Köln, 11.5.2003, 'Frauen, stoppt GATS!' - Kongress über die Privatisierung im Dienst-
leistungsbereich und die Folgen für Frauen
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Dienste ohne Grenzen?

Aufruf zum Internationalen Kongress "Dienste ohne Grenzen? GATS, Privatisierung und die Folgen für Frauen", 9. bis 11. Mai 2003, Fachhochschule Köln, Mainzer Straße 5

GATS und Frauen

Frauen sind weltweit die wichtigsten Dienstleisterinnen. Um Dienstleistungen geht es bei GATS (General Agreement on Trade in Services), dem Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. GATS ist eines der Freihandelsabkommen der WTO, der Welthandelsorganisation, und hat die Globalisierung, Liberalisierung und Privatisierung des gesamten Dienstleistungssektors zum Ziel. Zur Zeit sind die Regierungen dabei zu entscheiden, welche Dienstleistungsbereiche sie privatisieren und für den weltweiten Wettbewerb freigeben wollen. Dies wird einschneidende Auswirkungen auf uns alle haben. Trotzdem ist die Öffentlichkeit von Informationen über diesen Entscheidungsprozess weitgehend ausgeschlossen.

GATS schließt etwa 150 Dienstleistungsbranchen ein: Versicherungen und Banken, Verkehr und Telekommunikation, Energie- und Wasserversorgung, aber auch Krankenhäuser und Gesundheitsversorgung, Bildung, Kultur und Tourismus wie auch sämtliche soziale Dienste von der Altenpflege bis zur Jugendhilfe. Bisher liegen zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge in der öffentlichen Hand. Teilweise werden sie von gemeinnützigen Vereinen mitgetragen. Sie alle sollen im Rahmen des GATS-Abkommens für internationale Anbieter geöffnet werden.

In den Ländern des Südens erfolgten bereits seit zwanzig Jahren im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen Kürzungen sozialer Programme und die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Dadurch sollten die überschuldeten Staatshaushalte saniert werden. Dies gelang nicht. Stattdessen entstand ein Zwei-Klassensystem z.B. im Bildungswesen: gut ausgestattete Privatschulen für die Zahlungsfähigen, ein miserables Bildungsangebot im maroden öffentlichen Schulsystem für die Armen. Die soziale Kluft zwischen Reichen und Armen wurde dadurch vertieft.

Wegen leerer Kassen ist auch in deutschen Kommunen die Privatisierung öffentlicher Güter bereits voll im Gange. Städte und Gemeinden versuchen, ihre Finanzlöcher durch den „Verkauf des Tafelsilbers“, sprich: des öffentlichen Eigentums zu stopfen, teils durch dubiose grenzüberschreitende Leasing-Geschäfte, teils durch direkten Verkauf von Krankenhäusern, Schulen oder Sozialwohnungen.

Die Folgen der Privatisierung von elementaren Dienstleistungen sind schon jetzt zu beobachten:
  • bisher sind Staat und Kommunen nach dem Solidarprinzip für die Grundversorgung aller verantwortlich, gleich wie arm oder reich, ob jung oder alt, krank oder gesund. Öffentliche Güter sind unter öffentlicher Kontrolle. Für Konzerne ist dagegen das Gewinnprinzip handlungsleitend. Sie investieren dort, wo Profite zu erwarten sind. Den BürgerInnen sind sie keine Rechenschaft schuldig.
  • Deregulierung und Effizienzsteigerung bedeuten Abbau von Arbeitsplätzen, Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse, verschärften Konkurrenzdruck, weniger Solidarität.
  • Gemeinwohlorientierung und Daseinsvorsorge werden der Gewinnorientierung geopfert: Nach der Privatisierung der Wasserversorgung stiegen die Preise in Cochabamba, Bolivien, um 100 Prozent, in der philippinischen Hauptstadt Manila um 50 Prozent.
  • Wirtschaftlichkeit rangiert vor Qualität: In England funktionieren Wasser-, Energie- und Verkehrsbetriebe schlechter als vorher, die Qualität der Pflege in privaten Krankenhäusern in Kanada und den USA sinkt.
Was bedeuten diese Veränderungen für Frauen?

