Genf, 1.6.2003, 'G8 illegal! Unsere Welt ist keine Ware' - Protest gegen den G8-Gipfel in Evian am Genfer SeeBilder

Sturm gegen Gipfel

Artikel von Damiano Valgolio, Genf, in 'junge Welt' vom 02.06.2003

Über 200000 Demonstranten in Genf und Lausanne vor G-8-Treffen in Evian

Begleitet von massiven Protesten hat am Sonntag in der französischen Kleinstadt Evian das jährliche Treffen der Staatschefs der acht mächtigsten Industrienationen begonnen. Gegen den G-8-Gipfel protestierten im nahegelegenen Genf einige hunderttausend Globalisierungskritiker. Gleichzeitig versuchten Zehntausende Demonstranten mit Straßenblockaden den Beginn des Wirtschaftsgipfels zu verzögern.

Da ein Großteil der Teilnehmer des Gipfels mit Bussen nach Evian gebracht werden sollte, legten die G-8-Gegner schon bei Sonnenaufgang in Genf und an anderen Knotenpunkten den Verkehr lahm. In Annemasse unweit der Grenze zur Schweiz machten sich rund 6000 Aktivisten bereits um vier Uhr morgens auf, um die Zufahrtsstraßen zum Tagungsort zu besetzen. Obwohl die französische Polizei die G-8-Kritiker ununterbrochen mit Tränengas und Leuchtspurmunition beschoß, wurde die Straße bis in den frühen Nachmittag hinein blockiert. Ein Lastwagen der deutschen Gewerkschaft IG Metall versorgte die entschlossenen Aktivisten ständig mit frischem Wasser. In Lausanne gelang es der Polizei hingegen, die Blockaden am dortigen Hafen gewaltsam aufzulösen. Daraufhin kam es in der Stadt nach Augenzeugenberichten zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Die Polizei trieb schließlich rund tausend Menschen auf einem Campingplatz am Rande von Lausanne zusammen und nahm mehrere fest. Die Behörden verboten eine angemeldete und zunächst genehmigte Demonstration am Nachmittag. Die Autobahn zwischen Lausanne und Genf mußte wegen Blockadeaktionen zeitweise gesperrt werden.

In Genf waren die Brücken der Stadt das Ziel der Blockadeaktionen. Die meisten Teilnehmer des G-8-Gipfels sind in den Nobelhotels des Genfer Diplomatenviertels untergebracht, das nur über fünf Brücken erreichbar ist. Seit den frühen Morgenstunden wurden diese von jeweils rund 1000 Gipfelgegnern besetzt gehalten. Nach Angaben des Genfer Sozialforums gelang es durch die Aktionen tatsächlich, den Beginn des Wirtschaftsgipfels spürbar zu verzögern.

Außer den Blockaden fand in Genf am Sonntag nachmittag auch eine Massendemonstration gegen die Politik der G-8-Chefs statt. Der Protestmarsch wurde von der französischen Gewerkschaft CGT, verschiedenen linken Parteien sowie globalisierungskritischen Gruppen aus der ganzen Welt organisiert. Rund 200000 Menschen gingen auf die Straße. Die Veranstalter sehen in dem G-8-Treffen einen Ort, an dem die mächtigsten Industrienationen weitere Angriffe auf ärmere Staaten planen. »Ihr globalisiert die Armut und den Krieg« warf ein Transparent der Französischen KP den in Evian versammelten Staatschefs vor. Folgerichtig lautete der Schlachtruf der Demonstranten: »G 8 - illegal. Erlaßt die Schulden« oder »Gegen einen endlosen Krieg: endloser Widerstand« war auf anderen Transparenten zu lesen. Ein Teil der Gipfelgegner war schon am Vormittag im französischen Annemasse gestartet, um sich in der Schweiz mit dem Genfer Block zu vereinen. Entgegen anderslautender Gerüchte versuchte die Schweizer Polizei nicht, den Demonstrationszug aus Frankreich an der Grenze zu stoppen. Das wäre angesichts der Menschenmassen wohl auch kaum möglich gewesen. Mit dem Ruf »Grenzen auf für alle« zog die Demonstration schließlich unbehelligt an den Zöllnerhäuschen in einem Genfer Vorort vorbei. Als die beiden Blöcke wenig später in der Stadt aufeinandertrafen, brach auf beiden Seiten minutenlanger Jubel aus. Den Menschen wurde klar, wie unglaublich riesig ihre Demonstration war.

Die sechsspurige Umgehungsstraße Genfs war bis zum Horizont ein riesiges Meer von Fahnen und Transparenten. Von den Balkonen der Häuser am Rande der Route winkten unzählige Anwohner den Demonstranten. Die Sympathien gegenüber den Protesten war unter der Genfer Bevölkerung weiter verbreitet als es selbst die Veranstalter erhofft hatten.

