Berlin, 13.12.2003 (1), "Ihr nehmt uns unsere Zukunft!" - Studenten gegen Bildungs- und SozialabbauBilder

Ihr nehmt uns unsere Zukunft!

Aufruf des Freien Zusammenschlusses von Studentinnenschaften (fzs) vom 30.11.2003 zur bundesweiten Demonstration gegen Bildungs- und Sozialabbau am 13.12.2003 in Berlin, Leipzig und Frankfurt/Main

Der folgende Aufruf wurde auf dem bundesweiten Koordinierungstreffen in Jena am 29.11.2003 erarbeitet und abgestimmt. Er dient als erster Entwurf. Die vier Eckpunkte der Kritik sollen beibehalten werden. Die weitere Ausgestaltung in Form von Flyern etc. geschieht direkt an den jeweiligen Hochschulstandorten.

Bildungsfinanzierung als zentrale Aufgabe von Bund und Ländern

Die Bildungsausgaben und speziell auch die Ausgaben für die Hochschulen werden in fast allen Bundesländern massiv gekürzt. Folge ist, dass Seminare und Vorlesungen hoffnungslos überfüllt sind, ganze Fachbereiche und sogar Hochschulen zusammengelegt bzw. aufgelöst werden.

Diese Verantwortungslosigkeit auf Länderebene wird auf Bundesebene widergespiegelt: Auch vom Bund kommt kein deutliches Signal für eine höhere Priorisierung der Bildung. Das BAföG stagniert. Die Mittel für Hochschulbau sollen in den nächsten Jahren sinken, trotz dringend erforderlicher Investitionen. All dies wird mit fehlenden Geldern in den Kassen der öffentlichen Hand begründet. Die leeren Kassen werden als „Sachzwang“ bezeichnet, ohne die Frage nach dem Zustandekommen der Haushaltslöcher zu stellen. Lobbygruppen stellen die Forderung „Steuern runter“, und die vorgezogene Steuerreform wird den Ländern noch weniger Geld in eben jene leeren Kassen bringen. Der „Sachzwang“ verschärft sich.

Kein Vorwand ist dabei zu billig, um mittelfristige Hochschulstrukturreformen durchzusetzen, die eine weitere Selektion im Bildungswesen mit sich bringen. Viele Maßnahmen, die unter dem Etikett des Bologna-Prozesses an den Hochschulen durchgesetzt werden, dienen allein Einsparungen und Zugangsverknappungen. Wir fordern daher ein Umdenken in der Finanzpolitik. Kürzungen und Stagnation im Bildungs- und Sozialbereich verschärfen die soziale Ungleicheit. Die Ziele einer emanzipatorischen Gesellschaft und der Teilhabe aller an ihr und ihrer Gestaltung können so nicht erreicht werden.

Im Rahmen der Diskussion um die Kompetenzneuordnung zwischen Bund und Ländern fordern wir ein deutliches Signal von Seiten des Bundes, sich im gesamten Bundesgebiet für eine qualitativ hochwertige und gebührenfreie Bildung einzusetzen.

Bildung als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Wenn wir uns für mehr Ressourcen in Bildung einsetzen, dann handeln wir im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Ohne Bildung keine Zukunft. Wir lehnen einen Verteilungskampf zwischen den verschiedenen Institutionen und Ebenen im Bildungsprozess (z.B. Kindergärten versus Hochschulen) ab.

In diesem Zusammenhang fordern wir eine qualitative inhaltsorientierte Studienreform ein. Dazu ist eine gesamtgesellschaftliche Debatte über eine kritische Praxisorientierung des Studiums erforderlich. Wissenschaftliche Qualifikation muss als Instrument gesellschaftlicher Veränderung auch von Seiten der Studierenden wiederentdeckt werden.

Gleichzeitig wenden wir uns gegen die soziale Selektivität des Bildungssystems. Eine qualitativ hochwertige Bildung, die emanzipatorischen Ansprüchen genügt, muss allen Menschen offen stehen. Offene und heimliche Zugangshürden müssen abgebaut, nicht neu errichtet werden.

