlich geboten« vom Parlament bestätigen lassen.

Quelle: http://www.jungewelt.de


Einfach herzig - NATO nahm sieben neue Mitglieder auf

Kommentar von Werner Pirker in 'junge Welt' vom 22.11.2002

Vaclav der Samtene ließ nicht den Mars, das heißt den NATO-Stern, über der Prager Burg erstrahlen, sondern ein rotes Herz. Das Logo für die NATO neu - für einen Militarismus mit Herz? Tatsächlich ist der Nordatlantische Pakt nicht mehr das, was er einmal war. Nicht mehr der elitäre Klub, sondern fast schon eine Massenorganisation.

Auf der NATO-Tagung zu Prag wurden sieben neue Mitglieder aufgenommen: die drei baltischen Staaten, Slowenien, die Slowakei sowie die Armenhäusler Bulgarien und Rumänien. Schon bald sollen noch ein paar andere Staaten aus Europas heruntergekommenen Vororten hinzukommen. Burschen vom Land ist der Zutritt zum Offizierskasino nicht weiter untersagt.

Auf den ersten Blick ergibt die Verwässerung der NATO durch den Zustrom militärisch inferiorer Länder wenig Sinn. Doch um eine Erhöhung der militärischen Schlagkraft geht es bei der NATO-Osterweiterung ohnedies nicht, sondern um eine politische Neuordnung. Die Expansion der NATO nach Osten ist ein Projekt der Unterwerfung - und zwar genau der Länder, die sich nun glücklich schätzen, in den Kreis der Auserwählten aufgenommen worden zu sein. Diese Staaten haben sich freiwillig zwangsverpflichten lassen. Bulgarien, Rumänien, die Slowakei und die baltischen Staaten müßten da so ihre historischen Erfahrungen haben. Doch offenbar haben sie daraus nichts gelernt.

Heute geht es nicht um die Rekrutierung von Hilfstruppen gegen den Feind im Osten. Abgesehen davon, daß die NATO nun an den Grenzen zu Rußland steht, ist der eigentliche Zweck der Osterweiterung ein anderer. Mit ihrem Beitritt haben sich diese osteuropäischen Länder selbst aller Möglichkeiten einer eigenständigen Außenpolitik beraubt. Eine solche hätte sich nur auf der Grundlage strikter Neutralität und der Bildung eines Blocks der Neutralen und Blockfreien realisieren lassen, wie das etwa Jugoslawien unter Milosevic - allerdings von allen potentiellen Verbündeten isoliert - angestrebt hatte. Das Osterweiterungsprojekt des westlichen Bündnisses verfolgte immer nur den Zweck, das Entstehen einer Pufferzone zwischen der NATO und den Objekten ihrer imperialistischen Begierde zu verhindern.

Die Nivellierung der NATO auf das Niveau eines Allerweltvereines liegt zudem im strategischen Interesse der USA. Deren aggressiver Unilateralismus ist selbst mit den NATO-Strukturen kaum noch vereinbar. Nach den Vorstellungen des Pentagons hat die NATO nicht mehr als eine Vorfeldorganisation zu sein, die die allgemeinen Interessen der westlichen Verbündeten solange zum Ausdruck bringen darf, solange diese mit den besonderen Interessen der USA übereinstimmen. Denn was ist der Nordatlantikpakt ohne USA? Ein Herz am Sternenhimmel über Prag.

Quelle: http://www.jungewelt.de


Kriegsschwätzchen

Artikel von Arnold Schölzel in 'junge Welt' vom 23.11.2002

Schröder: Keine Einschränkung für die USA im Krieg gegen Irak

So richtig aussprechen will es bisher nur Hans-Ulrich Klose, der Bundeskanzler übt noch die Formulierungen: Im Krieg gegen Irak ist Deutschland dabei. Beim NATO-Gipfel in Prag erklärte Gerhard Schröder, daß die Bundesregierung den Vereinigten Staaten im Fall eines Krieges gegen Irak Überflugrechte gewähren wird. »Wir haben nicht vor, die Bewegungsmöglichkeiten unserer Freunde einzuschränken«, formulierte der Kanzler beim NATO-Gipfel am Freitag in Prag. Es gebe klare Verträge. Sein bei der Bundestagswahl unterlegener Herausforderer, CSU-Chef Edmund Stoiber, sprach bei der Eröffnung des CSU-Parteitags in München von der »schwersten aller Wahllügen« des SPD-Vorsitzenden.