Deutlich weniger begeistert zeigten sich die Besitzer von Nobelläden in der Genfer Innenstadt. Viele von ihnen hatten ihre Geschäfte mit Holz verkleiden lassen. Dennoch kam es nach Polizeiangaben in der Innenstadt zu Ausschreitungen und Sachbeschädigungen. Wer hinter der Randale stand, blieb unklar. In der vergangenen Woche hatte der italienische Faschistenführer Marco Carucci angekündigt, schweizerische und italienische Rechtsradikale aus dem Umfeld der Gruppe »Ordine Nuovo« würden »in Genf aktiv werden«.

Bei einer Protestaktion in der Schweiz wurde ein Mann schwer verletzt: Nach Polizeiangaben stürzte er beim Abseilen von einer Autobahnbrücke ab. Das unabhängige Mediennetzwerk indymedia teilte dagegen mit, die Polizei habe die Halteseile durchgeschnitten.

Quelle: http://www.jungewelt.de


"Ich wünschte den Polizisten einen guten Morgen"

Übersetzung der Aussagen von Martin Shaw vom 6.6.2003 über die Protest-Aktion an der Aubonne-Autobahn-Brücke, wo er 25m in die Tiefe stürzte

Es war schon drei Uhr am Morgen des 1. Juni 2003, als unsere 17-köpfige Gruppe sich von Lausanne auf den Weg zu einer strategisch günstig gelegenen Autobahnbrücke machten. Seit Tagen waren wir dabei, diese gewaltfreie Blockade der Autobahn zwischen Genf und Lausanne vorzubereiten. Wir wollten das G8-Treffen stören, welches wir als nicht legitim ansehen. Wir wollten die Delegierten auf ihrem Weg zur Konferenz in Evian stoppen. Unsere Nachforschungen hatten ergeben, dass sie diese Brücke überqueren müssen, um im Konvoi von ihren Hotels zum Konferenzzentrum zu reisen.

Unser Plan war, dass Christina und ich, zwei sehr erfahrene KletterInnen, sich an einem einzelnen, sehr starken Special-Kletterseil abseilen sollten, jedeR an einer Seite der Autobahn. Das Seil sollte dabei - quer zur Fahrbahn gespannt - alle Spuren in Fahrtrichtung Lausanne blockieren, denn wenn Autofahrer versuchen sollten, durch es durch zu fahren, würden sie das Seil zerschneiden und Christine und mich 20 Meter tief in unseren potentiellen Tod stürzen.

Nachdem wir im dunkeln durch das Tal unter der Autobahn geschlichen sind, durch dichten Wald und durch das Flüsschen, erreichten wir den Platz unter der Brücke, wo wir die letzten Vorbereitungen trafen und uns so lange versteckten, bis ein Anruf von unserem Späher uns sagen würde, dass der Konvoi auf dem Weg sei. Nach stundenlangem Warten - wir haben unsere Pläne wieder und wieder besprochen - kam der Anruf - die Delegierten seien unterwegs. Jetzt ging es los, und jeder folgte seinem Plan, füllte seine Rolle aus.

Ich ging zusammen mit meinem Kletterassistenten, lief in das Tal unter die Brücke. Dort wartete ich darauf, dass das Seil heruntergelassen wird, an dem ich dann hochklettern wollte. Währenddessen liefen die anderen auf die Brücke. 10 Leute hielten den Verkehr an, in dem sie sich mit Transparenten auf die Fahrbahn stellten - halten Sie an, oder sie töten 2 Menschen !!!! stand auf einem in Französisch.

Während der Verkehr gestoppt wurde, machten sich Christina und zwei HelferInnen daran, die Seilblockade zu installieren. Sie ergriffen jede mögliche Vorsichtsmassnahme, um die Aktion so sicher wie möglich zu machen. Das Seil wurde 2 Mal um die Seitenbegrenzung gewickelt, bevor es nach unten gelassen wurde, und zwischen Metall und dem Seil lag eine Schicht Isomatte, die die Reibung minimieren sollte. Dies gehört ebenso zu den tagelang diskutierten Sicherheitsmassnahmen wie unsere Banner Sobald der Verkehr stoppte, gaben uns die KletterhelferInnen das Signal. Ich kletterte an meinem Seil hoch, Christine seilte sich an ihrem Ende ab. So gaben wir das Gegengewicht für den anderen ab.