Ablehnung von Studiengebühren, egal in welcher Form

In zahlreichen Bundesländern sind Studiengebühren in Form von Rückmelde- oder Verwaltungsgebühren, Strafgebühren für sogenannte LangzeitstudentInnen, Studienkonten etc. bereits eingeführt oder in der Diskussion. In der 6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes (HRG) wurde ein allgemein gehaltenes und unzureichendes Gebührenverbot im Erststudium festgelegt. Selbst gegen dieses Gesetz klagen nun zahlreiche Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht. Zahlreiche PolitikerInnen auf Bundes- und auf Landesebene haben bereits konkrete Pläne für generelle Studiengebühren geäußert, wenn der Klage stattgegegeben wird.

Wir sind der Meinung: Jede Art von Studiengebühren ist aus bildungs-, sozial- und wirtschaftspolitischen Gründen abzulehnen. Ein bundesweites Verbot von Studiengebühren ist daher unerlässlich. Darüber hinaus fordern wir alle Parteien auf, sich klar für ein gebührenfreies Studium auszusprechen.

Nein zum Sozialabbau

Uns ist klar: Die Argumente der leeren Kassen werden auch gegen andere soziale Gruppen wie beispielsweise RentnerInnen, ArbeiterInnen, MigrantInnen, Behinderte, Arbeitslose, SozialhilfeempfängerInnen und BeamtInnen angewandt. Wir wehren uns dagegen, diese sozialen Gruppen gegeneinander oder auch gegen die Studierenden auszuspielen. Die Bundesrepublik Deutschland ist als Volkswirtschaft heute so reich wie nie zuvor. Daher muss es darum gehen, die Finanzierung von Bildung und des Sozialstaates über eine Beteiligung der Unternehmen und der Besserverdienenden sicherzustellen. Wir Studierenden solidarisieren uns nachdrücklich mit den vom Sozialabbau der Agenda 2010 und anderen Konzepten betroffenen Personengruppen und Protestierenden.

Quelle: www.fzs-online.org/article/597/de


BILD dir keine Meinung!

Stellungnahme des Freien Zusammenschlusses von Studentinnenschaften (fzs) vom 12.12.2003

fzs ruft zu bundesweiten Großdemonstrationen am Samstag auf

Studierende aus allen Bundesländern protestieren am 13. Dezember gemeinsam gegen Bildungs- und Sozialabbau. In Frankfurt/Main, Leipzig und Berlin finden Demonstrationen statt. Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) koordiniert und unterstützt die Protestaktionen.

„Es ist höchste Zeit, dass wir uns wehren,“ sagt Colin Tück vom Vorstand des bundesweiten Dachverbands und Nele Hirsch, ebenfalls im Vorstand des fzs, ergänzt: „Überall werden die Hochschulen kaputt gespart und Studiengebühren erhoben! Überall und immer wieder heißt es zur Begründung nur: Die Kassen sind leer!“

Dieser Sachzwang ist nach fzs-Meinung konstruiert. Die Mittel sind deshalb knapp, weil die Steuer- und Finanzpolitik gezielt Unternehmen und Besserverdienende begünstigt.

„Wir wollen die gesellschaftlichen Konsequenzen der verfehlten Finanzpolitik verdeutlichen. Mit den Protesten fordern wir eine breite Diskussion über die gesellschaftliche Aufgabe von Bildung“, erklärt Hirsch.

Kürzungen im Bereich der Bildungspolitik bedeuten aus Sicht des bundesweiten studentischen Dachverbands zum einen eine Verstärkung der sozialen Selektivität. „Schon jetzt studieren kaum Kinder aus sozial schwachen Schichten an den Hochschulen in Deutschland. Wir fordern, dass Zugangshürden für finanziell Schwächere abgebaut und nicht noch zusätzlich errichtet werden. Da sind Studiengebühren definitiv der falsche Weg!“ kritisiert Tück die Pläne zu Studiengebühren, die in zahlreichen Bundesländern zur Debatte stehen. Auch auf Bundesebene gibt es quer durch alle Parteien klare BefürworterInnen von Studiengebühren.

