12.4.2004, Waldbröl, 'Den Frieden planen, nicht den Krieg! Abrüstung statt Sozialkahlschlag!' - Ostermarsch OberbergBilder

Den Frieden planen, nicht den Krieg! Abrüstung statt Sozialkahlschlag!

Aufruf zum Ostermarsch Oberberg 2004

Auch Ostern 2004 demonstrieren wieder viele Men­schen welt­weit für Frieden und Abrüs­tung. Wir in Oberberg gehen nach Waldbröl.

Dort gibt es zwar keine Raketenstellungen mehr, aber einen geistigen Sprengsatz: Das „Zentrum für Analysen und Studien“ der Bundeswehr (ehemals Amt für Studien und Übungen ehe­mals Akademie für Kom­munikation ehe­mals Schule für psy­chologische Verteidigung). Diese Einrichtung nennt sich „Think Tank“ der Bundeswehr und arbeitet an den ideolo­gischen Grundlagen für die Neu­ausrichtung der Bundes­wehr. Hier werden Ideen entwi­ckelt, wie die Bundes­wehr auf welt­weite Kriegs­einsätze orientiert werden kann - als ob den Folgen globaler Un­gerechtigkeit durch militärische Macht­mittel be­gegnet werden könnte.

Wir meinen:Nicht Gewalt, sondern Gerechtigkeit schafft Frieden!

Das Geld, was für Um-und Aufrüstung ausgegeben wird, können gerade wir hier bei uns viel besser im sozialen Bereich einsetzen - dort fehlt es an allen Ecken und Enden!

Ostermarsch Oberberg 2004 am Montag, 12.April 2004 nach Waldbröl
  • Treffpunkt 12.00 Uhr Denklingen, Burghof
  • Abmarsch 12.30 Uhr nach Waldbröl
  • Kundgebung 15.00 Uhrvor dem „Zentrum für Analysen und Studien“ am Schaumburgweg
Es rufen auf: Friedensinitiative Oberberg, attac Oberberg, Deutscher Gewerkschaftsbund Oberberg, DKP Oberberg, IPPNW (Ärzte gegen den Atomkrieg) Oberberg; Josi Delißen, Hans Dürhager, Elke Hannack, Monika u. Michael Höhn, Hans u. Luise Hüttemeister, Gerhard Jenders, Jörg-Mojan Kaufmann, Manfred Kriegeskorte, Esther Kupka, Dietmar u. Patricia Petri, Ute Rademacher, Michael Ruhland, Helmut Schäfer, Holger Schmidt/DFG-VK NRW, Ilse u.Wolfgang Wewer ...

V.i.S.d.P Gerhard Jenders, Gummersbach


"Das Bild des 'Feindes' passend verzerrt"

Rede von Gerhard Jenders beim Ostermarsch Waldbröl, 12.04.2004

Wieder einmal haben wir uns in Waldbröl versammelt, wie im vorigen Jahr stehen wir nicht vor einem waffenstarrenden Raketenstützpunkt, sondern vor einem fast zivil anmu­tenden Haus. Zivil, weil es als Hotel geplant war, fast zivil, weil es nicht irgendein Hotel werden sollte, sondern ein Vorzeigeprojekt der Nazis im Rahmen ihrer Pläne für Groß-Waldbröl war. Davon zeugen noch der monumentale Baustil und die kitschigen Mosaike im Innern. Seit dreißig Jahren nutzt die Bundeswehr das Haus. Was macht sie hier?

Hier sitzt das "Zentrum für Analysen und Studien der Bundeswehr" - es bezeichnet sich gern als "Denkschmiede". Der Begriff ist nicht falsch gewählt: Hier wird gedacht, und hier wird geschmiedet - allerdings werden keine Pflugscharen geschmiedet, sondern Schwerter!

Die Schwerter aus Waldbröl sind militärische Konzeptionen, die sich zum Beispiel mit der Computer-Vernetzung der Infanteristen befassen.

