Düsseldorf, 19.4.2003, Ostermarsch Rhein/Ruhr 'Völkerrecht statt Bomben'Bilder

Für eine friedliche Welt - Völkerrecht statt Bomben!
Kein Blut für Öl!

Aufruf zum Ostermarsch Rhein/Ruhr 2003

"Die politische Apathie der Völker in Friedenszeiten weist darauf hin, dass sie sich später bereitwillig zum Hinschlachten führen lassen werden; weil ihnen heutzutage sogar der Mut fehlt ihre Unterschrift zur Unterstützung der Abrüstung zu geben, werden wir morgen gezwungen sein, ihr Blut zu vergießen." (Albert Einstein vorausschauend im Jahr 1928)

Die Zeit der Apathie muss endlich vorbei sein. Wenige Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs sind Gewalt und Militäreinsätze allgegenwärtig. Ein "Kreuzzug" gegen politisch missliebige Staaten ist angekündigt. Nach Afghanistan ist Irak an der Reihe. Weitere Staaten, die von der US-Regierung der "Achse des Bösen" zugeordnet werden, sind im Visier. Dabei geht es weder um "Antiterror-Kampf", noch um Bekämpfung von Massenvernichtungswaffen, noch um die Herstellung von Demokratie und Menschenrechten. Im Gegenteil:

Es geht um die weltweite Durchsetzung geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen der mächtigen Industriestaaten. Wer sich widersetzt, dem drohen sie unter Missachtung des Völkerrechts mit Krieg.

Die USA rüsten auf wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Zugleich bedrängen sie ihre NATO-Verbündeten, mit einer Aufrüstung nie gekannten Ausmaßes nachzuziehen, mit der die soziale Sicherheit und Demokratie im jeweils eigenen Land zerrüttet werden.

Die neue Militärstrategie setzt auf einen Präventivangriff überall dort, wo Washington und NATO-Länder ihre Interessen berührt sehen. Der seit Hiroshima und Nagasaki geächtete Einsatz von Atomwaffen soll wieder möglich werden.

Dafür gibt es in einer Welt, die sich auf die Errungenschaften der Zivilisation beruft, keine Rechtfertigung. Wir verabscheuen Krieg, denn Krieg ist Terror: Er trifft die Bevölkerung und zerstört die zivile Infrastruktur. Krieg bringt noch mehr Not, Elend und Leid. Schon allein seine Ankündigung erschwert Bemühungen um zivile Konfliktlösungen oder macht sie unmöglich.

Friedenspolitik, das Bemühen um eine zivile Lösung von sozialen und wirtschaftlichen Konflikten, ist zugleich Entwicklungspolitik. Deshalb müssen die reichen Industriestaaten zur Entwicklung gerechter wirtschaftlicher Strukturen und zum Abbau von Armut in der Welt beitragen. Vermeidung von Konflikten bedeutet, die Ursachen der Gewalt wie unwürdige Lebensbedingungen, soziale Ungerechtigkeiten und Missachtung der Menschenrechte zu beseitigen sowie Waffenproduktion und Waffenexporte einzustellen.

Deshalb fordern wir:
  • Umgehende Beendigung des sogenannten Antiterror-Kriegs
  • Vernichtung aller atomaren, chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen in Nordamerika, Europa und anderswo
  • Ächtung der Entwicklung neuer Massenvernichtungswaffen, auch sogenannter Mininukes, und Schluss der Waffenexporte
  • Eine Politik der Bundesregierung zur friedlichen Konfliktlösung statt Hilfestellung für die Kriegspolitik der US-Regierung; weder direkte noch indirekte Unterstützung eines US-Kriegs gegen den Irak
  • Abzug der Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan, aus der Golfregion und anderen Teilen der Welt
  • Stopp der Aufrüstung der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Angriffsarmee und Verwendung der Gelder für soziale und kulturelle Zwecke
  • Rückkehr zum Prinzip, dass vom deutschen Boden nie wieder Krieg ausgehen darf; das grundgesetzliche Verbot der Vorbereitung eines Angriffskriegs endlich ernstnehmen!
Eine Politik der Abrüstung und der Konfliktvermeidung, der Gerechtigkeit und der internationalen Solidarität, eine Politik also, wie wir sie wollen, muss mit der militärischen Aufrüstung Schluss machen, ehe sie noch mehr Unheil anrichtet. Die internationalen Beziehungen müssen entmilitarisiert werden. Das Völkerrecht muss wieder Geltung erhalten.

Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Deshalb rufen wir auf:

Aufstehen für den Frieden!
Macht mit beim Ostermarsch 2003!

Kontakt: Ostermarsch Ruhr, c/o Felix Oekentorp, Tel.: 0234/6103785, Fax: 0234/6103786
E-Mail: felix@ostermarsch-ruhr.de
Internet: http://www.ostermarsch-ruhr.de


Eine andere Welt muss möglich sein!

Rede der Schülerin Nina Bartz in Düsseldorf am Ostersamstag, 19.04.03 auf dem Ostermarsch Rhein-Ruhr

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

wenn ich auf die letzten Wochen und Monate zurück blicke, so ist nicht nur uns Schülerinnen und Schülern ein unfreiwilliger aber sehr lehrreicher Anschauungsunterricht in Sachen Weltpolitik erteilt worden:

Wir mussten lernen, dass die von den USA geführte Koalition der Willigen - oder besser gesagt der finanziell Abhängigen - vor einem Angriffskrieg nicht zurück schreckt und dass sich die US-Regierung auf das Völkerrecht immer nur dann beruft, wenn es zu ihrem eigenen Nutzen ist. Ansonsten nimmt sie es jedoch leider weniger ernst - die Nicht-Unterzeichnung des Kyoto-Protokoll oder der UN-Kinderrechtskonvention sind nur zwei Beispiele aus jüngster Zeit. Wir mussten erkennen, dass der US-Präsident in seinem religiösen Sendungsbewusstsein nicht davor zurück schreckt, sich bei diesem Angriffskrieg auf Gott zu berufen und dass Massenvernichtungswaffen erst dann problematisch werden, wenn der Verbündete zum Feind wird - wie sonst konnte Saddam Husseins Giftgaseinsatz gegen die Kurden ohne Konsequenzen bleiben? Aus den offiziellen Quellen haben wir zwar erfahren, wie viele Soldaten auf amerikanischer oder britischer Seite umgekommen sind, die zivilen Opfer des Krieges wurden jedoch herunter gespielt oder auch der gegnerischen Seite angelastet.

Es war interessant zu beobachten, dass noch bevor die letzten Bomben gefallen waren, der Wiederaufbau schon fest in Händen von US-amerikanische Firmen lag - die Kosten für die Beseitigung der Schäden dürfen dann andere tragen. Wenn wir nun hören, dass auch Syrien im Verdacht steht, Massenvernichtungswaffen zu besitzen, so scheinen sich vorgeschobene Argumente zu wiederholen. Noch verdächtiger ist es allerdings, dass nun die US-Regierung eigene Waffeninspekteure in den Irak schicken will - wie dann die "Beweise" aussehen werden, können wir uns lebhaft vorstellen.

Erkennen mussten wir leider auch, dass trotz der politischen Ablehnung dieses Krieges Deutschland nicht unbeteiligt war - sei es durch die Gewährung der Überflugsrechte oder durch den Einsatz deutscher Waffensysteme z.B. auf Seiten der USA.

Auf der anderen Seite konnten wir jedoch auch lernen, dass nicht nur der Papst, sondern auch andere hochrangige Kirchenvertreter diesen Krieg ablehnten und dass die Mitgliedsländer des Sicherheitsrates wie z.B. Mexiko, Chile, Angola und Kamerun nicht haben erpressen lassen - trotz des starken politischen und wirtschaftlichen Drucks der USA.

Das wirklich ermutigende ist jedoch, dass in einer bisher nie erreichten Einigkeit weltweit Menschen gegen diesen Krieg auf die Straßen gegangen sind, darunter auch viele Demonstrationen von Schülerinnen und Schülern.