Zum anderen führen Kürzungen im Bildungsbereich zu Qualitätseinbußen. „In der aktuellen Debatte steht nur noch die ökonomische Verwertbarkeit von Bildung im Vordergrund. Wissenschafts- und gesellschaftskritische Diskussionen können wir uns offensichtlich nicht mehr leisten,“ sagt Hirsch. Studierende werden an den Hochschulen zunehmend zu KundInnen degradiert, Bildung verkommt zu einer reinen Investition in das eigene Humankapital. Eine solche Art von Hochschulausbildung zwingt StudentInnen dazu, sich ausschließlich für den Arbeitsmarkt zuzurichten.

Von den Kürzungen und den „Reform“-Konzepten wie der Agenda 2010 sind nicht nur Hochschulen, sondern auch Schulen, Kindergärten und andere soziale Einrichtungen betroffen. ArbeiternehmerInnen, SozialhilfeempfängerInnen, Erwerbslose, RentnerInnen und MigrantInnen leiden unter den Einsparungen. „Wir wollen keinen Verteilungskampf, weder innerhalb des Bildungssystems, noch gegenüber anderen sozial benachteiligten Gruppen,“ bekräftigt Tück.

Quelle: www.fzs-online.org/article/733/de


Proteste sind erst der Anfang

Stellungnahme des Freien Zusammenschlusses von Studentinnenschaften (fzs) vom 13.12.2003

fzs fordert ein Umsteuern in der Bildungspolitik

In Leipzig, Frankfurt/Main und in Berlin haben rund 60.000 Studierende gegen Bildungs- und Sozialabbau demonstriert. Zeitgleich fanden Demonstrationen in Österreich und in Frankreich statt. Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) hat die Vorbereitungen zur Demonstration koordiniert und unterstützt.

Nele Hirsch, Vorstand im bundesweiten Dachverband, zeigt sich mit dem Ablauf der Demonstrationen zufrieden: „Wir haben deutlich gezeigt, dass die Proteste der Studierenden eine bundes- und europaweite Dimension haben. Erstmals konnten wir heute unseren Protest gebündelt und bundesweit artikulieren.“ Dies sei Voraussetzung, um den erforderlichen Druck für ein Umdenken in der aktuellen Finanzpolitik zu erreichen. „Dringend notwendige Reformdiskussionen an den Hochschulen werden derzeit nur unter dem Blickwinkel von möglichen Einsparungen geführt“, kritisiert Vorstandskollege Colin Tück.

Kürzungen im Bereich der Bildungspolitik führen aus Sicht des fzs deshalb nicht nur zu einer Verschärfung der sozialen Selektivität, sondern vor allem auch zu massiven Qualitätseinbußen. „Ohne ausreichende Mittel ist eine qualitative Studienreform nicht möglich“, meint Hirsch.

Neben ausreichenden Mitteln ist die studentische Beteiligung bei Reformvorhaben notwendig. „Wir können aus einer ExpertInnenperspektive mitreden, wenn es um Reformen beispielsweise im Rahmen der Europäisierung der Hochschulen geht“, bekräftigt Tück.

Der fzs sieht in den Großdemonstrationen nicht den Abschluss der Protestbewegung. „Die Demonstrationen bilden erst den Auftakt für eine breit angelegte Debatte über die derzeitige Bildungspolitik in Deutschland“, so Hirsch. Der fzs plant daher noch in diesem Semester im Rahmen einer bundesweiten Veranstaltung, die während der Proteste angestoßenen Debatten aufzugreifen. „Wir als Studierende werden uns auch in Zukunft konstruktiv an Reformdiskussionen im Bildungsbereich beteiligen“, kündigt Hirsch an.