Schröder bekräftigte in Prag zugleich, »daß es eine militärische Beteiligung Deutschlands nicht geben wird«. Dabei bezog sich der Kanzler auf eine Anfrage der US-Regierung an 50 Länder, in welchem Umfang sich diese an einer möglichen Militäraktion beteiligen wollten.

Die Anfrage werde sorgfältig geprüft und eine Entscheidung erst den amerikanischen Freunden mitgeteilt und dann der Öffentlichkeit, sagte Schröder. »Es geht um die Frage der Bewegung in Deutschland und über Deutschland«, ergänzte er in einem n-tv-Interview. Ob die USA darüber hinaus weitere Anforderungen gestellt hätten, ließ er bis zur endgültigen Prüfung der Anfrage offen. Schröder verwies zudem auf einen vor wenigen Tagen gefaßten Bundestagsbeschluß, wonach die Spürpanzer Fuchs der Bundeswehr weiter in Kuweit stationiert blieben. »Sie sind ein Beitrag zur Terrorismusbekämpfung und kein Beitrag zu was auch immer.«

Stoiber teufelte in München, damit werde Schröders »wohl letztlich wahlentscheidende Lüge aufgedeckt und offenbar. Diese schwerste aller Wahllügen wird Schröder ganz alleine verantworten müssen«. Damit stehe Schröder vor seinem größten Wortbruch, sagte der bayerische Ministerpräsident. »Jetzt muß er sich entscheiden, wen er betrügen will: seine Wählerinnen und Wähler oder die Bündnispartner.« Eine Wahl, die Stoiber offenbar noch leichter als Schröder gefallen wäre.

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos forderte die Bundesregierung auf, Bundestag und Öffentlichkeit über mögliche Zusagen an die USA zu informieren. Das gelte auch für die Fuchs-Spürpanzer. Zudem wolle die Regierung neben den Überflugrechten und der Benutzung der US-Stützpunkte in Deutschland »vor allen Dingen« auch die Hafenbenutzung gewähren, sagte der CSU-Politiker. Es gebe offensichtlich Zusagen, daß man im Fall von Demonstrationen die Kasernen und die »freie Logistik« der Amerikaner schützen werde. Zur Frage nach anders lautenden Äußerungen aus dem Verteidigungsministerium sagte Glos: »Wir kennen doch das regierungsamtliche Fälschen. Es wird nicht mehr zugegeben, als dann am Schluß beweisbar ist.«

Vorläufigen Klartext spricht bereits der Vizevorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Hans-Ulrich Klose (SPD). Im Falle einer Notlage der USA in einem möglichen Irak-Krieg sei er für den Einsatz der Bundeswehr. Die deutschen Spürpanzer seien zwar zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus und nicht für einen Kriegseinsatz in Kuwait stationiert worden, sagte Klose am Freitag im Deutschlandfunk. Im Falle der »Nothilfe« würde die Bundesregierung diese jedoch nicht ungenutzt stehen lassen, sondern einsetzen.

Das gleiche gilt nach Aussage Kloses für die am Horn von Afrika stationierten deutschen Marine-Schiffe. Wenn ein US-amerikanisches Kriegsschiff von Terroristen angegriffen werde, würden sie zum Schutz eingesetzt. Klose hält es darüber hinaus für »natürlich«, den USA im Falle eines Kriegs gegen den Irak freie Bewegung auf ihren Stützpunkten in Deutschland und im deutschen Luftraum zu gewähren. Die Unterstützung in dem Konflikt, um die US-Präsident George W. Bush gebeten hatte, könne auch in einer solchen passiven Weise erfolgen. Klose sprach sich in diesem Zusammenhang zugleich gegen eine finanzielle Beteiligung der Bundesregierung an einem möglichen Irak-Krieg aus. Es wäre eine ungute Geste, wenn Deutschland sich von einer Verpflichtung mit Geld löse.