Die letzten Wochen und Monaten haben uns in unserer Haltung bestärkt, dass Krieg kein Mittel sein kann, um Frieden zu schaffen: Ein Krieg wird nicht dadurch rechtmäßig, dass er gewonnen wurde und relativ kurz war. Ghandis Worte gelten unverändert: Es gibt keinen Weg zum Frieden. Frieden ist der Weg. Daran müssen wir in der Friedensbewegung immer wieder erinnern!

Deutlich machen müssen wir aber auch: Der Krieg im Irak ist nur einer unter vielen, die in Afrika, Asien und Lateinamerika immer noch wüten. Der Zugang zu Rohstoffen wie Erdöl spielt dabei eine wichtige Rolle. Friedenspolitik bedeutet deshalb auch, den Energieverbrauch senken und die Abhängigkeit von Erdöl zu reduzieren. Dies gilt besonders für die einzige noch verbliebene Supermacht, die USA. Friedenspolitik bedeutet jedoch vor allem: Die Ursachen von Armut zu beseitigen: Eine andere Welt muss möglich sein!


Die Waffen nieder - eine friedliche Welt ist möglich!

Rede von Bernhard Nolz in Düsseldorf am Ostersamstag, 19.04.03 auf dem Ostermarsch Rhein-Ruhr

Wieder einmal bin ich mit der Überschrift für meine Rede bei Bertha von Suttner gelandet, die vor 160 Jahren geboren wurde. "Die Waffen nieder!" rief sie den Politikern unaufhörlich zu und starb wenige Tage vor Beginn des 1. Weltkrieges.

Lebte sie heute, würde sie vielleicht eine Mail an George W. Bush schicken:

"Dear Mr. President, eine gute Freundin von mir lebt seit über dreißig Jahren in Den Haag. Sie lädt Sie ganz herzlich ein zu einem Besuch in die Hauptstadt der Niederlande. Um Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, hat Sie Ihnen bereits ein komfortables Zimmer im Gevangenis-Hotel International reservieren lassen. Bitte kommen Sie bald, denn auch Herr Milosevic möchte Sie gerne persönlich kennen lernen. Mit freundlichen Grüßen ..."

Die Washingtoner Kriegsverbrecher-Riege um George W. Bush schert sich um solche Briefe nicht. Der von ihnen propagierte "Kampf der Kulturen" wird als erbarmungsloser Krieg mit Massenvernichtungswaffen gegen das irakische Volk geführt. Der US-amerikanische Kulturkampf findet seinen sichtbaren Ausdruck in der aktiven Zerstörung bzw. in der offenen Duldung der Plünderung des Weltkulturerbes im Irak. 5000 Jahre alte Kulturschätze werden der nationalen und internationalen Kunst- und Kulturmafia überantwortet. Ein solches Barbarentum ist eine Schande für die US-amerikanische Nation.

Inzwischen wird der US-amerikanische Präventionskrieg als wirtschaftlicher Ausbeutungsfeldzug "Naher Osten" fortgesetzt. Die gewaltsame Unterwerfung der Staaten- und Wirtschaftswelt unter das US-amerikanische Dollar-Imperium entspricht der Ideologie vom Kampf der Kulturen. Ihre imperiale Kraft entfaltet die Ideologie durch Vernichtung und Zerstörung.

Gefragt sind jetzt politische Fantasie und Kreativität für die Frage, wie der Bush-Regierung Einhalt geboten werden kann, ohne dass man selbst dran ist. Es sei denn, Bush nimmt die Einladung nach Den Haag an! Die Waffen nieder!

Auch für Tony Blair wird es Veränderungen geben. Er muss sich ein neues Volk suchen. Seins will den Krieg gegen den Irak nicht!

Der Abschied aus der Downing Street No. 10 wird Tony Blair leicht gemacht. Ihm soll ein Beratervertrag auf den Falkland Inseln angeboten worden sein. Auf Spanisch heißen die Falklands Islas Malvinas, wir sagen Malvinen. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Malvinen halten den Zeitpunkt für gekommen, eine alte Rechnung mit den Briten zu begleichen. Dabei kann ihnen Tony Blair helfen. Von seinem treulosen Volk ins Exil getrieben, könnte Tony Blair den Malvinen seine Erfahrungen aus den britischen Kriegs- und Propaganda-Feldzügen zur Verfügung stellen. Die Waffen nieder! wäre dann sein 1. Malvinischer Appell an das Volk der Briten.