Die Schwerter aus Waldbröl sind Vorbereitungen zur Beschaffung neuer Waffensysteme und Absprachen mit der Rüstungsindustrie. Die schmieden hier Pläne, die das Geld zu kosten, was dann zum Beispiel für die Jugendarbeit in Waldbröl fehlt!

Die Schwerter aus Waldbröl sind aber vor allem Konzepte zum Umbau der Bundeswehr von der reinen Landesverteidigung zu einer weltweit agierenden Interventionsarmee:

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts war den Kriegern ihr Feindbild abhanden ge­kommen. Doch hier in diesem Haus wurde eine neues gebastelt. Die Leute veröffent­lichen nicht allzu viel, aber eine Power-Point-Präsentation des Zentrums war im Internet zu finden. Es handelt sich um einen Vortrag, der bei einer Tagung in Kanada gehalten wurde. Auf Folie 20 sehen wir das neue Feindbild: Da steht ein junger Afrikaner in Zivil­kleidung mit einem Maschinengewehr, einen langen Patronengurt und eine bunte Mickey-Mouse-Tasche umgehängt. Er soll für "bewaffnete Gruppen" stehen; bewaffnete Gruppen in kriegerischen Auseinandersetzungen irgendwo in der Welt, in die die Bundes­wehr dann eingreifen soll. Damit die entsprechenden Schlagworte (hier zum Beispiel "Kampf um Ressourcen") noch Platz auf der Folie haben, wurde das Bild des "Feindes" passend verzerrt. (Wer möchte, kann sich die Präsentation nachher mal auf einem Laptop ansehen.) Wie das Bild des Afrikaners ist in der Präsentation das gesamte Bild der Wirklichkeit verzerrt dargestellt - am Ende sehen wir als Schlussfolgerung unter "Neue Aufgaben" eine deutsche Panzerkolonne auf dem Vormarsch.

In den neuen "Verteidigungspolitischen Richtlinien" der Bundeswehr liest sich das dann so: "Ungelöste politische, ethnische, religiöse, wirtschaftliche und gesellschaftliche Konflikte wirken sich im Verbund mit dem internationalen Terrorismus, mit der international operierenden Organisierten Kriminalität und den zunehmenden Migrations­bewegungen unmittelbar auf die deutsche und europäische Sicherheit aus. Ihnen kann nur durch ein umfassendes Sicherheitskonzept und mit einem System globaler kollektiver Sicherheit begegnet werden."

Da ist es wieder, das Konglomerat aus Analyse und Demagogie, da werden Flüchtlinge in einem Atemzug mit Terroristen und der Mafia genannt - und als Lösung werden nur Gewalt oder Androhung von Gewalt (denn etwas anders ist mit dem "umfassenden Sicherheitskonzept" nicht gemeint) angeboten.

Konfliktlösung mit Gewalt wird seit Jahrhunderten ausprobiert, in der letzten Zeit beson­ders erfolglos durch die USA im Irak und durch die Scharon-Regierung in Israel - inzwischen müsste allen klar geworden sein, dass das nicht funktioniert. Doch ist Gewaltanwendung immer noch ein gutes Geschäft für die Waffenindustrie, vielleicht ist das der Grund, warum die Vernunft immer noch nicht zum Durchbruch gekommen ist.

Und jetzt werden hier in Waldbröl Konzepte entwickelt, wie deutsche Soldaten "innovativ" an allen Ecken der Welt Gewalt als Konfliktlösung einsetzen - wann lernen die Politiker endlich, dass man bei den Ursachen ansetzen muss: man muss sich schon die Mühe machen, nach einem fairen Ausgleich und wirtschaftlicher Gerechtigkeit zu suchen, statt immer nur auf die Maximierung des eigenen Profits zu schielen. Die jetzige Weltwirt­schaftordnung ist in hohem Maße ungerecht, sie kann auf die Dauer auch mit Gewalt nicht aufrecht erhalten werden. Leider haben die Ewiggestrigen im Lande das noch immer nicht begriffen, im Gegenteil: sie versuchen, Lohndumping auch bei uns durchzusetzen. Das ist nicht die Gerechtigkeit, die wir meinen!

