Wiesbaden, 18.11.2003, 'Tag der Verweigerung' - Protest gegen den SozialabbauBilder

Kürzen schafft neue Armut - Stoppt den hessischen Kahlschlag!

Flugblatt zum 'Tag der Verweigerung' am 18. November 2003 in Wiesbaden

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat am 2. September einen sozialen Kahlschlag für Hessen angekündigt. Anstatt endlich für sozialen Ausgleich zu sorgen, hat er sich gezielt dafür entschieden, das Geld bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst, den sozial Benachteiligten und Studierenden abkassieren zu wollen.

Koch hat die schwierige Finanzsituation des Landes durch seine Politik entscheidend mit herbei geführt. Seit Jahren verhindert er, dass die finanziell Starken angemessen zur Finanzierung staatlicher Aufgaben herangezogen werden. Der Verzicht auf die Erhebung von Vermögensteuer ist hierfür nur ein Beispiel.

Die Umsetzung der Pläne von Koch wird die Binnenkaufkraft weiter schwächen und die Zahl der Erwerbslosen um über 15.000 erhöhen.

Diese Politik ist perspektivlos und zerstört die sozialen Fundamente unserer Gesellschaft!

Dieser Aufruf wird unterstützt vom Bündnis „Soziale Gerechtigkeit in Hessen“ (Wohlfahrtsverbände, kirchliche Institutionen, Gewerkschaften und Initiativen), der Initiative der hessischen ASten für ein gebührenfreies Studium und Attac

V. i. S. d. P.: DGB Bezirk Hessen-Thüringen, DGB Hessen, Wilhelm-Leuschner-Str. 69-77, 60329 Frankfurt am Main, Tel.: 069-273005-0, Fax: 069-273005-45, E-Mail: Hessen@dgb.de

Wir wollen endlich eine Politik für die soziale Zukunftsentwicklung unseres Landes.

„Tag der Verweigerung“
Dienstag, 18. November 2003 in Wiesbaden

Treffpunkte und Vorkundgebungen ab 11.00 Uhr: Schlachthof - Luisenplatz - Elsässer Platz

Beginn der Demonstrationszüge „5 nach 12“ zur Kundgebung ab 13:00 Uhr „Jetzt schlägt‘s 13“ auf dem Dernschen Gelände

mit Betroffenen aus den Bereichen Feuerwehr, Polizei, Forst, Schulen, Hochschulen, sozialen Initiativen und Frauenprojekten und Stefan Körzell, Vorsitzender des DGB Hessen, Dr. Wolfgang Gern, Sprecher des Bündnisses „Soziale Gerechtigkeit in Hessen“


Tag der Verweigerung

Aufruf von ver.di Bezirk Wiesbaden Fachbereich 8 (Medien, Kunst und Kultur, Druck und Papier, industrielle Dienste und Produktion) zur Beteiligung am 'Tag der Verweigerung' am 18. November 2003 in Wiesbaden

AUFRUF an alle im Medien-, Kunst- und Kultur-, Druck und Papierbereich Arbeitenden in Wiesbaden und Umgebung zur Beteiligung am „Tag der Verweigerung“!

Dienstag 18. November 2003 in Wiesbaden
Treffpunkte ab 11:00 Uhr: Schlachthof – Luisenplatz – Elsässer Platz.
Beginn der Demonstrationszüge '5 nach 12' zur KUNDGEBUNG ab 13:00 Uhr 'Jetzt schlägt‘s 13' Schlossplatz/Dernsches Gelände