Von der Weltöffentlichkeit unbemerkt hat Jose Maria Aznar bereits am 1. April 2003 seinen neuen Posten als spanischer Tourismus-Minister angetreten. Tatkräftig hat er das Spezialreiseprogramm "Dabei sein ist alles" aus der Taufe gehoben. Die Reiseteilnehmer werden in einem 14-tägigen Schnellkurs zu "Kolonialismus-Inspekteuren" ausgebildet. Sie sollen Land und Leute und Kultur kennen lernen und auf ihre Tauglichkeit für die Realisierung neo-kolonialistischer Projekte prüfen können. Bundesverteidigungsminister Peter Struck hatte sofort Interesse angekündigt, dann aber schnell wieder abgewinkt, als er erfuhr, dass die Reise in die früheren spanischen Kolonialgebiete und nicht an den Hindukusch führen soll.

Wohin auch immer Aznar und Struck reisen, "Die Waffen nieder!" wird man ihnen entgegen halten.

Wir aber, die wir hier versammelt sind, haben uns der Friedenskultur verschrieben. Uns geht es um die Förderung von Gewaltfreiheit, Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Eine europäische Friedensinitiative starten die "International Educators for Peace" im Sommer dieses Jahres in Hamburg. Das Motto des 4. Europäischen Kongresses zur Friedenserziehung lautet "Die Waffen nieder - eine friedliche Welt ist möglich!"

Am Kampf der Kulturen beteiligen wir uns nicht, sondern halten an der Vision einer friedlichen Welt fest. Die Waffen nieder!

Vita Kurzfassung:
Bernhard Nolz, geb. 1944, Gesamtschullehrer, Sprecher der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF), Vorsitzender des Bundes für Soziale Verteidigung, Träger des Aachener Friedenspreises 2002 und des Preises für Zivilcourage 2002 der Solbach-Freise-Stiftung.

Kontakt:Kölner Str. 11, 57072 Siegen, Tel.: 0271/20596, mobil: 0171/8993637

E-Mail: nolzpopp@t-online.de
Internet: http://www.friedenskultur.de


Zur Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises

Rede von Hanna Jaskolski in Düsseldorf am Ostersamstag, 19.04.03 auf dem Ostermarsch Rhein-Ruhr

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Ich habe in meinem Leben noch nie einen Preis bekommen. Ich bin sehr bewegt. An erster Stelle möchte ich mich herzlich bei den Düsseldorfer Friedensgruppen bedanken, die mir den Preis verliehen haben. Ich empfinde diese Preisverleihung als Bestätigung dafür, dass meine Friedensaktivitäten richtig waren und sind. Mein Dank geht auch an Menschen, die mir nahe stehen, an meine Familie, meinen Mann, meine Kinder. Sogar meine Enkel haben mich unbewusst inspiriert, da es mein größtes Anliegen ist, den Kindern auf dieser Erde das Leben in Frieden zu ermöglichen. Mein Dank geht an Freundinnen und Freunde, an so viele, die mich unterstützt und mir auf vielfältige Weise auf meinem speziellen Friedensweg geholfen haben. Keiner ist das, was er ist, ganz aus sich selber. Darum nehme ich den Preis auch stellvertretend für alle an, die für Frieden kämpfen - damit meine ich auch den Frieden mit unseren Mitgeschöpfen und unserer Umwelt, unserer Mutter Erde. Ich habe Zivilcourage von großen Vorbildern gelernt. Die großen Männer unserer Zeit und vergangener Zeiten brauche ich nicht zu nennen. Statt dessen möchte ich zwei große Frauengestalten nennen: Rosa Luxemburg und Sophie Scholl. Von ihnen habe ich Mut und Unbeirrbarkeit gelernt. Übrigens kommt mir wohl auch meine Veranlagung zugute. Ich soll bei aller Empfindsamkeit ein eigensinniges Kind gewesen sein. Man sieht, es kann daraus durchaus etwas Brauchbares werden. Der Antrieb für meine Friedensaktivitäten war nie das Schielen nach Belohnung, auch nicht nach sichtbaren Erfolgen. Obwohl die Aktionen oft anstrengend waren, habe ich sie immer als selbstverständlich empfunden, als etwas, was ganz einfach getan werden muss. Und ich hoffe für mich, dass es so bleibt, dieses immer wieder Heraustreten aus dem Privaten und Normalen. Das genau ist es, was jedem schwer fällt, was eben nicht selbstverständlich ist. Wir müssen uns dazu gegenseitig ermutigen. Was die Zukunft betrifft: Ich verspreche gern, mich nicht auf irgendwelchen Lorbeeren auszuruhen.