Überall auf der Welt sind es vor allem Frauen, die Dienstleistungen im Bereich der Grundversorgung erbringen, ob sie nun als Lehrerinnen oder Krankenschwestern im öffentlichen Sektor beschäftigt sind, ungeschützt und schlechtbezahlt als Altenpflegerin oder Hausangestellte arbeiten oder unbezahlt als Hausfrauen Sorgearbeit leisten. In vielen Ländern ist der öffentliche Sektor bisher ein wichtiger Arbeitgeber für Frauen, bei dem sie sozial abgesicherte Jobs finden.

Wo privatisiert wird, werden in der Regel zuerst gering qualifizierte Frauen entlassen. Arbeitsplätze werden informalisiert, in Teilzeit- und Billigjobs verwandelt und Frauen zur Gründung von „Ich-AGs“ gedrängt. Rationalisierung und Reduzierung staatlicher Leistungen haben zur Folge, dass soziale Dienstleistungen vom bezahlten in den unbezahlten Sektor verschoben werden. Dort übernehmen sie Frauen in den Haushalten oder als Ehrenamt in den Kommunen. Zudem sind Frauen - besonders alleinerziehende und arme Frauen - auf erschwingliche öffentliche Dienstleistungen angewiesen. GATS wird die unbezahlte Arbeit von Frauen erhöhen und die soziale Polarisierung vertiefen. Im Norden wie Süden, Osten und Westen.

Stand der GATS-Verhandlungen

GATS wurde 1994 in das Vertragswerk der WTO aufgenommen. Es wird im September 2003 bei der WTO-Ministerratskonferenz in Cancun zentraler Verhandlungsgegenstand sein. Die Verhandlungen finden nicht öffentlich statt und werden weitgehend geheim gehalten. Zwar behauptet die WTO, Regierungen könnten frei entscheiden, welche Dienstleistungsbranchen sie dem freien Markt öffnen wollen. Doch große Dienstleistungskonzerne üben Druck auf Regierungen im Süden und Norden aus, globale Konkurrenz zuzulassen. Ist ein Land einmal Liberalisierungsverpflichtungen eingegangen, dann ist eine Privatisierung kaum noch rückgängig zu machen.

Wie in anderen Ländern auch, ist die Bevölkerung in Deutschland über das GATS-Abkommen, den Stand der Verhandlungen und die zu erwartenden Auswirkungen uninformiert und wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Das gesamte Verfahren ist in hohem Maße undemokratisch.

Wir laden zu einem internationalen Kongress nach Köln ein, bei dem wir die Auswirkungen von GATS in vier Bereichen untersuchen wollen: Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung und soziale Dienste.

Hauptziel ist die Aufklärung über die sozialen, ökonomischen und politischen Folgen dieser Politik. Dabei wollen wir von den Erfahrungen von Frauen aus verschiedenen Ländern lernen.

  • Betroffene berichten aus ihren Arbeitsbereichen
  • der Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge wird unter die Lupe genommen
  • die Folgen von WTO/GATS auf der globalen und lokalen Ebene analysiert
  • Widerstandsmöglichkeiten und Alternativen aktiviert
Die Zusammenhänge zwischen der persönlichen, der lokalen und der globalen Ebene werden durchsichtig und verstehbar.

Mit: Maude Barlow (Kanada); Eva K. Hack (Deutschland); Maria Mies (Deutschland); Vera Morgenstern (Deutschland, ver.di); Helena Norberg-Hodge (England); Mohau Pheko (Südafrika); Mira Shiva (Indien), Vandana Shiva (Indien); Claudia von Werlhof (Österreich); Christa Wichterich (Deutschland); Teresa Wolfwood (Kanada); u.v.a.

Quelle: http://www.attac.de/frauennetz/inhalte.php


GATS gegen Frauen

Artikel von Dirk Eckert in 'junge Welt' vom 12.05.2003

Köln: 500 Kongreßteilnehmer diskutierten über Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge

Um das Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services) und seine Auswirkungen für Frauen ging es am Wochenende auf dem ATTAC-Kongreß »Das GATS und die Frauen« in Köln. Rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren in die Domstadt gekommen, um sich über den Stand der Privatisierungen wie der GATS-Verhandlungen auszutauschen. Mit Referentinnen unter anderem aus Bangladesch, Großbritannien, Kanada, Österreich, Rußland, der Ukraine und Indien - von dort kam Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises - war das Treffen hochkarätig besetzt.