Wir wenden uns gegen die REAKTIONÄRE INNEN- und MEDIENPOLTIK der hessischen CDU, die vorzüglich unseren Arbeitsbereich betrifft:
  • Die Regierung Koch hat sich durchGesetz eine MEHRHEIT im hr-RUNDFUNKRAT gesichert. Dies ist eine versuchte Einflussnahme auf redaktionelle Unabhängigkeit im Sender.
  • Kürzungen im Kulturbereich (Theater, Kulturinitiativen, bildende Kunst) bringen Verlust an Arbeitsplätzen und Einkommen der Beschäftigten und Lebensqualität für die Allgemeinheit. Ein Qualitätsangebot gibt es künftig NUR FÜR REICHE.
  • Antisemitischer Nährboden der Hessen-CDU: Wir erinnern an die Verteilung von MAULKÖRBEN an MitarbeiterInnen des Stadtarchivs der Landeshauptstadt Wiesbaden. Diese hatten sich kritisch zum Antisemitismus des urgemütlichen „Heimatdichters“ Dietz aus Naurod geäussert. Dies missfiel dem CDU-Stadtverordneten Lorenz so sehr, dass er ihnen charakterliche Defizite u.ä. unterstellte. Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen war den MitarbeiterInnen durchCDU-Oberbürgermeister Hildebrand Diehl untersagt worden. Wer nicht für „HEIMAT“ ist, darf nichts sagen.
  • Antisemitischer Nährboden der Hessen-CDU: Der Gleichsetzung von Juden und „TÄTERVOLK“ durch den BundestagsabgeordnetenHohmann aus Fulda, der in der Tradition eines Alfred Dregger steht, ist auch ein Produkt von Kochs hessischer Partei. Der Fall Hohmann ist ein Milieufall der hessischen CDU unter Roland Koch als dem Sohn, der so gerne ein besserer Vater wäre.
  • Etwa jedes Vierteljahr wird exemplarisch ein menschenrechtlich äusserst umstrittener Fall einer Ausweisung von Flüchtlingen in mindestens einer hessischen Stadt„durchgezogen“ und somit öffentlich GESINNUNG demonstriert. Heimat ist da, wo man sich wohlfühlt.
  • Nicht vergessen: Kochs Wahlkampf 1999 wurde mit Geldern aus „Schwarzen Koffern“ finanziert und stützte sich auf ein Thema: die Kampagne gegen die Doppelte Staatsbürgerschaft. Damit wurden dumpfe Ressentiments undFremdenfeindlichkeit ÜBERHESSENWEIT freigesetzt.
FAZIT: Gewissen und Ehrgefühl aller im Medienbereich Beschäftigten, PRINZIPIEN und Mindestnormen demokratischer Öffentlichkeit zu bewahren, dies alles ist unvereinbar mit Kochs Handeln. Koch hat unübersehbare Tendenzen zu sozialem Ausschluss, Diskriminierung und reaktionärem Muff.

Daher rufen wir alle in Redaktionen, Sendern, Agenturen, Verlagen, auf Bühnen, an Kameras, an Druckmaschinen, im Satz und PapiermaschinenArbeitenden auf, am „Tag der Verweigerung“ ihren Beitrag zu leisten. Es betrifft uns und trifft uns.

Wir wenden uns gegen KOCHS REAKTIONÄREN SOZIALKAHLSCHLAG:
  • Arme, sozial Schwache, Wohlfahrtsverbände, Frauenprojekte, Sozial- und Beschäftigungsinitiativen werden geschröpft, während sich zugleich Koch, u.a. als Ministerpräsidentenpalais das ehemalige Schneider-Spekulationobjekt „Hotel ROSE“ - Kaufpreis ohne Renovierung 80 Millionen Euro - mit Luxus- Schreibtischen und Schnick und Schnack leistet. Einrichtungen und Verbände, die seinen Vorstellungen entsprechen, werden wenig oder gar nicht gekürzt.
  • UMVERTEILUNGSPROFIL: Frauen, Arbeitslose, Behinderte, Obdachlose, Drogenkranke, Hochverschuldete - kein Geld für Beratung. Frauen aus Frauenhäusern kriegen zum zweiten Mal Prügel: kein Geld.
  • „Wisconsin-Pläne“ der Koch unbedingt ergebenen Sozialministerin Lautenschläger gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Das schafft „amerikanische Zustände“.
  • Öffentlicher Dienst: Einkommenskürzung, Stellenstreichung, längere Arbeitszeit, Einschränkung der Mitbestimmung. Die Konservativen wollen demnächst auch alle anderen Arbeitnehmer treffen - durch den Versuch, die TARIFVERTRAGSGELTUNG aufzulösen.
  • Absehbarer Verlust von 15400 öffentlichen Arbeitsplätzen durch Kochs „Sparhaushalt“.
  • Einführung von Studiengebühren, soziale AUS-Lese: Studium nur noch für Kinder der Reichen.
  • Gravierende Verschlechterung öffentlicher Dienstleistungen und Sicherheitsstandards für ALLE.
FAZIT: In einem armen Staat können sich nur durch Geldvermögen Privilegierte etwas leisten. Sozialstaatliche Mindestgarantien als materielle Vorbedingungen für die „Würde“ der Ärmsten und der weniger Vermögenden, an denen sich die Verwirklichung eines unveräusserlichen Verfassungsprinzips bemisst, werden mit einem einzigen Federstrich beseitigt. Teilhaberechte der arbeitenden Bevölkerung an Ausbildung, Bildung und Kultur als ein Maßstab praktizierter gesellschaftlicher Modernität werden zunichte gemacht. Auf dem Wiesbadener Luisenplatz waren es am 15. Oktober 2003 schon mal 10.000, hauptsächlich Mitarbeiter sozialer Einrichtungen, Menschen, die darauf angewiesen sind und Gewerkschafter. Eine Einheit von Vielfalt. Eine Vielfalt von Einheit. Es könnten mehr werden.

