Dortmund, 25.1.2003 - Nazi-Aufmarsch für die Todesstrafe und der Protest 'Der Nazi-Heuchelei entgegentreten'Bilder

"Der Nazi-Heuchelei entgegentreten"

Aufruf des 'Bündnis Dortmund gegen rechts' vom 23.1.2003

Für diesen Samstag, den 25. Januar 2003, haben Dortmunder Rechtsextremisten einen Aufmarsch in Scharnhorst geplant. Hier ist am Freitag zuvor ein achtjähriges Mädchen auf offener Straße verschleppt und anschließend vergewaltigt worden. Doch auf das Leid des Opfers und ihrer Familie nehmen die Noenazis keine Rücksicht. Sie versuchen, dieses entsetzliche Verbrechen für ihre Zwecke auszuschlachten.

Ausgerechnet stattbekannte rechte Gewalttäter wollen sich in aller Öffentlichkeit als Anwälte der Opfer präsentieren. Bei diesem Aufmarsch werden auch rechte Skinheads dabei sein - wie jene Fünf, die am Freitag zuvor eine couragierte Frau in Hagen entführt und brutal vergewaltigt haben.

Der Nazi-Aufmarsch in Scharnhorst ist Heuchelei. Er ist der Versuch, bei aufgebrachten Bürgern für ihre menschenverachtende Weltanschauung zu werben.

Aus diesem Grund ruft das Bündnis 'Dortmund gegen Rechts' alle Menschen auf, gemeinsam mit uns dieser Heuchelei entgegenzutreten.

Treffpunkt für alle UnterstützerInnen ist Samstag, 10.00 Uhr, die U-Bahn-Haltestelle Gleiwitzstraße (U42 Richtung Grevel) in Dortmund-Scharnhorst.


Nazis sollen Kinderfreunde sein?? Wieviele Kinder starben in Auschwitz??

Flugblatt der SDAJ Dortmund

Vor einigen Tagen wurde hier in Dortmund-Scharnhorst ein 8-jähriges Mädchen vergewaltigt. Dieses schreckliche Verbrechen wollen heute Neonazis ausnutzen, um mit der Parole 'Todesstrafe für Kinderschänder' bei Ihnen auf billigen Stimmenfang zu gehen.

Um Kinder geht es diesen Leuten nicht. Es geht ihnen darum, neue Mitglieder anzuwerben. Dafür ist Ihnen auch ein Kinderleben nicht zu schade!!

Überhaupt ist es eine Frechheit, wenn sich organisierte Neonazis hier als Freunde der Kinder präsentieren. Deren Gesinnungsväter haben schließlich Tausende Kinder ermordet: In Auschwitz, Buchenwald, Dachau und an vielen Orten mehr...
  • Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!!
  • Laßt Euch nicht vor den Karren der Rechtsradikalen spannen!!
  • Schützt Eure Kinder auch vor diesen braunen Rattenfängern!!

Neonazis im Ruhrgebiet auf dem Vormarsch: Die Empörung der Bevölkerung mißbraucht?

Interview mit Hanno May, Pfarrer der Evangelischen Schalom-Kirchengemeinde in Dortmund-Scharnhorst, geführt von Markus Bernhardt, Dortmund, aus 'junge Welt' vom 25.01.2003

F: Nach der brutalen Vergewaltigung eines achtjährigen Mädchens in Dortmund-Scharnhorst, versuchen Neofaschisten, die Verunsicherung, Wut und Angst der Bevölkerung für Stimmungsmache auszunutzen. So wurde für den heutigen Samstag eine Demonstration unter dem Motto »Todesstrafe für Kinderschänder« angemeldet. Stoßen die Neonazis mit ihrer Forderung auf Resonanz in der Bevölkerung?

Wir hier in Dortmund-Scharnhorst sind aufgewühlt durch das schreckliche Verbrechen an dem kleinen Mädchen aus unserer Mitte. Wie der gesamte Stadtteil kennt auch unsere Kirchengemeinde in diesen Tagen nur dieses Thema und die Sorge um den seelischen und gesundheitlichen Zustand des Kindes. Unsere Gedanken sind bei ihr und ihrer Familie. In unserer Traurigkeit, Hilflosigkeit und Wut erfahren wir nun von der geplanten Demonstration am heutigen Samstag. Auch dies macht uns wütend, aber nicht hilflos. Wir wenden uns gegen den Mißbrauch unseres Entsetzens durch die neuen Nazis. Wir wollen hier keine zugereisten Gewalttäter, die unsere Traurigkeit dazu verwenden, für ihre menschenverachtende Propaganda zu werben. Es sind dieselben Leute, die Andersdenkende schlagen, terrorisieren und ermorden. Es sind dieselben Leute, die Frauen mißhandeln und vergewaltigen, wie erst in der vergangenen Woche in Hagen geschehen.

F: Antifaschistische Gruppen rufen zu einer Demonstration auf, um den Neofaschisten entgegenzutreten. Unterstützt ihre Gemeinde dieses Ansinnen?