Wenn der Afrikaner, der als neues Feindbild herhalten musste, einen Studienplatz hätte - oder vielleicht ein Stück Land zu bearbeiten mit der Aussicht auf faire Preise für seine Erzeugnisse - das wäre ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit, würde vielleicht die Spirale von Unterdrückung und Gewalt ein weing zurückdrehen, würde uns einen kleinen Schritt zurück bringen vom Abgrund des Hasses.

Zugegeben, dieser Weg ist mühselig und auch nicht umsonst zu haben, aber wenn ich jahrelang ohne Erfolg bei Krankheiten den Schmied konsultiert habe, sollte ich vielleicht doch mal statt dessen zu einem Arzt gehen!

Natürlich können die "Denkschmiede" hier drinnen auf solche Ideen nicht kommen, dafür sind sie nicht ausgebildet. Sie haben gelernt, dass der Hammer das einzig mögliche Werkzeug ist und diagnostizieren folgerichtig alle Probleme als "Nägel". Das geht dann auch so weit, dass für sie "die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen" und die Bundeswehr auch im Innern eingesetzt werden soll - so wird es in der Präsentation gefordert. Die Gesetze sollen passend ausgelegt oder eben ange­passt werden, zu diesem Zweck unterhalten die hier einen eigenen "Querschnittsbereich Recht / Politik" , der entsprechende Vorlagen erarbeitet.

Eines aber wissen auch die Soldaten hier im "Zentrum für Analysen und Studien": Die abenteuerlichsten Pläne sind nichts wert ohne Menschen, die bereit sind, dabei mitzu­machen. Da sieht es - zum Glück oder vielleicht logischerweise - für das Militär zur Zeit schlecht aus: Der Leiter des ZAS, Oberst Ralph Thiele, schreibt in einem Artikel unter der Überschrift "Der Kampf um gebildete beziehungsweise bildungsfähige Menschen: "Der junge Wehrpflichtige bringt die Ressource Wissen nur in Ausnahmefällen in die Streit­kräfte hinein." Klar - wer die Welt versteht, lässt sich nicht auf militärische Abenteuer ein.

Doch das wollen die Leute dort drinnen nicht auf sich beruhen lassen. Deshalb sind die Medien ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Das, was wir beim Irak-Krieg mit den "ein­gebetteten" Journalisten erlebt haben, soll auch hierzulande Praxis werden: Sie möchten, dass die Medien mit ihnen ins Bett steigen, um ihre Ideologie aus dem Imperialismus des 19. Jahrhunderts als Modernisierung zu verkaufen. Als Ziel haben sie formuliert, " in die Köpfe der Menschen zu kommen und ihre Herzen zu gewinnen". Also, was mich an­betrifft: Ich habe wir fest vorgenommen, meinen Kopf weiter zum selbstständigen Denken zu verwenden - und: mein Herz schlägt immer noch links und passt in keine Heldenbrust!


Gerechtigkeit und Frieden für alle auf diesem Planeten

Rede von Dietmar Petri beim Ostermarsch Waldbröl, 12.04.2004

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ostermarsches Oberberg im Jahre 2004 !!!