Quelle: www.fzs-online.org/article/739/de


»Wir können auch anders!«

und 70 000 Menschen demonstrierten in Berlin, Leipzig und Frankfurt/Main gegen Bildungs- und Sozialabbau - Berichte in 'junge Welt' vom 15.11.2003

Aus Berlin berichtet Till Meyer:

Es waren gut 40 000 Demonstranten, die trotz Regen und Kälte am Sonnabend lautstark und mit kämpferischen Losungen durch die Berliner Innenstadt zogen. Zur Demonstration aufgerufen hatten das Bündnis gegen »Bildungs- und Sozialkahlschlag«, der DGB-Landesverband Berlin/Brandenburg sowie zahlreiche von Kürzungen betroffene Initiativen, Gruppen und soziale Verbände. Um 14 Uhr stießen gut 20 000 Studierende, die vom Brandenburger Tor aus losgezogen waren, auf die Demonstranten, die sich am Potsdamer Platz zur Auftaktkundgebung versammelt hatten. »Morgen Kinder wird’s nix geben«, war auf einem der vielen Plakate zu lesen. »Wir können auch anders – für Umverteilung von oben nach unten«, hieß es auf dem Transparent, das an der Spitze des Demonstrationszuges getragen wurde. Dieter Scholz, Landesvorsitzender des DGB Berlin, empfing die Studierenden mit den Worten: »Ich begrüße die Vernünftigen in dieser Stadt. Es ist ein Wahn, wenn die Bundesregierung und der Berliner Senat uns die Zerschlagung des Sozialstaates als Reform verkaufen wollen.« Die »Agenda 2010« sei eine Kriegserklärung an die arbeitenden Menschen in diesem Land, rief der Gewerkschafter den Demonstranten zu, die mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert antworteten.

Helga Adler, Sprecherin des Berliner Frauennetzwerks, verdeutlichte in ihrem Beitrag noch einmal, was die Kürzungen für die vielen Frauenprojekte in dieser Stadt bedeuten. »Wir können unsere Arbeit einstellen, die Frauenhäuser schließen und betteln gehen. Der rot-rote Senat soll sich endlich zu seiner wahren Farbe bekennen: Schwarz.«

Gegen 15 Uhr setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Mit Samba-Trommeln und gellenden Pfeifkonzerten bewegte er sich durch die Berliner Friedrichstraße in Richtung Alexanderplatz. »Bild ist doch billiger als Bildung« oder »Streik an den Unis und Streik im Betrieb« waren nur einige der Losungen auf den Transparenten.

Annette Hill, Studentin der Freien Universität, betonte auf der Abschlußkundgebung, man werde nicht aufhören mit den Protesten, und die Studierenden seien froh darüber, daß es jetzt ein Bündnis mit den vom Sozialkahlschlag betroffenen Gruppen in Berlin gibt. »Keine Partei steht hinter uns. Wir müssen den Widerstand von unten organisieren und die Herrschenden dazu zwingen, ihre Politik des sozialen Kahlschlags zurückzunehmen«, erklärte Professor Peter Grottian, Politologe von der Freien Universität. Die Vertreter der Studierenden machten in ihren Redebeiträgen unmißverständlich klar, daß die Protestaktionen und der Streik solange weitergehen, bis der Berliner Senat seine Kürzungen, und zwar in allen sozialen Bereichen, zurücknimmt. »Ende Januar will der Senat den Kürzungshaushalt im Abgeordnetenhaus verabschieden. Wir alle werden dabeisein. Wir werden das Abgeordnetenhaus belagern.«

Aus Leipzig berichtet Maria Hetzer:

In Leipzig demonstrierten am Sonnabend 20 000 Menschen unter dem Motto »Ihr nehmt uns unsere Zukunft«. Dem Aufruf der Studierendenschaften aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen folgten Studierende aus diesen Bundesländern und Nordbayern. Außerdem beteiligten sich zahlreiche andere Gruppierungen aus dem sozialen und kulturellen Bereich, Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiativen.