Während die Polizei auf der Brücke aus einer kontrollierten, ruhigen Situation heraus ein Chaos schaffte, versuchten Christine und ich unsere endgültigen Positionen einzunehmen. Ich war darauf vorbereitet, so lange unter der Brücke zu hängen, bis ich mit Gewalt entfernt würde, weil die G8 für mich nicht das Recht hat, gemeinsam eine internationale Wirtschaftspolitik zu diktieren, die ihren Profit über die Bedürfnisse der Menschen und der Umwelt stellt. Als ein Beispiel nimm den letzten illegalen Krieg gegen den Irak oder das gesammte Thema der Schuderlassung für die ärmsten Länder der Welt.

Als drei Beamten über die Lücke zwischen den Fahrspuren kletterten, durch das mein Seil hing, folgten ihre Augen dem Seil und sie sahen mich, ich wünschte ihnen einen guten Morgen, indem ich winkte und "Bonjour !!" schrie. Ich wollte eine freundliche Verbindung zur Polizei aufbauen, weil ich erwartete, dass ein erfahrenes Kletterteam der Polizei das ganze in die Hand nehmen würde, das sich die Situation ansieht, bevor es handelt und uns schliesslich sicher herunter holt. In all den Jahren, in denen ich jetzt klettere, hab ich mir nie träumen lassen, dass wer das Seil anrühren könnte. Aber dann hab ich gefühlt, dass das Seil durchgeschnitten wurde. " Mein Gott, sie schneiden das Scheissseil durch!", hab ich gedacht, während der 25 Meter, die ich gefallen bin.

Ich war die ganze Zeit bei Bewustsein. Ich erinnere mich daran, wie ich auf dem Boden aufkam, ich landete in dem kleinen, steinigen Flüsschen im Grund des Tals. Ich landete mehr oder weniger mit meinem linken Fuss zuerst, mein Kopf traf auf die tiefste Pfütze in diesem sehr flachen Bach, was mir wohl das Leben gerettet hat. Von der Brust abwärts lag ich in eiskaltem Wasser, und ich versuchte, Kopf und Oberkörper mit meinen Händen aus dem Wasser zu halten. Ich war total in das Seil verstrickt, das mit mir gefallen war. Ich wusste, das Christina noch an ihrem Seil hing, aber ich hatte keine Ahnung, das unsere Freunde auf der Brücke ihr Seil gefasst hatten und mit dem Bewusstsein hielten, das es um ihr Leben geht. Ich war verwundert, noch zu leben, das ich noch nicht mal das Bewustsein verloren hatte. Trotzdem hatte ich schreckliche Schmerzen, besonders im Fuss, im unteren Rückenbereich und im Becken.

Ich lag lange im Bach, mir wurde kälter und kälter. Ich befürchtete, ich hätte eine Wirbelsäulenverletzung und wusste nicht damit umzugehen. Sollte ich mich bewegen, oder lieber nicht? Ich versuchte, mich auf einen Stein zu ziehen, mit wenig Erfolg. Die erste Person, die mir half, war mein Kletterassistent aus dem Tal, und dann kam unser Doktor von der Brücke heruntergerannt, sie und zwei weitere Leute aus der Gruppe halfen mir. Ausserdem waren dort Beamten der Militärpolizei, die erst lange auf Französisch überzeugt werden mussten, bis sie mir halfen und mich aus dem Bach trugen. Ich hatte schlimme Schmerzen, in Fuss und Rücken. Sie trugen mich zu einem Stück Rasen am Ufer des Bachs, und ich wurde von unserem Doktor medizinisch betreut, nach langer Zeit auch von Schweizer Sanitätern. Ich wurde per Hubschauber in das CHUV-Krankenhaus in Lausanne geflogen.

Die Authoritäten legen meinen Feunden, die mir hier in dew Schweiz helfen, eine menge Steine in den Weg. Ich habe einen Sicherheitmann vor meiner Tür, der alle aufhält, bis auf die wenigen, die die Erlaubnis haben, mich zu besuchen.. Alle Papiere, die sie mir bringen, werden erst gecheckt, bevor ich sie sehen darf, und es herrscht eine totale Mediasperre. Aus rein medizinischer Sicht empfange ich eine wunderbare Behandlung von den Schweizer Doktoren, und ich wünschte, dass die Millionen Menschen auf der Welt, die wegen der Politik der G8, wie die Förderung privater Krankenkassen, keine angemessene Gesundheitsversorgung haben, ich wünschte, dass auch sie Zugang zu der selben Pflege hätten, wie ich sie geniesse.

Anmerkung des Übersetzers: Inzwischen wurde Martin aus der Intensivstation entlasssen und geniesst mehr Freiheiten und einen unglaublichen Blick über Lausanne und den See. Er kann jetzt jeden, den er will, empfangen, hat sogar ein Telephon.