Die evangelische wie auch die katholische Kirchengemeinde vor Ort wenden sich entschieden gegen die Nazi-Demo. Wir begrüßen die Gegenveranstaltung des »Dortmunder Bündnisses gegen rechts«. Ich wünsche mir eine große und starke Beteiligung der Scharnhorster Bevölkerung. Aber ich bin auch skeptisch. Die perfide Strategie der Rechten zielt natürlich darauf ab, stillschweigende Unterstützung zu finden, schließlich sind in der BRD ca. 60 Prozent der Bevölkerung für die Todesstrafe - das ist hier genauso wie anderswo. In zahlreichen Gesprächen haben wir allerdings auch gespürt, daß viele Menschen nicht wollen, daß die Nazis marschieren, ohne daß es Proteste dagegen gibt.

F: In der letzten Zeit gehört Dortmund wieder verstärkt zum Aktionsfeld neofaschistischer Gruppen. Es scheint eine ähnlich rasante Entwicklung wie in der Nachbarstadt Bochum stattzufinden. Trügt dieser Schein?

Der Schein trügt da sicher nicht - aber ich denke, daß dies keine städtespezifischen Entwicklungen sind, sondern das diese Entwicklungen für das ganze Ruhrgebiet gelten - und das macht uns große Sorgen. Es hat verschiedene Übergriffe auf Menschen nichtdeutscher Herkunft gegeben, und die Neofaschisten versuchen, hier ihre Strukturen zu festigen. Das wird unter anderem auch Thema einer Konferenz der VVN/BdA und anderer antifaschistischer Gruppen am 1. Februar hier in Dortmund sein.

* Treffpunkt Antifa-Demo: Samstag, 10 Uhr, U-Bhf. Gleinitzstr. in Dortmund-Scharnhorst


Neonaziaufmarsch in Dortmund und Lübeck

Artikel von Markus Bernhardt und Clemens Fobian in 'junge Welt' vom 27.01.2003

Rechtsextremisten mißbrauchen Sexualverbrechen und fordern Todesstrafe für Kinderschänder

Am Wochenende marschierten abermals Hunderte Neonazis mit dem Segen der Behörden und unter dem Schutz der Polizei in Dortmund und Lübeck auf. Unter dem Motto »Todesstrafe für Kinderschänder - Kinderschändung ist Seelenmord« haben zirka 200 Neofaschisten am Sonnabend im Dortmunder Ortsteil Scharnhorst demonstriert. Hintergrund des erneuten Aufmarsches war die Vergewaltigung eines achtjährigen Mädchens, die bundesweit für Empörung gesorgt hatte. Um dem Mißbrauch des Verbrechens zu Propagandazwecken entgegenzutreten, hatte das »Bündnis Dortmund gegen Rechts« zu einer Gegendemonstration aufgerufen, zu der über 200 Menschen kamen.

In Redebeiträgen kritisierten dessen Mitglieder das Vorgehen der Dortmunder Polizei, die erst gar nicht versucht hatte, den neuerlichen Aufmarsch zu verbieten. Dem schloß sich auch die Abgeordnete des im Stadtrat vertretenden »Linken Bündnisses«, Astrid Keller, an. Keller hatte bereits bei Bekanntwerden der erneuten Nazi-Provokation ein Verbot der Veranstaltung gefordert und den Oberbürgermeister der Stadt, Gerhard Langemeyer (SPD), in einem offenen Brief aufgefordert, »der Heuchelei der Neonazis entgegenzutreten«. Eine Reaktion Langemeyers blieb jedoch aus.

Während die Scharnhorster Schalom-Kirchengemeinde die antifaschistische Demonstration ausdrücklich begrüßte, riefen die Dortmunder SPD und andere kirchliche Gliederungen ihre Mitglieder auf, die Demonstration der sogenannten Freien Kameradschaften zu ignorieren. Demgegenüber forderte ein Sprecher des Linken Bündnisses die Bevölkerung zu »verstärkter Wachsamkeit« auf. Schließlich würden antifaschistische Gruppen schon seit geraumer Zeit eine Neuformierung der Dortmunder Naziszene beobachten. Dies hänge unter anderem mit der neu gegründeten »Völkisch orientierten Gemeinschaft« um den Neonazikader Siegfried Borchardt und einem auf der Rheinischen Straße in Dortmund-Dorstfeld neu eröffneten Geschäft zusammen, welches mit dem Zahlencode »88«, ein Synonym für »Heil Hitler«, an seiner Fassade wirbt.

In Lübeck mobilisierte die Wählergemeinschaft »Bündnis Nationaler Sozialisten für Lübeck« am Samstag rund 100 Anhänger zu einem Aufmarsch. im Stadtteil Kücknitz. Zeitgleich folgten etwa 300 Antifaschisten dem Aufruf der örtlichen SPD zu einer Gegendemonstration. Das Bemühen von zirka 100 Menschen eines »Antifaschistischen Aktionblocks«, sich den Neonazis direkt in den Weg zu stellen, wurde von Polizeikräften vereitelt - so daß der Aufmarsch ungestört vonstatten gehen konnte.