Als ich im Vorfeld dieses Ostermarsches im Betrieb den Aufruf ans schwarze Brett heftete und anschließend noch einige Exemplare in der Kantine auslegte, nutzten das einige Kolleginnen und Kollegen, um mit mir über Sinn und Zweck des Ostermarschs und über Proteste und Demonstrationen überhaupt zu diskutieren. Ich stellte wiederholt fest, dass ein ganz beträchtlicher Teil der Bevölkerung an Radio- und Fernseh-Demonstrationen teilnimmt. Soll heißen: Wenn z.B. in Rom eine halbe Millionen Menschen gegen das Heraufsetzen des Renteneintrittsalter demonstriert, findet man das gut und gerechtfertigt. Wenn ganz Frankreich durch einen Generalstreik lahmgelegt wird, findet man das bewundernswert. Diese Radio und Fernseh-Demonstranten sind eigentlich sehr international eingestellt. Haben aber zu einem großen Teil das selbe Leid zu ertragen: die Wehmütigkeit: Ach wenn wir das doch auch einmal in Deutschland so hinbekämen! Sehr konsequent sind diese Radio- und Fernseh-Demonstanten allerdings nicht! Wenn man Sie z.B. auffordert, doch auch mal am Ostermarsch teilzunehmen, haben sie gewichtige Gründe die dagegen sprechen. Wie z.B., dass man keine Minute des Schwiegermutterbesuches verpassen könne, oder das der Gartenzaun gestrichen werden müsse.

Aber in letzter Zeit - so jedenfalls habe ich den Eindruck - reisen Deutschlands Schwiegermütter etwas seltener und die Farbenindustrie scheint mit ihrer Produktion nicht immer nachzukommen, wie die Antikriegsdemonstration letztes Jahr in Berlin mit über 500 000 Menschen und die Demonstrationen gegen die AGENDA 2010 vom 03. April zeigen. Zu hoffen ist nur, das es sich auch mehr bis ins Oberbergische rumspricht, dass Widerstand gegen Kriegspolitik, Demokratie und Sozialabbau angesagt ist. Das dann mehr Menschen u.a. am Ostermarsch teilnehmen und eben nicht nur die üblichen Verdächtigen. Dieser Ostermarsch findet in einer Zeit statt wo an über 80 Stellen auf dieser Erde Kriege geführt werden. Die meisten davon unbeachtet von der Weltöffentlichkeit.

Überhaupt hüllt man sich in Schweigen wenn es um die wahren Ursachen von Konflikten geht. Sehr gerne wird auch geschwiegen über den Abbau sozialer und demokratischer Grundrechte. Das reichste Fünftel aller Staaten bestimmt heute etwa 85 Prozent des Weltbruttosozialprodukts und 95 Prozent des Welthandels. Die drei reichsten Familien in der Welt besitzen über 135 Milliarden Dollar. Das ist mehr als das jährliche Einkommen von 600 Millionen Menschen in den ärmsten Entwicklungsländern. Immer weniger Menschen verfügen über einen immer größeren Anteil am gesellschaftlichen Reichtum. Über den Einfluss der weltweit agierenden Konzerne und Banken auf Produktion, Verteilung, auf die internationalen Finanzmärkte und die Politik, haben sie eine Machtfülle, die keinerlei demokratischer Kontrolle unterworfen ist. Sie entscheiden letzlich über Krieg und Frieden, über Investitionen und Massenentlassungen, über Kapitalbewegungen, innerstaatliche und überstaatliche Gesetzgebung, über die Zukunft ganzer Regionen. Die transnationalen Konzerne treiben die Internationalisierung der Arbeit voran.Die jeweiligen Abteilungen der Arbeiterklasse sollen miteinander konkurrieren, die schlechtesten sozialen und ökologischen Bedingungen zum Maßstab aller werden. Weltweites Lohn und Sozialdumping soll durchgesetzt werden. Sie wollen eine Weltordnung, die ihre Profitinteressen sichert. Dies hat Auswirkungen auf die Außenpolitik wie die Innenpolitik.

Errungenschaften bürgerlicher Demokratie - meist in harten Auseinandersetzungen durch die Arbeiter und demokratischen Bewegungen in den Ländern des Kapitals erkämpft oder zeitweiliges taktisches Zugeständnis der herrschenden Klasse - werden immer mehr in Frage gestellt. Die bisherige bürgerlich-demokratische Verfasstheit der Mehrheit der entwickelten kapitalistischen Staaten wird in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt. Bürgerliche Parteien werden - nach dem Muster der USA - austauschbar. Restriktive Herrschaftsformen des Kapitals entstehen oder werden erprobt: Veränderung von Polizeigesetzen, Sicherheitsüberprüfungen im öffentlichen Dienst der BRD, zunehmende Überwachung öffentlicher Räume, Einschränkung des Versammlungs- und Streikrechts.

