Geilenkirchen, 8.3.2003, Kundgebung, Demonstration und Aktion gegen den Krieg an der NATO-AWACS-AirbaseBilder

Wut zu Widerstand machen

Rede des AStA der Fachhochschule Köln anlässlich des zu befürchtenden Irakkrieges

Wir machen uns große Sorgen um die Menschen im Irak, die von einem offenen Krieg bedroht sind. Unter ihnen sind auch viele Schülerinnen und Schüler, Studentinnen, Studenten, Arbeiterinnen und Arbeiter und andere Menschen, die lieber ein Leben ohne Krieg führen möchten. Sie alle sind Menschen wie Du und ich und sind uns näher als abgehobene und korrupte Politikerinnen und Politiker, die für die Wahrung von Wirtschaftsinteressen über Leichen gehen.

Die Diktatur Saddam Husseins, die beiden Golfkriege und das Embargo haben mehrere Millionen Menschen das Leben gekostet. Durch einen weiteren Krieg würde noch mehr Tod und Elend in diesen Teil der Erde gebracht. Im Irak fehlt es an Lebensmitteln und Medikamenten. Die Analphabetenrate Irak hat sich in den letzten 10 Jahren vervierfacht. Damit fällt der Irak in die Kategorie der am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Nur eine kleine Minderheit, meist Kinder von Beamten oder wohlhabenden Eltern besucht eine höhere Schule. Dort wird Ihnen beigebracht, die Macht des irakischen Systems anzuerkennen und zu bewahren. Die seit über 30 Jahren herrschende Militärdiktatur hat Millionen von jungen Menschen in ein System von Befehl und Gehorsam gepresst. Nicht nur im Irak, sondern in jedem Staatsgebilde ist das Bildungs- und Erziehungssystem entscheidend für die Erhaltung seiner Machteliten und für die Entmündigung und Unterdrückung einer Bevölkerungsmehrheit im eigenen Land oder in abhängigen Staaten.

Auch in der westlichen Welt geraten Kinder und Jugendliche in ein System von Herrschen und beherrscht werden. Auch hier werden junge Menschen zu Vaterlandsliebe und Pflichterfüllung erzogen - werden sogenannte Eliten gebildet, um über andere Menschen zu bestimmen. In amerikanischen Schulen wird jeden morgen vor dem Unterricht die Nationalhymne gesungen. Die Erziehungsmethoden mögen andere sein, das Ergebnis ist das gleiche: Es gibt leider immer noch zu viele Menschen, die bereit sind für ihre Nation, für ihre Religion, oder ihren „Way of life“ andere Menschen zu unterdrücken oder sogar zu töten.

Um den Irrsinn zu stoppen, müssen die Interessen, die hinter diesen zerstörerischen Ideologien stehen, offengelegt und beseitigt werden. Kriege wurden seit jeher für den Einfluss und den Gewinn der Herrschenden in Politik und Wirtschaft geführt. Diese Tatsache wurde und wird von den kriegführenden Parteien verschleiert. Immer werden nationale oder religiöse Motive vorgeschoben, um die im Krieg kämpfenden Menschen an eine gerechte Sache glauben zu lassen. Dies ist auch heute so: Die US-Regierung und ihre Verbündeten wollen der Welt das Märchen vom gerechten Kreuzzug des Guten gegen das Böse verkaufen.

Die Mehrheit der Menschen hat nichts von einem Krieg, aber es gibt eine kleine Minderheit, die aus Imperialismus und Krieg ihren Vorteil zieht: mittelalterliche Diktatoren genauso wie moderne Öl- und Rüstungsmanager. Konzernagenten rund um den Globus sind auf der Suche nach neuen Ressourcen und Absatzmärkten und kalkulieren eiskalt die wirtschaftlichen Chancen eines Krieges. Solange die Minderheit der Imperialisten und Kapitalisten noch an der Macht ist und ihre Profite vor das Leben anderer Menschen stellt, wird es immer wieder Kriege geben. Kapitalismus bedeutet Krieg. Zum Glück durchschauen heute immer mehr Menschen den ideologischen Schwachsinn von einem heroischen Kampf der Zivilisationen. Es ist eine einfache Rechnung: Einen Krieg bezahlen immer die Armen, nie die Reichen. Die Grenze, die Menschen voneinander trennt, verläuft nicht zwischen Religionen oder Nationen - Die Grenze verläuft zwischen unten und oben - zwischen arm und reich.

Ein Krieg im Irak würde den gesamten Nahen Osten treffen. Eine Besetzung des Irak und die Installation einer Marionetten-Regierung im Irak können keine Befreiung bewirken. Auch in Saudi-Arabien und in Kuwait sind diktatorische Regime mit amerikanischer Unterstützung am Werk - das Volk ist verarmt und unterdrückt. Die Menschen im Irak, im gesamten Nahen Osten, wie auch auf der ganzen Welt müssen sich selbst von jeglicher Fremdbestimmung befreien.

Wir können ihnen dabei helfen. Die Kriegsvorbereitungen und das Embargo müssen sofort beendet werden. Die natürlichen Ressourcen eines Landes inklusive der Erdölvorkommen dürfen weder machthungrigen Diktatoren noch profithungrigen Konzernen gehören. Ein Land muss seiner Bevölkerung gehören. Wahrer Frieden bedeutet mehr als die Abwesenheit von Krieg.

Hier in Deutschland ist die deutsche Wirtschaft und die Politik der richtige Adressat für unseren Widerstand - schließlich sind sie in diesen Krieg verwickelt. Die deutsche Industrie hat Saddam Hussein noch bis vor einigen Jahren mit der Technik zur Produktion von chemischen und biologischen Waffen versorgt - aus Profitgründen. Die deutsche Regierung hat dies gestern geduldet und stärkt heute der Bush-Regierung den Rücken für einen möglichen Krieg im Irak: mit Militäreinsätzen in Afghanistan, in Kuwait, am Horn von Afrika und mit den Awacs - Aufklärungsflügen. Dies alles kommt einer direkten Beteiligung an einem Irak-Krieg gleich. Leider gilt immer noch: Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt.

Wir fordern alle Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten auf, sich aktiv an den vielfältigen Protesten zu beteiligen. Gründet an Eurer Schule oder Hochschule eine Gruppe und organisiert den Widerstand gegen den Krieg. Wir fordern alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf, sich gegen den Krieg zu positionieren und durch Streiks einen wirtschaftlichen Druck aufzubauen um die Kriegsvorbereitungen zu stoppen. Wir wünschen uns, dass alle demokratisch denkenden Menschen ihre Wut zu Widerstand machen und für eine „Demokratie von unten“ und gegen Kapitalismus, Imperialismus und Krieg auf die Straße gehen. Gemeinsam mit der erwachenden weltweiten Protestbewegung können wir Krieg und Elend besiegen.