Quelle: http://www.jungewelt.de


Prag: NATO-Gegner demonstrierten

Artikel von Peter Nowak in 'junge Welt' vom 23.11.2002

Trotz Repressionen Protestmarsch in Teilen der Innenstadt. Schikanen der Polizei

Etwa 2000 Menschen zogen am Donnerstag nachmittag durch einen Teil der Prager Innenstadt, um gegen den NATO-Gipfel zu demonstrieren, der zeitgleich in der Stadt tagte. Die Teilnehmer kamen überwiegend aus globalisierungskritischen und libertären Gruppen, wie an den mitgeführten Transparenten deutlich wurde. Die Demonstration verlief ohne die von den Medien pausenlos herbeigeredeten Krawalle.

Noch am Donnerstag vormittag hatte der bekannte Prager Journalist Peter Uhl die NATO-Gegner in einem Fernsehinterview als Anarchisten bezeichnet. Damit wurden auch die massiven Freiheitseinschränkungen gerechtfertigt, die die NATO-Kritiker in den letzten Tagen in Prag zu spüren bekommen hatten. Wer in einem Zentralcomputer als Globalisierungsgegner gespeichert ist, hatte große Probleme beim Passieren der Grenze. Schon am Montag wurde von der Polizei ein Treffen von NATO-Gegnern aus mehreren europäischen Ländern in der Prager Innenstadt gestürmt. »Wir wurden wie Kriminelle behandelt«, berichtete eine Betroffene gegenüber jW. »Unser Gepäck wurde kontrolliert, und wir wurden alle gefilmt.«

Am Mittwoch morgen war das für diese Woche angemietete Aktionszentrum der NATO-Gegner in Prag geräumt worden. Dort sollten Transparente gemalt und Vorbereitungen für die Aktionen getroffen werden. »Alles verlief absolut gewaltfrei«, bestätigten Aktivisten. Doch der Besitzer der Halle sei von der Polizei so unter Druck gesetzt worden, daß er den Vertrag kündigte und die Räumung veranlaßte.

Quelle: http://www.jungewelt.de


Vaclav Havel und die Ost-Erweiterung der NATO

Kommentar von Werner Pirker in 'junge Welt' vom 23.11.2002

Der tschechische Dichterpräsident Vaclav Havel, der gern über die metaphysischen Wurzeln des Seins nachdenkt, wendet sich mitunter auch dessen profanen Seiten zu. Und dann geht er ganz schön zur Sache. Dann schaut aus dem Schafpelz der Wolf hervor. Der konservative Ex-Premier Vaclav Klaus weiß ein Lied davon zu singen. Er ist vom Burgherren in seiner politischen Existenz vernichtet worden.

Die Ursache dieser Todfeindschaft zwischen den beiden Hauptakteuren der liberalen Konterrevolution in der Tschechoslowakei liegt im Konflikt zwischen zwei Strömungen innerhalb der tschechischen Eliten. Die eine ist auf die bedingungslose Westintegration eingeschworen, die andere will die nationalen Interessen nicht gänzlich dem großen Ganzen unterordnen. Die Westler residieren in der Prager Burg.

Der Hradschin bildete dieser Tage ein würdiges Ambiente für jene »historische« NATO-Tagung, auf dem sieben Novizen aus einfachen Verhältnissen zu Mitgliedern des nordatlantischen Ordens geweiht wurden. Und Havel gefiel sich in der Rolle eines Spiritus Rector der westlichen Militärintegration. Er zeigte dem Bündnis die »logischen Grenzen« seiner Erweiterung auf.

Die Militärallianz umfasse als »der Westen« einen spezifischen Zivilisationsraum, der auch geographisch relativ abgegrenzt sei, sagte Havel. »Rußland nimmt dagegen einen großen Teil von Europa ein, ist jedoch so nachweisbar eine absolut eigenartige euroasiatische Macht, daß seine Mitgliedschaft in der Allianz auch keinen Sinn machen würde.«

Die Türkei nimmt nur einen winzigen Teil Europas ein und kann, von der Geographie einmal abgesehen, kulturell und religiös kaum »dem Westen« zugerechnet werden, unter dem ein Politikmystiker wie Vaclav Havel selbstredend das »christliche Abendland« versteht. Aber so mystisch ist der Hradschin-Chef auch wieder nicht, daß er nicht gerne zur Kenntnis nehmen würde, daß der Mann am Bosporus ein treuer Diener des westlichen Imperialismus ist. So eng sollte man das nicht nehmen mit dem christlichen Abendland. In Bosnien fochten die Muslime für die christlichen Werte, während das christlich-orthodoxe Serbien das östliche »Reich des Bösen« darzustellen hatte.