Auf der Auftaktkundgebung verband Marco Götze, Student der Universität Leipzig, die Forderungen der Studierenden nach einer besseren Ausstattung der Hochschulen mit einer generellen Kritik am derzeit stattfindenden Sozialabbau. Dies spiegelte sich auch in den Sprüchen der vielen mitgebrachten Transparente wider: »Eine Bitte an die CDU – dankt Schröder mit der Ehrenmitgliedschaft«, hieß es da oder »Spart euch unsere Zukunft«. Andere spielten auf die immer stärker werdenden Forderungen an, nur noch sogenannte Eliten studieren zu lassen: »Lieber Massenbildung als Klassenbildung«, »Hier demonstriert die zu verkraftende Studentenzahl« und »Gebt euer Wissen zurück – ihr habt noch nicht bezahlt!«

Zum Abschluß der Demonstration riefen die Sprecher der Studierendenschaften dazu auf, den Protest nicht einschlafen zu lassen und mit zurück in die Hochschulen zu nehmen.

Obwohl sich die Veranstalter von einem Aufruf zum Blockieren des Leipziger Weihnachtsmarktes distanzierten, fanden sich nach Ende der offiziellen Veranstaltung ungefähr 500 Protestierende zu einem Ring um den Weihnachtsmarkt ein, der zwischenzeitlich zu einer völligen Blockade führte. Nach einer knappen Stunde wurde der Ring durch die Polizei aufgelöst, woraufhin sich die Protestierer in einem Demozug durch die Innenstadt zusammenfanden, der sein Ende auf dem Innenhof der Universität fand. Der Einsatzleiter der Polizei bezeichnete die Blockade als »kreativen Protest« ohne größere Probleme für die Einsatzkräfte.

Die Ergebnisse der Demonstration bewertete der Referent für Öffentlichkeitsarbeit des Studierendenrates der Uni Leipzig, Torben Ibs, sehr positiv. »Die Erwartungen wurden übertroffen. Die Arbeit im Vorfeld hat sich gelohnt. Wir erhoffen uns einen starken Mobilisierungsschub unter unseren Studierenden für den Streik im Januar und daß wir dem Thema Bildungspolitik in der öffentlichen Diskussion einen festen Platz verschafft hat.« Bei Passanten stieß die Großdemonstration durchweg auf Verständnis.

Aus Frankfurt am Main berichtet Thomas Klein:

War es das naßkalte Wetter oder eine sich nach wochenlangen Streiks einstellende Aktionsmüdigkeit? Vielleicht auch die Mischung aus beidem. Etwa 8 000 Studierende zogen am Samstag gegen die Bildungs- und Sozialpolitik durch Frankfurts Straßen. Was gemessen an den erwarteten 10 000 Teilnehmern eine kleine Enttäuschung bedeutete.

Dennoch wertete Falk Hertfelder, Vorsitzender des AStA der Frankfurter Uni, den Protestmarsch als vollen Erfolg: »Berlin, Leipzig und Frankfurt haben ein deutliches Zeichen gesetzt. Studierende in ganz Deutschland stellen sich gemeinsam gegen den fortschreitenden Bildungs- und Sozialabbau«.

Bei ihrem Protestmarsch durch die Main-Metropole brachten Studenten aus Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ihren Ärger mit Trillerpfeifen und Trommeln lautstark zum Ausdruck. Auf Transparenten warnten sie: »Wer Bildung kürzt, wird Dummheit ernten«.

In Sprechchören wurde vor allem der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) aufs Korn genommen. Bezugnehmend auf die Schwarzgeldaffäre der Hessen-CDU riefen Demonstranten unter anderem »Rück die schwarze Kasse raus« und »Roland Koch ins Bildungsloch«.

Martin Wagner, AStA-Referent für Hochschulpolitik an der Frankfurter Uni, kündigte nach der Demo an, daß auch im neuen Jahr die Proteste fortgesetzt werden. Politiker, die einschneidende Maßnahmen durchziehen wollten, ohne die Argumente der Betroffenen zu hören, müßten auch weiter mit kreativen Aktionen konfrontiert werden.