Es gibt weiterhin viel zu tun. Wir sollten die Bewegung nutzen, die durch den Protest gegen den Irakkrieg in die Welt gekommen ist; eng verknüpft ist sie mit dem Protest gegen die neoliberale Globalisierung. Ich bin empört über die auch in Deutschland angestimmten Lobgesänge auf den erfolgreichen Krieg. Wir sollten uns von diesen nicht irritieren lassen. Sollen doch die Enzensberger aller Länder den Krieg als probates Mittel der Politik schönreden! Das gab es auch vor dem ersten und zweiten Weltkrieg, und wir wissen ja zu gut, wie schlecht diese Weltkriege der Menschheit bekommen sind, ausgenommen die Minderheit der Kriegsgewinnler, und die sitzen merkwürdigerweise vor allem in den USA. Mit dem Irakkrieg haben wir den Auftakt zum vierten Weltkrieg erlebt. Nach Washingtoner Zählung ist der Kalte Krieg der dritte Weltkrieg gewesen und das Jahrzehnt nach seinem Ende die Inkubationszeit des vierten. Ich glaube, dass die vielen Millionen, die in der ganzen Welt gegen den Irakkrieg protestiert haben, ein Gespür dafür hatten, dass es um mehr geht als nur den Feldzug gegen den Irak. Und wenn diese Millionen wach bleiben und sich nicht von den Meinungsmachern einlullen lassen, werden sie auch weiter auf die Straße gehen, wieder und wieder, und sie werden den willigen Regierenden die Parole unserer amerikanischen Friedensfreunde entgegenschleudern: "War without End? Not in our Name!” - "Krieg ohne Ende? Nicht in unserem Namen!"

Hören wir genau hin: "Nicht in unserem Namen!" Das heißt doch: Nicht im Namen des Volkes! Millionen von Menschen haben den vermeintlichen Herren der Welt die Gefolgschaft aufgekündigt, haben ihnen das Recht verweigert, für sie zu sprechen und zu handeln. Wir erleben weltweit einen demokratischen Aufstand, der vor allem von jungen Leuten getragen wird, von der Bewegung der Globalisierungskritiker, von Attac und anderen Gruppierungen zusammen mit der Friedensbewegung. Naomi Klein nimmt für diese Bewegung die Globalisierung demokratischer Selbstbestimmung in Anspruch - gegen Konzerne, Regierungen und die Institutionen der kapitalistischen Globalisierung, deren Vertreter ständig die Begriffe Freiheit und Demokratie im Munde führen. Der Kampf für eine bessere Welt benötigt Menschen mit politischem Bewusstsein, Widerstandsgeist, Zivilcourage und Durchhaltevermögen gegen alle Widerstände und Diffamierungen.