Wir sind als Gewerkschaft auch nicht parteipolitisch einseitig: Am Samstag, 1.11.2003 demonstrierten 100 000 in Berlin gegen neoliberalen Sozialkahlschlag durch die rot-grüne Bundesregierung. „Hartz 4“ macht Arbeitslose zu Sozialhilfeempfängern. Die Berliner Demonstration richtete sich aber auch gegen die Pläne der konservativen Opposition. Die Demo wurde unter anderem von ver.di und mehreren IG Metall-Bezirken unterstützt.

Roland Koch ist kein Koch & er verdirbt den Brei!
Es geht um eine gute Sache - unsere Sache:
Demokratische Öffentlichkeit und moderner Sozialstaat.
Beide sollten wir alle konsequent verteidigen und ausbauen!

Weitere Infos: www.hessen-kahlschlag.de


Tag der Verweigerung« in Hessen: Nur gegen Sozialabbau à la Koch?

Interview mit Jochen Nagel, Landesvorsitzender der mitaufrufenden Gewerkschaft GEW in Hessen - geführt von Thomas Klein in 'junge Welt' vom 17.11.2003

F: In dem Aufruf zur Demo in Wiesbaden ist von einem »Tag der Verweigerung« die Rede. Schließt das Arbeitsniederlegungen ein?

Genau das. Wir mobilisieren derzeit für eine eintägige Arbeitsniederlegung der Lehrkräfte in Hessen.

F: Welche Konsequenzen hat die Arbeitsniederlegung bzw. Teilnahme an der Demonstration für die beteiligten Kollegen?

In der Vergangenheit gab es so etwas wie eine beamtenrechtliche Mißbilligung bzw. einen Verweis und Gehaltsabzug für die nicht gehaltenen Stunden. Der Verweis wird drei Jahre in der Personalakte bleiben, aber für den Gehaltsabzug erhalten unsere Kollegen selbstverständlich Streikgeld.

F: Das Bündnis »Stoppt den hessischen Kahlschlag!« kritisiert sehr deutlich die Politik der CDU-Landesregierung. Angesichts eines ebenfalls auf Bundesebene vorangetriebenen, also von einer SPD-Grünen-Regierung umgesetzten Sozialabbaus stellt sich die Frage: Fällt den Gewerkschaften die Kritik an SPD und Grünen schwerer, gibt es hier Beißhemmungen?

Nein. Für die GEW Hessen kann ich sagen, daß wir in der Vergangenheit sowohl die Politik einer rot-grünen Landesregierung deutlich kritisiert haben, als auch aktuell die Bundesregierung kritisieren und uns an entsprechenden Protestaktionen beteiligen.

Ein wichtiger Aspekt ist, daß Ministerpräsident Roland Koch im Windschatten von Berlin versucht, sich sozusagen als brutalstmöglicher Sanierer und Sozialabbauer zu präsentieren. Seine Zielsetzung geht über das jetzt vorliegende Programm ja noch hinaus. Er hat bereits angekündigt, daß er die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst massiv verlängern will. Und deshalb müssen wir hier in Hessen ein deutliches Zeichen setzen. Aber den Vorwurf, wir seien auf einem Auge blind, halte ich für falsch. Denn uns geht es schließlich nicht darum, die Bundesregierung weißzuwaschen.

F: In welchen Bereichen manifestiert sich in besonderer Weise der in dem Aufruf zur Demo kritisierte »hessische Kahlschlag«?