Womit ich nicht einverstanden bin, ist dass ich so schnell als möglich nach Hause geflogen werden soll. Ich fühle mich noch nicht bereit dafür, wo ich doch noch eine Operation brauchen werde. Es würde den Schweizer Staat gut in den Kram passen, wenn ich nicht mehr in ihrem Land wäre, und sie könnten versuchen, die rechtliche Verantwortung für mein medizinisches Befinden zu verschleiern, wenn ich in einem anderen Land behandelt werde. Es scheint, dass die Schweizer Regierung das ganze als einen Unfall abtun möchte. Ich bin mir absolut sicher, dass die Polizei wusste, das ich an dem Seil hänge. Für mich kann dieser Vorfall nicht als Unfall abgetan werden.

Bis jetzt haben weder Polizei noch die Regierung mir angeboten, meine medizinischen oder juristischen Rechnung zu bezahlen, die ich zu erwarten habe. Meine Freunde haben grade enorme Schwierigkeiten, sich genau über meine Rechte von wegen internationalen Krankenkassenvertägen zwischen der Schweiz und der EU zu informieren - wobei verschiedene Schweizer Stellen verschiedene Auskünfte geben.

Im Moment arbeiten wir an einem politischen Gerichtsverfahren gegen die Polizei und den Schweizer Staat, sowohl um Kompensation zu bekommen als auch um gegen die zunehmende Straffreiheit des Staats und seiner Executive anzugehen.

Der Plan war gewesen, im Geiste der Gewaltfeien Aktion, eine Straassenblockade mit enem Seil zu errichten. Aber das hat vorausgesetzt, dass die Polizei und ihre Herren ein Menschenleben höher einschätzen als den Strassenverkehr. Am 1. Juni war das für uns nicht der Fall, und der einzige Grund, warum ich immer noch da bin, um diese Geschichte zu erzählen, war pures Glück, die erstaulich schnelle Reaktion meiner Freunde auf der Brücke und die Doktoren und Sanitäter, die sich seit dem Vorfall um mich gekümmert haben.

Martin Shaw, CHUV, Lausanne, Schweiz

M.S. über die Pressefreiheit:
"Der freie Zugang zur Presse ist grundlegend in jedem demokratischen Staat. Doch gestern wurde gegen meinen Protest eine junge Journalistin, die mich interviewte, mit Gewalt aus meinem Raum gezerrt, obwohl sie sich an die Besuchszeiten gehalten hat. Es erscheint mir eine politische - im Gegensatz zu einer medizinischen - Entscheidung, mich von der Presse fernzuhalten. Ich finde diese Behandlung unakzeptabel. ... versucht der Schweizer Staat, die Geschichte zu begraben ?"

M.S über sein Glück, im Westen zu Leben:
"Es frustriert mich enorm, dass ich die nächsten 6 Wochen im Bett verbringen werde, und danach noch drei weitere Monate im Krankenhaus. All dies wegen der lebenbedrohlichen Aktonen der Polizei und ihrer Fädenzieher. Diese Geschichte ist nur eine der Tausenden repressiven Vorfälle, die es weltweit täglich gibt. Wenigstens hab ich das Glück, in einem westlichen Krankenhaus zu liegen, anders als die Mehrheit der Leute, die arm gehalten wird und denen die grundlegensten Menschenrechte vorenthalten werden, sei es von Diktatoren oder von der neoliberalen Politik der G8 - Regierungen und ihren Partnern bei den Konzernen."

M.S über weltweite Repression:
"Sie führen illegale Kriege im Namen von Freiheit und Demokratie, und gleichzeitig unterdrücken sie diejenigen, die sich trauen, für wirkliche Freiheit einzustehen."

Quelle: http://www.nadir.org


Neue Videobeweise zeigen Fahrlässigkeit der Polizei

Pressemitteilung von gipfelsoli vom 03.07.03 zu den Ereignissen von Aubonne und Repression beim G8-Gipfel

Verletzter Anti-G-8-Aktivist nach einem Monat aus dem Krankenhaus entlassen - Neue Videobeweise zeigen deutlich die Fahrlässigkeit der Polizei - Lausanne, Schweiz, am 3. Juli 2003

Heute morgen wurde der Anti-G-8-Aktivist Martin Shaw aus dem Krankenhaus in Lausanne entlassen. Dort erholte er sich einen Monat lang von den beinahe tödlichen Verletzungen, die er sich am 1. Juni zuzog. Damals schnitt die Schweizer Polizei das Seil durch, an dem er und seine Partnerin im Rahmen einer Autobahnblockade hingen - sie wollten damit verhindern, dass die Delegierten am G-8-Gipfel in Evian teilnehmen.