Ich möchte noch kurz auf eines meiner friedenspolitischen Betätigungsfelder zu sprechen kommen, das in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielt, aber neuerdings fast unbemerkt eine fatale Bedeutung gewinnt: die Lagerung, Bereitstellung und Weiterentwicklung von Atomwaffen. Gegen amerikanische Atomwaffen auf deutschem Boden habe ich mehrmals in Büchel bei Cochem an der Mosel und vor der amerikanischen Kommandozentrale EUCOM in Stuttgart-Vaihingen protestiert. Ich habe auch an Aktionen zivilen Ungehorsams teilgenommen und bin dafür bestraft worden, zuletzt mit einem Monat Gefängnis ohne Bewährung. Bei der Osterblockade des EUCOM im Jahr 2001 habe ich zusammen mit meinem Mann ein Transparent mitgeführt, das Ihr heute wiederum sehen könnt: America for the Americans - Europe for the Europeans - ergo: US-Army go home! Amerika den Amerikanern - Europa den Europäern - Ergo: US-Armee geh nach Hause! War die Aussage vor zwei Jahren noch umstritten, ist sie heute voll ins Recht gesetzt. Wir erinnern die Amerikaner an ihre Monroe-Doktrin von 1823, die die europäischen Kolonialmächte aufforderte, sich nicht in die Angelegenheiten der Amerikaner zu mischen. Sie hatten damals vollkommen recht. Heute nehmen wir Europäer dasselbe für uns in Anspruch: Europa den Europäern! Die außen- und militärpolitische Konsequenz heißt: US-Army go home! Und wir bitten die US-Armee sehr dringlich darum, auch ihre Atomwaffen mitzunehmen. Ich schließe nicht davor die Augen, dass auch Briten und Franzosen Atomwaffen besitzen, und fordere sie auf, sie möglichst bald zu verschrotten. Europa - eine atomwaffenfreie Zone, das ist mein erster Wunsch, eine atomwaffenfreie Welt mein zweiter.

Die Aussage des Transparents hat aber noch eine weitere Dimension. Die USA haben sich über das Völkerrecht, über die UNO und selbst über die NATO hinweggesetzt und ihren - wie sie sagen - "Befreiungskrieg" fürs irakische Volk und Öl auf eigene Faust geführt, bedauerlicherweise assistiert von einem europäischen Staat, der es vorzieht, amerikanischer Vasall zu sein. Die USA haben es getan mit Hilfe ihrer zahlreichen Militäreinrichtungen in Deutschland und ganz Europa. Und unsere Regierung hat dem auch noch zugestimmt. Sie haben uns einfach was vorgemacht. Nun ist es endgültig Zeit, klare Konsequenzen zu fordern und dafür weiter auf die Straße zu gehen. Es ist Zeit für eine neue Bewegung europäischer Selbstbestimmung, für ein Europa von unten, das solidarisch ist mit dem Protest der Lateinamerikaner, der Afrikaner und der asiatischen Völker gegen die Bevormundung durch die US-Regierung und die US-dominierten Institutionen der neoliberalen Globalisierung. Das Nein zum Krieg und die Kritik des Neoliberalismus müssen ergänzt werden durch das Ja zur demokratischen Reform Europas und zu einer europäisch inspirierten Kultur des Friedens.

Noch einmal vielen Dank! Ich wünsche, dass wir uns heute bei diesem Ostermarsch alle glücklich und gestärkt fühlen.


Eine Ostermarschgeschichte

Helmut Jaskolski über den Slogan "America for the Americans - Europe for the Europeans - ergo: US-Army go home!"

Es war im Frühjahr 2001, als die Welt noch in Ordnung schien, es aber nicht war. Hanna, meine Frau, sagte mir, sie wolle zu Ostern nach Stuttgart fahren, um im Anschluss an den Ostermarsch an der geplanten Blockade der US-amerikanischen Kommandozentrale EUCOM teilzunehmen. Von dort aus führten USA und NATO Krieg, dort sei die Einsatzzentrale für die in Europa stationierten Atomwaffen der USA. Sie fragte mich, ob ich nicht mitkommen wolle, um für die Abschaffung der Atomwaffen zu demonstrieren. Mir war zu diesem Zeitpunkt der ausschließlich moralische Protest gegen die Lagerung und Bereithaltung von Atomwaffen fragwürdig geworden. Sollte ich mich nicht besser gegen den aktuellen Einsatz von Clusterbomben und anderen militärischen Scheußlichkeiten einsetzen? Aber das würde auf die Bitte hinauslaufen: Liebe amerikanische Freunde, bleibt beim Bombing human!