Und nicht zu vergessen der reaktionäre EU-Verfassungsentwurf. Die derzeitige EU-Verfassung macht die ständige Aufrüstung zur Pflicht. Der Ausbau der EU zu einer eigenständigen imperialistischen Militärmacht mit globalem Machtanspruch wird darin zum Verfassungsprinzip erhoben. Dem entspricht der Aufbau eigenständiger EU-Interventionstruppen mit der Orientierung auf weltweite Militäreinsätze und Kriegseinsätze.

Im Entwurf eines Strategiepapiers von Solana, das von allen EU-Regierungschefs gebilligt wurde, heißt es: Eine Union mit 25 Mitgliedern und einem Verteidigungshaushalt von 160 Milliarden Euro sollte in der Lage sein, mehrere Operationen gleichzeitig auszuführen. Wir müssen eine strategische - ja richtig gehört - eine strategische Kultur entwickeln, die frühe, schnelle und - falls erforderlich - robuste Interventionen fördert. Wenn wir es ernst meinen mit den neuen Bedrohungen und dem Aufbau von flexibleren, mobilen Einsatzkräften, müssen wir die Mittel für die Verteidigung aufstocken.

Im Gegensatz zum Gewaltverbot der UNO - Charta und dem Verbot der Führung von Angriffskriegen im deutschen Grundgesetz maßt sich die EU in ihrer “Millitärdoktrin” genau wie die USA das Recht an, militärische Operationen und Präventivkriege in aller Welt durchzuführen, bei denen auch der Einsatz von Atomwaffen nicht grundsätzlich ausgeschlossen wird. Die Entscheidungsgewalt für derartige Einsätze liegt ausschließlich beim Ministerrat, das EU-Parlament soll lediglich “ zu den wichtigsten Aspekten und grundlegenden Weichenstellungen regelmäßig gehört und über ihre Entwicklung auf dem laufenden gehalten werden”. Eine solche Millitärverfassung ist grundlegend falsch und widerspricht allen friedlichen und demokratischen Anforderungen. Schon das allein ist ein ausreichender Grund, um die neue EU-Verfassung konsequent und entschieden abzulehnen. Der imperialistische Grundcharakter der EU-Konstruktion macht jede Erwartung illusorisch, dass die Europäische Union ohne grundlegenden Umbruch in ihren gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu einem für Frieden, Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt positiven Gegenpol werden könnte.

Ein anderes Europa ist möglich und notwendig!

Einen weiteren “Brandherd” beschert uns in Zukunft sicherlich die aggressive NATO-Expansionspolitik. Ende März haben die Führer Estlands, Lettlands, Littauens, Bulgariens, Rumäniens, der Slowakei und Sloweniens in Washington die NATO-Beitrittsurkunden unterzeichnet. Der von Washington dominierte Millitär-Pakt ist unmittelbar an die Grenzen der Russischen Förderation herangerückt. Nach der bevorstehenden Stationierung entsprechender Einheiten wird es für große Teile Russlands künftig keine Vorwarnzeit im Falle eines Angriffs von NATO-Bombern und Raketen mehr geben. Doch Washington und seinen Satelitten reicht das nicht. Sie wollen die Schlinge um den Hals des russischen Bären noch enger ziehen und drängen in Russlands Hinterhof.

Wie beim Überfall auf den Irak spielen auch hier die Staaten des “neuen Europa” die Rolle des “Rammbocks” für die Interessen des US-Imperialismus. Die Gruppe der sogenannten “Vilnius-Zehn”- die jetzigen sieben Beitrittsländer plus Kroatien, Mazedonien und Albanien, die sich vor vier Jahren in der Litauischen Hauptstadt zusammengetan hatten, um ihren NATO-Beitritt zu forcieren, verkündeten bei der jüngsten Zusammenkunft in Bratislava in einer gemeinsamen Erklärung, das bisher Erreichte sei bestenfalls der halbe Weg zur Verwirklichung einer realen Vereinigung Europas. Das erste, was nunmehr zu geschehen müsse, sei die Ausarbeitung eines konstruktieven Herangehens an die Lösung der Propleme in den Ländern der Schwarzmeerregion. Wir wollen, dass die EU, die NATO und die USA begreifen, dass diese Region von erstrangiger Bedeutung ist.