In einer Pressekonferenz heute morgen wurde ein Video gezeigt, das die kriminelle Fahrlässigkeit des Einsatzleiters vor Ort beweist.

Es wird eine unabhängige internationale Untersuchung des Vorfalls an der Aubonne-Brücke eingeleitet, die auch weitere Vorwürfe von Polizeibrutalität gegen Protestierende während des G-8-Gipfels prüfen wird.

Trotz der Schwere seiner Verletzungen bereut Martin seinen Versuch, den Gipfel zu stören, nicht. " Die G-8 ist eine Institution, die behauptet, dass sie Probleme wie die Armut der Welt lösen will. In Wirklichkeit aber fördert sie die ungerecht Verteilung der globalen Reichtümer im Rahmen ihrer neoliberalen Politik.", sagt er. "Wenn Politiker die massive öffentliche Opposition gegen diese inhumane Wirtschaftspolitik ignorieren ist es an den ganz gewöhnlichen Mitgliedern der Gesellschaft, mit direkten Aktionen an den Wurzeln der globalen strukturellen Ungerechtigkeit - wie die G-8 sie repräsentiert - anzusetzen.

Jean-Pierre Garbade, der Rechtanwalt der Gruppe, die die Blockade über der Aubonne durchgeführt hat, führte heute ein Video vor, das die Verantwortung Einsatzleiters vor Ort für die Gefährdung des Lebens der beiden Protestierenden beweist. " In dem neuesten Video sehen wir, wie sich der Einsatzleiter mit Herrn Deiss unterhält, nur ein paar Sekunden bevor dieser das Seil durchschnitt - er machte sein Vorhaben schon dadurch klar, dass er das Messer aufgeklappte." erklärte Jean-Pierre. "Aus den Aufzeichnungen des Polizeifunks geht hervor, dass der Einsatzleiter wusste, das an dem Seil Leute hingen, trotzdem unternahm er keinen Versuch, Deiss davon abzuhalten, das Seil zu kappen."

Gesine Wenzel hing an dem selben Seil wie Martin, wurde aber durch die schnelle Reaktion ihres Unterstützungsteams gerettet, als der Beamte das Seil durchschnitt. Sie betonte, das es sich hierbei nur um einen Fall von Polizeibrutalität in einer ganzen Flut staatlich legitimierter Gewalt gegen Antikapitalistische Aktivisten handelte. "Dies war kein Einzelfall," sagte sie. "Von Göteburg über Genua bis nach Evian geben angeblich demokratische Regierungen ihren Polizeikräften grünes Licht, potentiell tödliche Gewalt gegen Menschen einzusetzen, die es wagen, ihr Demonstrationsrecht ausüben, und gegen die ökonomische Ungerechtigkeit von Institutionen wie der G-8 aufzustehen"

Martin Shaw oder Gesine Wenzel stehen unter 0041 (0) 78 68 36 405 für Interviews bereit.

Den Rechtsanwalt Jean-Pierre Garbade erreichen sie unter 0041 (0) 22 329 57 52.

Die E-mailadresse ist aubonne@no-log.org, die Website www.aubonne.ch.vu.

Für neues Photo- und Videomaterial von dem Vorfall sprechen sie - auf Englisch - mit Kim unter 0041 (0) 78 74 13 116.

[Soligruppe Aubonne]


Von Genf via Lausanne nach Evian

Ein Erfahrungsbericht vom 1.6.2003

Ein kleiner Bericht vom 31.5. in Annemasse (Protest gegen die Sozialdemokratische Partei), einer Bootsfahrt von Lausanne über den See nach Evian und ein Besuch in zwei Camps in Lausanne.

Genf

In der Stadt sind viele Geschäfte mit Holzbrettern verbarrikadiert. 1998, anlässlich der Proteste gegen die Tagung der WTO (Welthandelsorganisation), die fünfzig Jahre verschärfte Ausbeutung feierte, gab es schon einmal heftige riots, über die monatelang in der Stadt diskutiert wurde. So gelingt die Panikmache der Medien, und in der nacht auf den 1.6. gab es ja auch die ersten Brände, kaputten scheiben, umgekehrten Glascontainer, usw. in der Innenstadt.

Doch die Bevölkerung der "Stadt des Friedens", in der die kommunale Regierung die zentrale Brücke mit italienischen Regenbogenfriedensfahnen schmücken ließ, reagiert sehr kreativ. Kaum eine Bretterwand ist unbeschriftet geblieben, überall verzieren fantasievolle (und einfache) Botschaften, witzige Kommentare und Zeichnungen das Holz: "Der Kapitalismus hat Angst", "The only good system is a sound system", usw.