Deutlich wurde in Köln, wie unterschiedlich die Proteste gegen das Dienstleistungsabkommen in verschiedenen Ländern ausgeprägt sind. Während sich in Kanada und Österreich bereits Gemeinden zu »GATS-freien Zonen« erklärt haben, ist das WTO-Abkommen in anderen Ländern wie etwa Serbien/Montenegro noch so gut wie kein Thema, wenngleich das Land gerade auf den Freihandel vorbereitet wird und staatliche Unternehmen in großem Stil privatisiert werden. Die Folgen sind heute schon spürbar, wie Mirjana Dokmanovic vom »Women’s Center for Democracy and Human Rights« aus Serbien/Montenegro berichtete. Viele der sozialen Sicherungen des ehemals sozialistischen Systems - etwa Mutterschaftsurlaub oder Kündigungsschutz - würden abgebaut oder eingeschränkt, was insbesondere Frauen treffe.

In Großbritannien wiederum wurden hinlängliche und vor allem schlechte Erfahrungen mit der Privatisierung des Gesundheitswesens gemacht. Referentinnen vom »Reading International Solidarity Centre« räumten anhand von Beispielen mit dem Mythos auf, daß per Privatisierung der Service besser werde. Die deutschen Kongreßteilnehmer beschäftigte auch die unter dem Namen Cross-Border-Leasing bekannte Praxis, bei der städtische Unternehmen an Investoren verkauft und anschließend zurückgemietet werden, um die klammen Kassen der Kommunen kurzfristig aufzubessern.

Die Soziologin Christa Wichterich attackierte die Grundidee des GATS, Dienstleistungen als Waren anzusehen, und traf damit die Stimmung der Zuhörerinnen. »Die Daseinsvorsorge läßt sich nicht in einen Supermarkt zerlegen«, kritisierte sie. Die Folgen - vor allem für die Frauen - seien sinkende Löhne, unsichere Teilzeitarbeit, Abbau von Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz, die gerade in den Kommunen noch am ehesten zu finden seien. Wenn die Daseinsvorsorge nicht mehr für alle erschwinglich sei, sind es nach ihrer Darstellung meistens Frauen, die in den Familien etwa die fehlende Pflege kostenlos übernehmen würden.

Abschließend diskutierten die Teilnehmerinnen mögliche Perspektiven. »GATS-freie Zonen« wie in Österreich wurden allgemein begrüßt, viele Teilnehmerinnen wollen solche Zonen jetzt auch in ihren Kommunen anregen. Eine Unterschriftenkampagne »Not in our name« soll folgen. Zu den weiteren Ideen gehörten die Ausrichtung regionaler Sozialforen nach dem Vorbild von Porto Alegre sowie die Planung von globalen Frauenstreiks. Der Vorschlag der kanadischen Aktivistin Teresa Wolfwood, US-Firmen zu boykottieren, stieß dagegen auf wenig Resonanz. Ohne großes Aufsehen wurde der Vorschlag weiterentwickelt, Konzerne generell zu boykottieren und »fair« gehandelte Produkte zu fördern.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2003/05-12/014.php


FNA: FrauenNetz attac

ilona johanna plattner zum Selbstverständnis

Grundlegendes

Eine wesentliche Voraussetzung für den vermeintlichen Siegeszug der neoliberalen Globalisierung sind die bestehenden Geschlechterverhältnisse. Um dies im globalisierungskritischen Kontext sichtbar zu machen und zu verändern hat sich 2001 das Frauennetz Attac gegründet. Ein wirksames Mittel zur Verschleierung der Geschlechterhierarchie ist, sie als Randproblematik zu definieren und die Folgen der Öffentlichkeit zu entziehen. Es gilt die Arbeits- und Lebensverhältnisse vieler Frauen weltweit als das zu benennen was sie sind: menschenverachtend.

Frauen werden nach wie vor als billige Arbeitskräfte missbraucht. Zum Anderen wird ihre Arbeit im Bereich der Reproduktion weder wertgeschätzt noch entlohnt. Von der Schwangerschaft als »Produktion« menschlicher Arbeitskraft, über die Versorgung bestehender Arbeitskraft bis zur Pflege der Kinder, Kranken und Gebrechlichen, obliegt den Frauen die gesamte Arbeit im Dienste der Lebenserhaltung; samt der Befriedigung emotionaler und sexueller Bedürfnisse. Ein Großteil der Frauen leistet beides: Reproduktionsarbeit und Lohnarbeit, nicht selten unter katastrophalen Bedingungen.