Ein Beitrag von Wladimir Socor, einem leitenden Mitarbeiter des Washingtoner Instituts für strategische und politische Forschungen, der am 26. März in The Wall-Street Journal publiziert wurde, verdeutlicht, dass die Vilnius-Zehn zum Sprachrohr des US-Imperialismus machen. Darin heißt es unter Bezugnahme auf die gerade zitierte Erklärung: Es ist richtig, dass diese Region als Priorität gesehen wird, sowohl unter geopolitischer wie ökonomischen und strategischen Gesichtspunkten. Diese Region bildet ein funktionelles Aggregat an der neuen Grenze der Euro-Atlantischen Gemeinschaft. Aserbaidschan und Georgien können durch gemeinsame Anstrengungen den Korridor für den den Transit der Energieressourcen aus der Kaspiregion nach Europa gewährleisten und außerdem ständiger Korridor für die Streitkräfte der USA und der NATO zur Durchführung von Operationen in Mittelasien und in der Tiefe des Nahen Osten sein. Die Ukraine wird in vielem als Verlängerung dieses Korridors dienen. Weiter heißt es, diese Region werde schon heute als Aufmarschgebiet für die strategischen Pläne der NATO in Eurasien genutzt.

Wen kann es da wundern, dass auf die Blütenträume einer “Partnerschaft” zwischen der NATO und Russland, die im Gefolge der “Antiterror-Koalition” nach dem 11. September 2001 manchem Politiker in Moskau die Augen vernebelten, nun ein böses Erwachen folgt. So muß man wohl auch einen am 25. März in der russischen Zeitschrift “Global Affairs” veröffentlichen Artikel des russischen Verteidigungsministers Sergey Iwanow werten, aus dem bei aller zurückhaltenden Wortwahl doch unübersehbar die tiefe Besorgnis und Verärgerung der russischen Führung und insbesondere der Millitärs über die Politik der USA und der NATO deutlich wird. Darin heißt es unter anderem: “Russland verfolgt aufmerksam den Transformationsprozess der NATO und erwartet, dass sowohl die direkten wie die indirekten Komponenten einer antirussischen Ausrichtung aus den militärischen Planungen und politischen Deklarationen der NATO Länder vollständig entfernt werden. Bleibt allerdings die NATO in ihrer Eigenschaft als Militärallianz mit der heute gültigen offensiven Militärdoktrin erhalten, so werden die russische militärische Planung und die Prinzipien des Aufbaus der russischen Streitkräfte, ihre atomare Komponente einbegriffen, in adäquater Weise revidiert. Ich finde deutlicher brauchte Iwanow nicht zu werden.

Nun habe ich die Befürchtung, dass wir uns noch sehr häufig zu einem Ostermarsch zusammenfinden müssen. Und trotz alledem - ist es gut, dass sich Menschen zusammenfinden, die die Sache eint. Die Sache, die so einfach und doch so schwierig ist: Gerechtigkeit und Frieden für alle auf diesem Planeten.