Daß die NATO nicht bis zum Stillen Ozean expandiert, hat weder geographische noch kulturelle oder religiöse Gründe. Eine Mitgliedschaft Rußlands in der NATO ergäbe tatsächlich wenig Sinn. Nähme die westliche Kriegsallianz Rußland auf, würde sie sich selbst negieren. Der Sinn der Weiterexistenz der NATO ergibt sich nicht zuletzt aus ihrer Abgrenzung zum eurasischen Koloß und der Verhinderung seines Wiederaufstieges in die Eliteliga. Auch als kapitalistische Supermacht wäre Rußland aus der Sicht der marktführenden Mächte ein »Reich des Bösen«. Denn die Dialektik der russischen Großmacht-Krise besteht ja genau darin, daß sie nur überwunden werden kann, wenn Rußland aus dem Regime der neoliberalen Globalisierung ausbricht. Das wäre dann ein klassischer Fall für die NATO.

Bei allen Brüchen in seiner Argumentation plädiert Havel für eine NATO als Instrument im »Clash of Civilisations«. Jenseits des Westens als »spezifischen Zivilisationsraum« lauert der »gemeinsame Feind aller Menschen: organisiertes Verbrechen, Terror oder die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen«. In diesem Kampf dürfe es keine Neutralität geben, hält der tschechische Präsident den neutralen Ländern Europas vor, die er zum NATO-Beitritt auffordert. Da es die zwei großen Machtblöcke nicht mehr gebe, sei die Neutralität gegenstandslos geworden. Der sozialdarwinistische Charakter des Havelschen Weltbildes ist offenkundig: Die Vorstellung der multipolaren Welt, daß »Block« - politisch gesehen - nur im Plural einen Sinn ergibt, ist aufgehoben. Ein Machtblock steht dem ebenso überwiegenden wie traurigen Rest der Menschheit gegenüber. Dem bietet Havel nicht die NATO-Mitgliedschaft an. Neutral gegenüber dem gemeinsamen Menschheitsfeind dürfen diese Länder aber auch nicht sein. Was also? Bleibt nur noch die Unterwerfung.

Die Replik darauf liefert Bert Brecht: »Am Grunde der Moldau liegen drei Steine. Es liegen drei Kaiser begraben in Prag. Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. Die Nacht hat zwölf Stunden. Es beginnt schon der Tag.«

Quelle: http://www.jungewelt.de


Präventivkriege - jetzt auch deutsche Politik?

Artikel von Tobias Pflüger, Vorstandsmitglied bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., in 'junge Welt' vom 25.11.2002

Der Gipfel in Prag als historische Wegmarke der NATO. Deutschland unterstützt nun auch offiziell den Krieg gegen den Irak

Der NATO-Generalsekretär George Robertson bezeichnete schon im Februar den Prager NATO-Gipfel als »historische Wegmarke«, der Vorsitzende des Militärausschusses der NATO, der deutsche General Harald Kujat, legte vergangene Woche noch einmal nach: »Die NATO steht mit diesem Gipfel am Scheideweg.« Was ist gemeint? Was passierte auf diesem NATO-Gipfel in Prag? Direkt und indirekt standen nicht weniger als sechs für die Zukunft der NATO zentrale Punkte auf der Tagesordnung: 1. Diskussion über die (Teil-)Übernahme der Bush-Doktrin als NATO-Strategie, 2. NATO-Osterweiterung, 3. Neue Aufgabenstellung und neue Ziele für die NATO, 4. Verbindliches Aufrüstungsprogramm für alle NATO-Staaten, 5. Aufstellung einer NATO-Interventionstruppe (»NATO Response Force«) mit 21000 Mann und Frau, 6. Die Position der NATO und der einzelnen Regierungen zum Irak-Krieg. Dazu kamen: Überprüfung der Rolle der NATO bei den Einsätzen auf dem Balkan und die Beziehungen zu Nicht-NATO-Staaten.