Koch spricht von der harten Realität der Haushaltszahlen. Diese Realität der Zahlen wurde jedoch politisch herbeigeführt, nämlich dadurch, daß die finanziell Starken in diesem Land immer weiter entlastet werden, während bei den finanziell Schwachen immer mehr Geld geholt wird.

Die Einsparmaßnahme von einer Milliarde Euro im Landeshaushalt betrifft vor allem drei Gruppen: Erstens die sozial Benachteiligten, denn sozialen Initiativen werden die Gelder massiv gekürzt. Das geht so weit, daß viele Einrichtungen schließen müssen. Zweitens sind die Studierenden durch die Einführung von Studiengebühren betroffen. Auch dies wird insbesondere die jungen Erwachsenen treffen, die aus sozial benachteiligten Familien kommen. Die dritte besonders betroffene Gruppe sind die abhängig Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Hier schlägt die Landesregierung über Arbeitszeitverlängerungen und Gehaltskürzungen zu.

F: Die Regierung Koch spricht, mit Blick auf die Einsparungen, von einer »Operation sichere Zukunft«.

Fakt ist: Gerade Kinder, also diejenigen, die die Zukunft unseres Landes sind, gehören maßgeblich zu den Betroffenen. Es wird nicht nur die Arbeitszeit der Lehrkräfte verlängert, was mit Sicherheit zum Qualitätsverlust des Unterrichts führen wird. Es werden außerdem, durch massive Mittelstreichungen, Erziehungsberatungsstellen im Umfeld kaputtgemacht.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2003/11-17/017.php


Protest zahlreicher gesellschaftlicher Gruppen gegen Zerschlagung von sozialen Strukturen

Artikel von Tim Neumann in 'junge Welt' vom 19.11.2003

Gegen das »Sparpaket« der Landesregierung sind am Dienstag rund 50 000 Menschen auf die Straße gegangen. Gewerkschaften, Sozialverbände und Studentenvertreter hatten zum »Tag der Verweigerung« und zu einer Großdemonstration aufgerufen.

In vielen Wiesbadener Schulen fiel in Folge des Streiks der Lehrkräfte der Unterricht aus. Was nicht nur mit der Teilnahme vieler Lehrer an der Großdemonstration zu tun hatte, sondern auch damit, daß die Wiesbadener Verkehrsbetriebe über Stunden schlicht den Betrieb einstellen mußten. Die Rektoren hatten es deshalb den Eltern freigestellt, ihre Kinder nicht zur Schule zu schicken. Viele nahmen statt dessen an der Demonstration teil.

Auf Wiesbadens Straßen war am Dienstag eine selten bunte Mischung unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen auf den Beinen: Schüler und Studenten, die Kochs Politik als Bildungsabbau anprangerten, Beamte, denen das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gekürzt werden soll und deren geplante Arbeitszeitverlängerung für großen Unmut sorgt. Schließlich viele Mitarbeiter von Sozialverbänden, die in Kochs Politik der massiven Streichung von Zuschüssen eine Zerschlagung von sozialen Strukturen sehen, deren Konsequenz noch gar nicht absehbar sei. Auch Gruppen wie das Netzwerk ATTAC prangerten die Politik der CDU-Landesregierung an.

Mit dem Vorwurf konfrontiert, Unterrichtsausfall herbeigeführt zu haben, reagierte die GEW mit dem naheliegenden Hinweis: Sollte Kochs Sparprogramm wie geplant realisiert werden, entstehe ein Situation, in deren Folge häufiger Unterrichtsausfall und vor allem ein erheblicher Qualitätsverlust zu beklagen seien.

Auf der Kundgebung in Wiesbaden überbrachte ein Studentenvertreter »solidarische Grüße aus Berlin«. Verbunden mit der Aufforderung, mit den Protesten, auch und gerade an den hessischen Hochschulen, nicht nachzulassen. Was das Land brauche, sei massenhafter Protest und das heute in Wiesbaden sei sehr vielversprechend, erklärten gleich mehrere Redner.

Auch die Tatsache, daß die drei größten italienischen Gewerkschaften sich solidarisch erklärten mit dem »Tag der Verweigerung«, wurde mit viel Beifall zur Kenntnis genommen.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2003/11-19/011.php