Ich sagte meine Teilnahme schließlich unter der Bedingung zu, dass Hanna und ihre Mitstreiter eine politische Argumentation akzeptieren würden, die auf die Aufforderung hinauslief: "Amerikaner, raus aus Deutschland, raus aus Europa!" Amerikanische Atomwaffen kriegt man nur weg, wenn ihre Eigentümer verschwinden, das war meine Überlegung. Erst recht gilt diese Forderung, wenn man die Maxime vertritt: "Kein Krieg von deutschem Boden aus!" Man stimmte trotz großem Wenn und Aber zu, und so entwarf ich mein Transparent zur Demo vor dem EUCOM, und Hanna malte die Buchstaben mit großer Sorgfalt.

Man muss an die Traditionen der US-Amerikaner anknüpfen, muss sie auf das festlegen, was sie für selbstverständlich halten. Jeder halbwegs gebildete US-Bürger kennt den Slogan "America for the Americans! Amerika den Amerikanern!" Meistens versteht er den zwar nationalistisch im Sinne von "Amerika den US-Amerikanern!", was den Lateinamerikanern im "Hinterhaus" der USA der verhasste Ausdruck des Yankee-Imperialismus ist. Die Gebildeten unter den US-Amerikanern aber wissen genau, dass dieser Slogan die popularisierte Form der Monroe-Doktrin aus dem Jahre 1823 ist, die für das Selbstverständnis ihrer politischen Klasse essentiell ist. An diese außenpolitische Grundsatzerklärung suchte ich anzuknüpfen. US-Präsident James Monroe gab damals in einer Rede vor dem Kongress den europäischen Mächten zu verstehen, dass die Kolonisierung auf dem amerikanischen Kontinent zu Ende sei: Keine europäische Einmischung mehr in amerikanische Angelegenheiten! Was den Amerikanern recht ist, ist uns Europäern billig. Was liegt nach dem Ende des Kalten Krieges näher, als das Kapitel der US-amerikanischen Militärpräsenz in Europa zu beschließen und Europa den Europäern als politische Aufgabe zu überantworten? Die außenpolitische Konsequenz ist klar: US-Army go home! Als ich das Transparent an Ostern 2001 am Stuttgarter EUCOM zeigte, fand ich bei den Bedenkenträgern der Friedensbewegung so gut wie keine Zustimmung. Ich stand nicht nur meteorologisch im Regen. Das ist ja viel zu missverständlich! Bedeutet das nicht, dass wir eine europäische Armee fordern? Nein, keineswegs!

Heute, zwei Jahre später, beim Ostermarsch 2003 in Düsseldorf, hat die Aussage des Transparents einen ganz anderen Stellenwert. Die USA haben sich über Völkerrecht, UNO und NATO hinweggesetzt und ihren "Befreiungskrieg" fürs irakische Volk und Öl geführt. Sie haben es getan mit Hilfe ihrer zahlreichen Militäreinrichtungen in Deutschland und ganz Europa, die noch immer von dem maroden Zwangsbündnis der NATO garantiert werden. Und unsere Regierungsopportunisten haben zugestimmt. Nun ist es endgültig Zeit, klare Konsequenzen zu fordern und dafür auf die Straße zu gehen. Wir Demokraten sollten europäische Politik nicht mehr den Winkelzügen der Regierungen und den Machenschaften der Brüsseler Bürokraten überlassen. Es ist Zeit für eine neue Bewegung europäischer Selbstbestimmung, für ein Europa von unten, das solidarisch ist mit dem Protest der Lateinamerikaner, der Afrikaner und der asiatischen Völker gegen die Bevormundung durch US-Administration und US-dominierte Institutionen der turbokapitalistischen Globalisierung. Das Nein zum Krieg und die Kritik des Neoliberalismus müssen ergänzt werden durch das Ja zur demokratischen Reform Europas und zu einer europäisch inspirierten Kultur des Friedens.

E-Mail: helmut.jaskolski@erftmail.de


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