Einen Punkt suchte man vergeblich auf der Agenda, er wurde schon vor dem NATO-Gipfel durch die Hintertür eingeführt: Der Einsatzradius der NATO soll in Zukunft global sein und nicht mehr auf das NATO-Gebiet beschränkt bleiben. Unverwechselbar klar ist dazu wieder einmal die Zeitung Die Welt: »Die NATO bereitet sich auf Einsätze in der ganzen Welt vor«. Die Militärzeitschrift IAP wurde noch deutlicher: Es geht um eine neue »geopolitische Ausrichtung nach Süden«.

Der wesentlichste Punkt auf dem Prager NATO-Gipfel und für die Zukunft der NATO an sich war deshalb die Debatte, ob die verbindliche US-Militärstrategie, die National Security Strategy (NSS), besser bekannt als Bush-Doktrin, in ihren Kernteilen von der NATO als Strategie übernommen wird oder nicht. Wolfgang Schäuble hatte im Bundestag eine Übernahme der NSS und die Zustimmung zu Präventivkriegen gefordert. Was das heißt, ist vielen nicht bewußt. Es bedeutet, daß die beiden Kernelemente der Bush-Doktrin verbindlicher Teil der NATO-Strategie werden: Führung von Präventivkriegen, wenn die Regierenden die Hegemonie bedroht sehen, und »niederschwelliger« Einsatz von Atomwaffen.

Osterweiterung

Nachdem in einer ersten Runde 1999 Ungarn, Tschechien und Polen in die NATO aufgenommen wurden, erging nun in Prag die Einladung an Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien. Der Beitritt selbst soll im Mai 2004 erfolgen. Albanien, Mazedonien und Kroatien hatten ebenfalls beim »Membership Action Plan« mitgemacht. Dabei handelt es sich im wesentlichen um eine Überprüfung der NATO-Kompatibilität der Armeen, die Zusage der Kandidaten für eine deutliche Erhöhung der Militärausgaben und die Überprüfung von möglichst nicht auffälligen Menschenrechts- oder Demokratiedefiziten. Nach Angaben des ehemaligen NATO-Generals Wesley Clark wären die neuen NATO-Kandidaten bei einem möglichen Irak-Krieg auch dabei. Er geht von einem Kriegsbeginn Ende Januar und der Teilnahme von Italien, Spanien, den USA, Großbritannien, Bulgarien, Polen, Ungarn, Rumänien, Lettland, Litauen und Estland aus.

Nach dem 11. September 2001 hatte die NATO eindeutig einen Bedeutungsverlust zu verzeichnen. Der von den westlichen Regierungen unter Führung der US-Administration ausgerufene permanente Krieg (offiziell »Anti-Terror-Krieg«) wird in Ad-hoc-Koalitionen geführt. Die NATO wurde außer für die Ausrufung des Bündnisfalles nicht »gebraucht«. NATO-Generalsekretär George Robertson drängte deshalb - in Übereinstimmung mit den wichtigsten NATO-Regierungen - darauf, daß sich die NATO neue Aufgabenbereiche und Ziele verschreibt: Der Pakt soll eine Art »Neue Anti-Terror-Organisation« (NATO) werden, weltweit einsetzbar. Als weiteres zentrales Ziel soll die NATO die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bei anderen Staaten unterbinden. Normalerweise wäre für eine solche Aufgabenveränderung ein neues strategisches Konzept vonnöten, doch da das geltende von 1999 noch zu jung ist, um schon wieder ein neues aufzulegen, werden eben einfach die Aufgaben der NATO »angepaßt«.