Genf- Annemasse

Zunächst fuhren wir als kleine Gruppe mit der Straßenbahn nach Annemasse. Von der Straßenbahnendstation direkt an der schweizerisch-französischen Grenze ist es ein ganzes Stück zu Laufen bis zum Camp. Gewöhnlich fährt ein Shuttle (Zubringerbus) vom Bahnhof zum Camp, aber heute war eben nichts normal. Wir sind gar nicht erst bis zum Camp gelangt. Im Chateau Rouge veranstaltete die Parti Socialiste (PS, Sozialdemokratische Partei) ein "Forum für eine andere globalisiserung" mit Podiumsgesprächen. Eingeladen war auch Susan George, Vizepräsidentin von Attac France.

Eine Gruppe von mehreren hundert Autonomen protestierte gegen die Sozialdemokratie. Es gebe keinen Kapitalismus mit einem menschlichen Antlitz. Sie stürmten auf das Gebäude zu und klebten Aufkleber auf die Scheiben. Der Wachschutz wurde sehr aggressiv gegenüber den Protestierenden und einige Scheiben gingen zu Bruch. Die CRS (Riot Cops) schritt ein und sprühte viel Tränengas um drängte die Protestierenden zurück. Es hieß, dass die Veranstaltung anschließend abgebrochen wurde.

Genf - Lausanne - Evian

Um mal das Delegiertenfeeling zu kosten, entschieden wir uns nach Evian zu fahren. Wann kommt mensch sonst während Gipfelprotesten in den Genuss einer Bootsfahrt? Ein Shuttlebus wartet in regelmäßigen Abständen am Genfer Flughafen. Bayerische Polizei beobachtet argwöhnisch alle ankommenden Menschen.

mit dem Shuttlebus geht es auf der Autobahn nach Lausanne. Auf der Autobahn verweisen Schilder auf das Village hin. "Camping Altermondialistes" steht auf offiziellen orangenen Hinweisschildern. Altermondialistes ist doch ein viel netteres Wort als GlobalisierungsgegnerInnen oder -kritikerInnen: diejenigen die für eine andere Welt sind.

Lausanne - Evian

Zum Lausanner Hafen hin stehen (wie seinerzeit in Göteborg und Genua) Container entlang der Straße. Unüberwindbar ist auf den Containern noch Stacheldraht gerollt. Den Hafen zu stürmen dürfte ziemlich aussichstlos sein. Ein Gitterzaun umzingelt die rote Zone, Polizisten steigen in den Shuttlebus ein und kontrollieren die Fahrgäste. Erst danach wird dem Bus die Zufahrt in die rote Zone erlaubt.

Lausanne (Schweiz) ist am nördlichen Ufer des Genfer Sees gelegen, Evian befindet sich am gegenüberliegenden Seeufer in Frankreich. Am Hafen wartet ein Schiff, schwer bewacht von der französischen Polizei. Ein bis zwei Schlauchboote fahren hinterher, auf der Schiffsbrücke suchen Polizisten mit Ferngläsern den See ab. Quer über den See besteht ebenfalls eine rote Zone, der ist Luftraum ausser für die Polizeihelikopter gesperrt, und mehrere Polizeiboote sichern den Ueberfahrtsweg ab.

Der G8 Gipfel soll heute im Seebadeort Evian beginnen, und direkt am Ufer prangt riesengroß das Casino - welch Sinnbild für den kriselnden Kasinokapitalismus!

Lausanne

In Lausanne befindet sich einerseits das Oulala c'village Camp und nicht weit davon entfernt direkt am Seeufer das Oulala Forum. Letzteres ist stärker selbstorganisiert. Es befindet sich gleich beim Unisportgelände und wurde besetzt, woraufhin die Stadt es geduldet haben. Die Behörden haben dem Village beinahe luxuriöse sanitäre Anlagen zur Verfügung gestellt, und es gibt einen Shuttle zwischen den beiden nahegelegenen Camps. Eine Bar "Temperature 40" gibt es auch. Die weitaus größere Zahl der AktivistInnen zieht es vor, im kleineren Camp direkt am Seeufer zu verweilen, die Stimmung ist hier viel ausgelassener.

Feu au Lac

Vom kleineren Camp in Lausanne aus sind die Feuer am See nicht so gut zu sehen, dafür ist die Blickentfernung zum anderen Ufer zu weit. Dennoch gibt es in der Nähe von Lausanne ein relativ großes Feuer zu sehen, und weitere kleinere Feuer. Die rund fünfzig Feuer rund um den See wurden von Festen begleitet, ein wichtiges Ereignis für die lokale Bevölkerung.