Quelle: www.jungewelt.de/2003/12-15/010.php


Gemeinsam gegen Bildungs- und Sozialabbau: Berliner SPD/PDS-Senat bereits verunsichert?

Interview mit Michael Prütz, Sprecher der Initiative Berliner Sozialforum, Mitveranstalter sowie Kundgebungsredner auf der Demonstration gegen Bildungs- und Sozialabbau am Samstag in Berlin, aus 'junge Welt' vom 15.12.2003, geführt von Till Meyer

F: In den letzten Wochen hat es eine Vielzahl von Aktionen und Veranstaltungen des Berliner Sozialforums zusammen mit den streikenden Studierenden gegeben. Heute dann die gemeinsame Demonstration der 40000. Sind Sie zufrieden mit dieser Entwicklung?

Ja, wir sind sehr zufrieden. Wir glauben, daß zur Zeit eine außerparlamentarische Bewegung entsteht. Es ist ja nicht so, daß heute nur die Studierenden auf der Straße waren, sondern eben auch andere Berlinerinnen und Berliner und Gewerkschafter.

F: Ende Januar wird der Berliner Senat den neuen Kürzungshaushalt 2004/05 verabschieden. Was plant das Sozialforum dagegen, und wie sehen die Kontakte mit den streikenden Studierenden im allgemeinen aus?

Die Verbindung zu den streikenden Studierenden ist ausgezeichnet. Wir haben laufend Koordinierungssitzungen, bei denen gemeinsame Aktionen diskutiert und geplant werden. Am Dienstag wird es mit allen Aktiven in Berlin ein großes Plenum geben, auf dem diskutiert wird, wie es weitergehen soll. Es gibt mehrere Ideen. Ganz oben steht die Initiative Berliner Bankenskandal, die ihre 25000 Unterschriften für ein Volksbegehren gegen die Risikoübernahme des Senats für die Bankgesellschaft Berlin jetzt beisammen hat. Es gibt inzwischen sogar Stimmen, die für ein weiteres Volksbegehren votieren. Ziel soll die Ablösung des Berliner Senats sein. Auf jeden Fall werden wir am 20. Januar 2004, wenn im Berliner Abgeordnetenhaus der Sparhaushalt debattiert wird, eine große Demonstration auf die Beine stellen. Wir sind sicher, daß wir dazu erfolgreich mobilisieren können.

F: Wie soll die Vernetzung zwischen den streikenden Studierenden, den Gewerkschaften und sozialen Initiativen weiter ausgebaut werden?

Daran wollen wir weiter arbeiten. Die Weichen sind auch schon entsprechend gestellt. Die Gewerkschaften, zumindest die in Berlin, haben erkannt, daß ihre bisherige Zurückhaltung gegenüber der Protestbewegung gegen die asoziale Politik in Berlin und im Bund falsch war. Sie wollen jetzt offensiv zusammen mit uns gegen diese Politik vorgehen. Wir hier in Berlin werden den europaweiten Protesttag gegen die neoliberale Politik am 3./4. April 2004 gemeinsam mit sozialen Verbänden, Studierenden und den Gewerkschaften organisieren. Wir berufen regelmäßige Koordinierungsgespräche ein und besprechen alle Pläne gemeinsam.

F: Gibt es Reaktionen seitens des Berliner Senats auf dieses inzwischen doch sehr präsente Bündnis gegen Bildungs- und Sozialkahlschlag?

Aus der zweiten Reihe der Politik haben wir gehört, daß die Verunsicherung im Berliner Senat mittlerweile zunimmt. Die haben natürlich intern gehofft, daß die Demonstration am Samstag mit nur ein paar Tausend Teilnehmern eine Niederlage für uns werden würde. Nun waren es aber über 40000. Und ich glaube, daß dieser starke Widerstand insbesondere den Abgeordneten der PDS zu denken geben wird. Diese Partei hat alle ihre Wahlversprechen gebrochen.

Quelle: www.jungewelt.de/2003/12-15/016.php