Über die Denkschmiede des Bundesministeriums der Verteidigung

Rede von Gerhard Jenders beim Ostermarsch Waldbröl, 21.04.2003

Ich möchte etwas sagen zu dem Haus, vor dem wir heute stehen, und dem, was dort gemacht wird. Den meisten wird bekannt sein, dass dieses Haus Teil von Robert Leys Plänen für ein Groß-Waldbröl in der Nazi-Zeit war. Hier war ein KdF-Hotel, an den grässlich-kitschig-hässlichen Mosaiken im Innern kann man den geistigen Horizont der Erbauer ablesen. Nach einer vorübergehenden Nutzung als Krankenhaus hat sich hier die Bundeswehr eingerichtet. Zuerst war hier die "Schule für psychologische Verteidigung", die dann großspurig in "Akademie für Kommunikation" umbenannt wurde, jetzt sich hier das "Zentrum für Analysen und Studien", das vor etwas mehr als einem Jahr noch "Amt für Studien und Übungen" hieß. Studien und Übungen - das hört sich doch interessant an. Angesichts der geistigen Ergüsse, die wir zum Beispiel während des Kosovo-Krieges vom damaligen Verteidigungsminister zu hören bekamen, wären Studien und Übungen sicher nicht verkehrt. Doch lassen wir die Verantwortlichen selbst zu Wort kommen: (Ich zitiere aus der Internet-Seite der Bundeswehr) Unter der Überschrift "Think Tank der Bundeswehr" heißt es dort:

"Zentrum für Analysen und Studien der Bundeswehr heißt seit dem 1. Februar 2002 das ehemalige Amt für Studien und Übungen der Bundeswehr in Waldbröl. Geändert hat sich nicht nur der Name, vielmehr entsteht dort eine Denkschmiede, die das Bundesministerium der Verteidigung in Berlin und Bonn unterstützt, die Zukunft der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gestalten."

Kleine Zwischenbemerkung: Das Modewort "Think Tank" bezeichnet eigentlich eine Arbeitsgruppe, in der die besten Köpfe zusammensitzen. Doch "Tank" heißt auch "Panzer", und wenn die dort oben Tank sagen, dann meinen die auch Panzer, wie wir sehen werden. Einen Panzer, der mit alten Konzepten militärischer Gewalt moderne Ansätze zu friedlicher Zusammenarbeit niederwalzt.

Weiter in der Selbstdarstellung der Bundeswehr: "... Das neue sicherheitspolitische Umfeld nach dem Ende des Kalten Krieges, Deutschlands wiedergewonnene volle Souveränität im Zusammenhang mit seiner deutlich gewachsenen Verantwortung für Sicherheit haben die Anforderungen an die deutschen Streitkräfte und ihre Leistungsträger drastisch verändert...

Jüngstes Produkt der Denkarbeit des ZASBw ist die Studie "Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologie im 21. Jahrhundert". In ihr sind die Teilergebnisse der 3 Arbeitsgruppen Streitkräftefähigkeiten, Internationale Entwicklung und Rüstung aufbereitet und zusammengefasst. Auch wenn die zeitliche Perspektive des Werkes deutlich jenseits des Zeitrahmens der derzeitigen Bundeswehrplanung liegt, ist eines klar: Die Erkenntnisse werden die Anpassung der Streitkräfte an die gewachsene internationale Verantwortung beeinflussen." Zitat Ende.

Große Pläne werden also in der Denkschmiede geschmiedet - da gab es schon einmal Leute, die in Waldbröl und von Waldbröl aus große Pläne für Deutschland hatten. Ob hier der "Geist des Hauses" mitgehämmert hat?

Schauen wir mal in die Studie hinein, auf die die Leute in diesem Hause so stolz sind. Es ist ein Werk von etwa 1000 Seiten, aus dem nur Auszüge der Öffentlichkeit zugänglich sind. Da ist die Rede davon, welche Waffenarten beschafft werden sollen, von Strukturveränderungen in der Bundeswehr, sogar von "Operationen in den, im und aus dem Weltraum".