Aufrüstungsprogramm

Eine zunehmende Kluft zwischen den militärischen Fähigkeiten der USA und der europäischen NATO-Staaten machte der NATO-Generalsekretär vor dem Gipfel aus. So wurde jetzt in Prag ein verbindliches Aufrüstungsprogramm für alle (neuen und alten) NATO-Staaten beschlossen. »Wir müssen flexiblere und mobilere Streitkräfte entwickeln. Die schnelle Verlegung von Truppenteilen und ihrer Ausrüstung in alle Teile der Welt muß verbessert werden«, so George Robertson gegenüber der Zeitung Die Welt. Folgende Bereiche sollen in allen Staaten umfangreich aufgerüstet werden (in militärischer Sprache): »Abwehr chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Angriffe, Gewährleistung der Überlegenheit auf dem Gebiet der Führungs-, Fernmelde- und Informationssysteme, Verbesserung der Interoperabilität dislozierter Streitkräfte und zentraler Aspekte der Leistungsstärke bei Kampfeinsätzen sowie Gewährleistung der raschen Dislozierbarkeit und der langfristigen Durchhaltefähigkeit von Streitkräften.« Übersetzt bedeutet dies eine bessere Kriegführungsfähigkeit und weitere »qualitative« Aufrüstung. Die NATO wird gegenüber allen Mitgliedstaaten Druck machen, daß sie mehr kampforientierte Truppen mit mehr kriegstauglichem Material zur Verfügung stellen, das geht einher mit zum Teil deutlichen Erhöhungen der Militärhaushalte und bedeutet bezogen auf die Bundeswehr einen verschärften Aus- und Aufbau von kriegführungsfähigen Truppen (»Einsatzkräften«).

NATO-Interventionstruppe

Im Vorfeld des Prager NATO-Gipfels hatte die US-Regierung mit ihrer Forderung nach Aufstellung einer NATO-Interventionstruppe (»NATO Response Force«, NRF) mit 21 000 Mann und Frau für Furore gesorgt. Jetzt wurde das einvernehmlich beschlossen. Diese NATO-Interventionstruppe soll ab Oktober 2004 teilweise und ab 2006 vollständig bereitstehen. Aus einem jeweils von den NATO-Staaten bereitgehaltenen NRF-Pool soll sie zusammengestellt werden können und innerhalb kürzester Frist, die Rede ist von sieben bis 30 Tagen, in Kriegs- und Konfliktregionen verbracht werden können. Die US-Regierung und dort besonders Donald Rumsfeld hatten diese Stand-By-Kriegführungstruppe schon zu einem Lackmustest für die Relevanz der NATO erklärt. Für Deutschland tun sich spezielle Probleme auf bei einer solch kurzen Vorwarnzeit, schließlich muß der Bundestag (noch) jeden der Auslandseinsätze beschließen. Die NATO-Truppe bietet nun denjenigen, die diesen »Parlamentsvorbehalt« abschaffen wollen, neue Munition, plötzlich ist das »Endsendegesetz«, mit dem der Bundestag ausgehebelt werden könnte und das in den Koalitionsverhandlungen gerade noch abgewendet wurde, wieder auf dem Tisch.

Zentrales politisches Problem für die Oberen der EU-Regierungen ist aber die sichtliche Konkurrenz dieser neuen NATO- Interventionstruppe zur geplanten EU-Interventionstruppe mit 60 000 Mann. Erst kurz vor dem NATO-Gipfel hatte die EU betont, daß die Einsatzfähigkeit der EU-Truppe nächstes Jahr erreicht sein soll. Deutschland spielt bei der EU-Truppe sowohl quantitativ (»Ein Drittel aus Deutschland«) als auch in der Befehlsstruktur eine wesentliche Rolle (das Einsatzführungskommando in Potsdam-Geltow ist »Kern eines Operation Headquarters der Europäischen Union«).

Doch es gibt erhebliche Probleme: Die EU-Truppe muß auf NATO-Material und NATO-Soldaten zurückgreifen. Bei der NATO blockiert aber die Türkei eine Zurverfügungstellung von NATO-Equipment, gegen eine türkische Mitsprache bei der EU-Truppe sträubt sich Griechenland. Doch damit nicht genug: Ab 15. Dezember sollte eigentlich die EU erstmals eine stationierte NATO-Truppe übernehmen, in Mazedonien. Doch das klappt nicht, der Streit zwischen Griechenland und der Türkei blockiert dies. Die französische Regierung wollte auf jeden Fall das Mazedonien-Mandat gleich unter EU-Flagge für ein Jahr erteilen, Deutschland, Großbritannien und die anderen EU-NATO-Staaten setzten sich durch, und so gab es noch einmal ein halbjährliches NATO-Mandat, bevor die Truppe unter EU-Flagge startet. Jedenfalls ist klar: Die NATO-Truppe ist auf der Überholspur, die EU-Truppe steckt im Stau. Bei der NATO heißt es: »Eine Konkurrenzsituation ist vorstellbar«. Ergebnis wird wohl trotzdem sein, daß beide Interventionstruppen herausgebildet werden.