Quelle: http://www.nadir.org


Genfer Polizeidirektorin verantwortlich für Sachschäden & Gewalt

Einschätzung von PigBrother - veröffentlicht am 15.6.2003 unter http://at.indymedia.org

In einer Sitzung des Grossen Rates hat Micheline Spoerri offiziell zugegeben, dass es der Polizei untersagt war, gegen die Verursacher der Sachbeschädigungen während des G8 am frühen Sonntagmorgen in der Genfer Innenstadt vorzugehen. Der Grund: Hätte es keine Krawalle gegeben, hätte die Stadt Genf die auswärtigen PolizeibeamtInnen aus eigener Tasche bezahlen müssen. Die Polizei, aufgebracht durch Vorwürfe in den Medien, die Sachschäden zugelassen zu haben, hatte bekanntlich darauf u.a. mit Schockgranaten deutlich überreagiert.

EINSATZBEFEHL: "UNBEHELLIGT SCHAUFENSTER EINSCHLAGEN LASSEN"

Nun ists offiziell: Die zunächst laut Spoerri zunächst nur mit 16 Mann in der Innenstadt vertretene "überforderte" Polizei durfte gemäss Einsatzbefehl auch dann noch nicht gegen Sachbeschädiger vorgehen, nachdem längst eine Verstärkung mit weiteren 120 Mann engetroffen war. (Der Genfer Polizeikommandant hatte sich bekanntlich zuvor noch mit dem Märchen herauszureden versucht, seine Mannen seien durch die Kritik an den Polizeiübergiffen vom 29.3.03 im Bahnhof Genf-Cornavin "gehemmt gewesen", von ihren Einsatzmitteln gebrauch zu machen, siehe Kommentar "Traumatisierte" Genfer Polizei + mehr Lügen: http://de.indymedia.org/2003/06/54092.shtml .) In der Folge beklagten sich auch Genfer Richter, ihnen seien mit den (inzwischen wieder freigelassenen Verhafteten) vom G8 "nur kleine Fische" zugeführt worden.

FINANZIELLE HINTERGRÜNDE

Was zunächst unglaublich klingen mag, hat letztlich handfeste finanzielle Hintergründe: Genf hatte lange mit der Berner Bundesregierung um zusätzliche Polizeikräfte gestritten (und dabei dauernd Schreckensszenarien eines von 200'000 "ausländischen Chaoten" überranten "brennenden Genfs" heraufbeschworen). Auch als über 700 Beamte aus der übrigen Schweiz zugesprochen wurden, gab Spoerri noch nicht locker: 1000 zusätzliche deutsche BeamtInnen müssten her, damit Genf nicht im Chaos versinke. Schliesslich gab die Bundesregierung nach. Es wurde jedoch vereinbart, dass Genf die zusätzlichen BeamtInnen (alleine die deutsche Verstärkung kostet 4 Millionen Franken) aus eigener Tasche bezahlen müsse, falls sich ihre Anwesenheit nicht nachträglich rechtfertigen lasse.

Ein Fakt, der mittlerweile auch in den schweizer Medien aus naheliegenden Gründen schlicht nicht mehr erwähnt wird: Schliesslich könnte sich sonst jedeR, der/die 1+1 zusammenzählen kann, selber ausrechenen, weshalb es unter diesen Umständen wohl einfach zu Ausschreitungen mit Sachschäden "kommen musste". (Die Sachschäden, welche die Stadt allenfalls mitzutragen hat, sind immer noch weit kleiner als der Betrag, der ohne Sachschäden für die auswärtigen PolizistInnen hätte bezahlt werden müssen.)

So ist es auch höchst zweifelhaft, dass die nun einberufene "Ausserparlamentarische Untersuchungskommission" irgend etwas zu Tage fördern wird, was ihrer Auftraggeberin, der Stadt Genf, zu einem finanziellen Nachteil gereichen würde.