Da die reproduktive Arbeit, mehr als die Hälfte der weltweit geleisteten Tätigkeiten, nicht »gekauft« sondern angeeignet wird, bilden Frauen zusammen mit den ebenfalls »kostenlos« zur Verfügung stehenden, natürlichen Ressourcen die ökonomische Basis für das gesamte herrschende System. Längst wäre dieses zusammengebrochen wenn die Arbeit der Frauen angemessen entlohnt, wahrgenommen und für wertvoll erachtet würde.

Die neoliberale Globalisierung verschärft diese Zustände und dehnt sie auf große Teile auch der männlichen Weltbevölkerung aus. Die Feminisierung, Hausfrauisierung (Maria Mies 1983) der Arbeits- und Lebensumstände hat seit langem begonnen. Die Angst zu den Armen, zu den Frauen (?) zu gehören nimmt auch in unseren Breitengraden zu. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ist jede potentiell Arbeitswillige eine Konkurrentin. Doch ohnehin werden Frauen als Erste entlassen. In weitaus größerer Zahl sind sie in sogenannten flexibilisierten, wenig bis gar nicht geschützten Arbeitsverhältnissen tätig.

In den Freihandelszonen und Billiglohnländern sind junge Frauen bevorzugte Arbeitskräfte. Die »Reichen« im Westen und anderswo bezahlen viel Geld für die Waren, die ihre Hände für einen Hungerlohn herstellen. Die gewinnmaximierende Ausbeutung erreicht ihren Höhepunkt im »Einsatz« der Frauen- und Kinderkörper in der globalisierten Prostitution. Schätzungen zufolge betragen die Gewinne vier Milliarden Dollar jährlich.

Ein Meilenstein in der Entwicklung der Menschheit war die Abschaffung der Sklaverei. Im globalisierten Zeitalter ist sie wieder auferstanden. Die neuen »Herren« der Welt sind die transnationalen Konzerne, in ihrem Schatten die organisierte Kriminalität. Ihre Instrumente sind: Kontrolle der Finanzmärkte, Zugang zu Technik und Wissenschaft, vorantreibende Privatisierung auch öffentlichen Eigentums, Deutungshoheit über die Medien und an zentraler Stelle Aufrechterhaltung der Geschlechterhierarchie.

Weiterreichendes

Was tun angesichts dieser Realitäten? Beinahe mag es zynisch klingen hier Geschlechtergleichheit zu fordern. Muss die Kritik nicht viel tiefer gehen, das gesamte System in Frage gestellt werden? Wie können die Krisen der Gegenwart, gerade für Frauen als Chance genutzt werden Veränderungsprozesse anzustoßen und alternative Wege zu entwickeln?

Das Frauennetz Attac analysiert, kritisiert und veröffentlicht die Folgen der neoliberalen Globalisierung aus geschlechtersensibilisierter Sicht. Die Ausbeutung der Frauen als Basis des herrschenden Systems kann nicht weiter geleugnet werden. Ihre zerstörerische Auswirkung auf die gesamte Menschheit und unseren Planeten ist nicht mehr zu verheimlichen. Der globalisierungskritische Kontext wird genutzt um diese Erkenntnis in den Mittelpunkt zu setzen.

Überall auf der Welt haben Frauen Alternativen entwickelt und Strukturen erfunden, die Leben erhalten, Bedürfnisse anerkennen und befriedigen ohne »Mehrwert« schaffen zu müssen und ohne »Kriege« um Ressourcen zu führen. Strukturen, die Menschen zur Einsicht bringen, sorgsam miteinander und den Gütern, die uns allen gehören, umzugehen.

Das Frauennetz sorgt für Anerkennung, Verbreitung und Vernetzung von Alternativen, die die Ökonomie als zentrales Veränderungsinstrument erkannt haben. Das Wissen der Frauen hierüber ist ein unschätzbarer Reichtum.

Wir sind die Hälfte der Menschheit. Wir sind viele und wir haben angefangen, unsere Stimmen zu erheben - weltweit.

Kontakt Frauennetz attac:
Eva K. Hack
Frauenhaus Kassel,
Postfach 101103
34011 Kassel
email: FrauenNetzAttac@attac-netzwerk.de
Vertretung im Bundesweiten Koordinierungskreis:
Ilona J. Plattner
Telefon 0251-7130677

Quelle: http://www.attac.de/frauennetz/fna.php


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attac GATS-Kritik