Deutschland und der Irak-Krieg

Offiziell nicht auf der Tagesordnung auf dem Prager Gipfel war der geplante Irak-Krieg der USA und Großbritanniens; erwartungsgemäß war er dennoch das bestimmende Thema. Er wurde kaum noch kontrovers diskutiert. Nachdem die Wahlkampfernte für SPD und Grüne eingefahren ist, sind die Äußerungen der Bundesregierung gegen einen Irak-Krieg deutlich leiser geworden. Der von Peter Struck versprochene Abzug der ABC-Panzer aus Kuwait bei Kriegsbeginn ist auf Wunsch von Joseph Fischer zurückgenommen worden.

Die Bundesregierung hatte diesmal im Bundestag relativ geräuschlos eine Verlängerung des »Enduring Freedom«-Mandats durchbekommen, obwohl der Auftrag deutlich ausgeweitet wurde. Die ABC-Abwehrsoldaten in Kuwait wurden bestätigt. Die Soldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) haben einen erweiterten Auftrag erhalten. Nach wie vor ist aber unklar, was die KSK-Soldaten genau treiben und was sie mit möglichen Gefangenen machen. Auch die »Deutsche Marine«, die rund um Somalia, in Djibouti, Kenia, am Horn von Afrika etc. herumschippert, wird in Zukunft nicht mehr nur Küstenwache spielen und Öltransporte absichern, sondern nun auch Transporte zum Kriegsgebiet um den Irak begleiten.

Nach Ansicht von vielen Militärexperten ist klar, daß durch die Aufgabenstellung der ABC-Abwehrkräfte in Kuwait (Unterstützung von US-Soldaten) und deren Einbeziehung in den Gesamtverband vor Ort wie deren Unterstellung unter US-Befehl eine Einbeziehung deutscher Soldaten beim Irak-Krieg sehr wahrscheinlich geworden ist. Das gleiche gilt im übrigen auch für die multinationalen (und deutschen) Besatzungen beim geplanten Einsatz von AWACS. Deutschland wird also nicht mehr »nur« indirekt wie bisher, sondern wohl auch direkt am Irak-Krieg beteiligt sein.

Bisher laufen Truppentransporte zur Vorbereitung des Irak-Krieges über Frankfurt Airbase, Ramstein, Spangdahlem und Kriegsübungen in und um Grafenwöhr. Die Nutzung deutscher, britischer und US-amerikanischer militärischer Infrastruktur in Deutschland wird den kriegführenden Staaten durch die Bundesregierung nun auch offiziell ermöglicht (sie hätte hier die Möglichkeit und bei einem Angriffskrieg sogar die Pflicht, eine Nutzung zu untersagen). Auch die Überflugrechte bei einem Irak-Krieg sind nun offiziell zugesagt worden. In Prag wurde von seiten der Bundesregierung mitgeteilt, daß Deutschland Großbritannien und den USA wie beim Golfkrieg 1991 uneingeschränkte Überflugrechte erteilt. Auch wurde mitgeteilt, daß die USA und Großbritannien ihre Stützpunkte in Deutschland auch während des neuen Irak-Krieges zur Unterstützung der Kampfhandlungen nutzen können. Um welche Standorte es geht, ist auch schon klar: um die Verlegung der 1. Panzerdivision der U.S. Army im Kriegsfall. Die »Freigabe« des Transportes der Soldaten und ihres Kriegsmaterials aus den Kasernen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz zur Verschiffung nach Bremerhaven ist nun erfolgt. Wie die aus Europa und den USA abgezogenen US-Truppen und britischen Truppen »ersetzt« werden können, ist öffentlich noch nicht bekannt. Hier wird wohl Deutschland, das ja offiziell nicht mitbomben will, wohl an einer Reihe von Stellen in die Bresche springen.