BEAMTINNENFRUST & POLIZEIGEWALT

Nebeneffekt dieses "Kuhhandels": Betroffene Geschäftsleute, die nicht verstehen konnten, wie die Polizei wortwörtlich tatenlos zuschaute, wie ihre Geschäfte zerstört wurden, hatten sich in den lokalen Medien lautstark über die Tatenlosigkeit der Polizei beschwert, was -- im Gegensatz zu den deutschschweizer Medien -- zu scharfen Leitartikeln und bissigen Kommentaren führte. (Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass der Einsatzbefehl den betroffenen BeamtInnen verhaften von SachbeschädigerInnen buchstäblich untersagte.) Bei manchen PolizeibeamtInnen scheint dies offensichtlich zu einem nicht unerheblichen Frustpotenzial geführt zu haben, dem einige darauf u.a. mit "Schockgranaten" Luft verschafften -- mit den bekannten Folgen. Dass Spoerri dazu ausführt, auch bei der Demo am Sonntag (an der u.a. der Medienschaffende Guy Smallman gezielt mit "Schockgranaten" gejagt und verletzt wurde) "sei wegen den zahlreichen Schaulustigen kein Einsatz gegen gewalttätige Demonstranten möglich gewesen", setzt dieser schier unglaublichen Arroganz der Macht nur noch die Krone auf. Hingegen erklären diese Hintergründe, weshalb auch noch an den darauffolgenden Tagen immer wieder Medienschaffende Opfer von gezielten Übergriffen wurden (vgl. z.B. http://de.indymedia.org/2003/06/53637.shtml , inbesondere die Bilder "Journalist wird verhaftet, verprügelt und sein Band beschlagnahmt" / "Wunde am Kopf des Journalisten").

PARALLELEN ZU GENUA

Auch in Genua stellte sich bekanntlich schon die Frage, weshalb eine kleine Gruppe stundenlang unbehelligt Sachbeschädigungen verüben konnte, die nachher seitens der Obrigkeit als Rechtfertigung für später erfolgte Polizeiübergriffe instrumentalisiert wurden. Auch in Genua wurde dies (nebst inzwischen geruichtlich bestätigter Vorspiegelung falscher Tatsachen) schon zum Anlass für die Stürmung des IMC mit noch viel massiveren Übergriffen genommen -- auch aus Genf gab es jedoch die bekannten Bilder von Verletzten und zerstörten IMC-Räumen mit Blutflecken am Boden.

Wetten, dass auch in Genf kein einziger Polizist verurteilt werden wird? Und alle Magistraten Spoerri für ihren gelungenen finanziellen Schachzug applaudieren werden?

13.6.03 22:10 - Agenturmeldung - Genfer Polizeidirektorin übernimmt Verantwortung für Verwüstungen - Quelle: http://tagi.ch/dyn/news/ newsticker/106172.html? art=newsticker

GENF - Die Genfer Polizeidirektorin Micheline Spoerri hat vor dem Genfer Grossen Rat die Verantwortung für die eingeschlagenen Schaufenster übernommen. Globalisierungsgegner hatten am Samstagabend vor der G-8-Demonstration von der Polizei unbehelligt gewütet.

Die für den G-8-Gipfel in Genf stationierten Polizeikräfte seien zum grossen Teil an den heiklen Punkten wie dem Flughafen stationierten gewesen, sagte Spoerri vor dem Genfer Kantonsparlament. Für die Sicherung des Stadtzentrums seien nur rund 16 Beamte zur Verfügung gestanden.

Diese wurden rund eine Viertelstunde nach dem ersten Alarm, gegen 23.15 Uhr, durch rund 120 Beamten verstärkt, die sich auf Pikett befanden. Deren Aufgabe bestand vor allem darin, Plünderungen von eingeschlagenen Schaufenstern zu verhindern.

Gemäss Micheline Spoerri sind die Globalisierungsgegner bei ihrer Aktion vom alternativen Kulturzentrum Usine aus gestartet. Dorthin seien sie wieder zurückgekehrt und in der Menge der Usine-Besucher untergetaucht. Eine Polizeiaktion in der Usine wäre wegen den vielen Besuchern zu gefährlich gewesen.

Auch bei der Grossdemo vom Sonntag sei wegen den zahlreichen Schaulustigen kein Einsatz gegen gewalttätige Demonstranten möglich gewesen. Erst am Sonntagabend konnte in der Usine auf Anordnung von Staatsanwalt Daniel Zappelli eine Razzia durchgeführt werden. (sda)

Schweiz 14.6.03 10:01 - Tages-Anzeiger Online - Untersuchung zu Anti-G-8-Demos - Quelle: http://tagi.ch/dyn/news/ schweiz/285535.html

Die Genfer Abgeordneten stimmten am Freitag fast einstimmig für eine Ausserparlamentarische Untersuchungskommission zur Untersuchung der Unruhen am Rande des G- 8-Gipfels.

Die Kommission wurde vom Regierungsrat in Absprache mit dem Grossratsbüro gegründet. Es wird ihre Aufgabe sein, die Handlungen der Regierung, von Justiz und Polizei im Rahmen der Organisation und Durchführung der Anti-G-8-Demonstrationen zu überprüfen.

Die Genfer Polizeidirektorin Micheline Spoerri hatte zuvor vor dem Genfer Grossen Rat die Verantwortung dafür übernommen, dass Globalisierungsgegner am Samstagabend vor der G-8-Demonstration von der Polizei unbehelligt Schaufenster einschlagen konnten.

Quelle: http://www.nadir.org