Eine Kontroverse in Sachen Irak gab es auf dem NATO-Gipfel nicht, u.a. weil die Bundesregierung das erforderliche Veto innerhalb der NATO gegen einen Irak-Krieg nicht einlegen wollte. Mit ihrer Unterschrift unter die scharfe Erklärung des NATO-Gipfels zum Irak, in der einerseits die interpretierfähige UN-Resolution 1441 unterstützt wird und andererseits dem Irak bei »weiterer Verletzung seiner Pflichten ernsthafte Konsequenzen« angedroht werden, ist die Bundesregierung eindeutig von ihrer bisherigen Position abgewichen. Gleichzeitig ist damit klar, daß die NATO nicht direkt beim Irak-Krieg dabei sein wird, aber durch diese Gipfelerklärung die USA und Großbritannien in ihrem Kriegskurs unterstützt.

Über Israel oder die Türkei?

Die US-Regierung hat der Bundesregierung in Prag eine offizielle Anfrage für eine direkte Unterstützung beim Irak-Krieg zukommen lassen. Inzwischen ist der Inhalt der Anfrage klar: Die Bundesregierung soll Flugabwehrraketen zur Verfügung stellen. Wo diese allerdings stationiert werden sollen, blieb offiziell offen. Dafür kommen aber nur zwei Staaten in Betracht: Die Türkei oder Israel. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung haben Regierungsbeamte angedeutet, daß damit auch die neuerliche Position, »nicht aktiv am Irak-Krieg mitzumachen«, ins Schwimmen geraten ist: Die Bundesregierung werde in eine »ausgesprochen schwierige« Lage geraten, falls man ihr nahelegen sollte, die Raketen vom Typ »Patriot« zum Schutze Israels oder des NATO-Verbündeten Türkei bereitzustellen. »Wir bleiben dabei, daß wir an einem Krieg nicht aktiv teilnehmen wollen«, hieß es weiter. »Aber bei Israel könnten wir nur schwer ablehnen.« Diese wohl absehbare Entscheidung wird auch Auswirkungen auf die Friedens- und Antikriegsbewegung in Deutschland haben. Die Angriffe von (de facto-)Unterstützern der Politik Scharons auf die Friedens- und Antikriegsbewegung werden dann noch einmal stark zunehmen.

Erst wenn die USA das nächste Kriegsziel Iran ins Visier nehmen, ist eine heftigere Auseinandersetzung zwischen den Regierungen der USA und Deutschlands wahrscheinlich. Im Falle des Iran gibt es einfach andere Interessen, sowohl im geopolitischen als auch im wirtschaftlichen Bereich. Hier liegt wohl ein weiterer Grund für die »Kriegsablehnung« der Bundesregierung, die anderen Interessen hat in der Gesamtregion.

Der NATO-Gipfel bedeutet für Deutschland, daß Zusagen zur Erhöhung des Militärhaushaltes gemacht wurden, daß eine deutsche Teilnahme an der neuen NATO-Interventionstruppe erfolgt und die in Arbeit befindlichen neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) noch einmal umgeschrieben werden müssen, weil eine Light-Form von Präventivkriegen noch mit hinzukommt. Die Kriegspolitik von SPD und Grünen wird also munter fortgesetzt. Die Übernahme von weiterem Militärengagement in Afghanistan, auf dem Balkan und beim permanenten Krieg werden fortgesetzt werden, schließlich ist Deutschland schon heute nach den USA der Staat, der am meisten Truppen im Auslandseinsatz hat. Präventivkriege werden wohl nach dem Prager NATO-Gipfel Stück für Stück auch deutsche und NATO-Politik werden. Tatsächlich eine historische Wegmarke der NATO.

Widerstand gegen diese fortgesetzte und globale Kriegspolitik sowohl der USA als auch Deutschlands und der NATO ist von den Regierungen nicht zu erwarten, im Gegenteil. Auch deshalb waren die (wenigen) Aktionen gegen den NATO-Gipfel in Prag sehr zu begrüßen. In Deutschland orientieren sich viele aus globalisierungskritischen Gruppen, aus Friedens- und Antikriegsbewegung und viele, die in Florenz waren, als nächstes nach München, zu den Gegenaktivitäten gegen die Münchner »Sicherheitskonferenz« Anfang Februar.

Weitere Informationen: http://www.imi-online.de

Quelle: http://www.jungewelt.de


Links

AntiNato
Nato - Prague Summit
Summit Nato - Praha 2002