Was will man damit erreichen? Es geht nicht mehr um die Landesverteidigung in der bekannten Form (Nach dem Motto: Wenn die Russen kommen, müssen wir uns wehren), auch von der Nato ist nicht die Rede. Es wird eine Bedrohungs-Szenario aufgebaut, bei dem Deutschland durch Konflikte in fernen Ländern bedroht wird. Nun könnte man ja klug sein und Konfrontationen durch gewaltfreie Präventionsmaßnahmen vermeiden - am einfachsten durch faire wirtschaftliche Zusammenarbeit, durch Bildung und Entwicklung. Aber wie schon der Psychologe Watzlawik sagte: "Wer als einziges Werkzeug einen Hammer hat, für den sind alle Probleme Nägel", so kommt der Think Tank auch nur auf den Gedanken, mit Hilfe der Spionage einzelne Akteure zu überwachen und dann den Hammer bereitzuhalten. In der Studie liest sich das so: "Es wird empfohlen, insbesondere derartige Fähigkeiten der Bundeswehr zu untersuchen und gegebenenfalls herbeizuführen, die zur Abwehr von Bedrohungen bis in deren Herkunftsräume wirken können."

Zwischenbemerkung: bis in deren Herkunftsräume - das bedeutet nicht Landesverteidigung, sondern Strafexpeditionen der Bundeswehr wie seinerzeit die Kanonenbootpolitik von Kaiser Wilhelm - das ist auch das Gedankengut, mit dem Hitler die Überfälle auf Deutschlands Nachbarländer begründet hat. Wirkt hier der "Geist des Hauses"?

Aber der Hammer wird nicht nur zur Abwehr eingesetzt: "Darüber hinaus sollte in diesem Zusammenhang - angesichts möglicher Risiken des Einsatzes von Massenvernichtungsmitteln oder der Herbeiführung von Katastrophen mit vergleichbarem Ausmaß - über das Problem präventiver, auch militärischer Optionen entschieden werden"(Punkt I.2.2.2.4).

Präventive militärische Maßnahmen - das ist genau das, was Bush zur Zeit im Irak macht und was er als nächstes Syrien und dem Iran androht!

Wie glaubwürdig ist die Antikriegshaltung der Bundesregierung, wenn hier eigene Pläne für Deutschland geschmiedet werden, die in dieselbe Richtung gehen?

Dass wir uns heute hier stehen, dass die Menschen gegen die Großmachtpläne aufbegehren - das haben die Strategen bedacht. Deshalb wollen sie "auf die folgenden Fähigkeiten in den nächsten Jahren in der Operationsführung sowie in der Forschung und Entwicklung ein besonderes Augenmerk ... legen:... defensive und offensive Medienoperationen zur Legitimation des eigenen Gewalteinsatzes "(Punkt I.2.3.2.9) - auf gut Deutsch: Propagandafeldzüge zur Verteufelung des "Gegners". Wie so etwas aussieht, haben wir im Vorfeld und während des Irak-Krieges täglich mitbekommen. Diesmal waren unsere Medien ansatzweise kritisch und haben nicht alles übernommen, was von der US-Armee oder von CNN kam, aber wenn dann "unsere Jungs" im Einsatz sind, soll es wohl auch bei uns gleichgeschaltete Fernseh-Berichte geben, Spielfiguren mit den tollen Typen von Spezialkommando der Bundeswehr und vielleicht rührselig-heldenhaftig-kitschige Filme über das Schicksal der tapferen Soldatin Gabi - ganz im Stil der Mosaike des Hauses dort oben!

Leider sind die Autoren der Studie nicht irgendwelche Spinner, die man dort drinnen in Ruhe lassen sollte, damit sie woanders keinen Schaden anrichten. Nein - der Verteidigungsminister Struck hat die Denkrichtung übernommen, als er Anfang des Jahres davon sprach, dass "Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt" wird. Im Mai werden die neuen "Verteidigungspolitischen Richtlinien" der Bundeswehr beschlossen, und es sieht ganz so aus, als solle es in die Richtung gehen, die hier aus Waldbröl vorgegeben wurde. Der Umbau der Bundeswehr von der reinen Landesverteidigung zu einer schnell einsetzbaren Interventionstruppe - nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zum Angriff! - wird uns als "Modernisierung" verkauft. Was daran modern sein soll, ist mir schleierhaft: Es steht die alte Politik des Großmachtstrebens dahinter, die schon Kaiser Wilhelm und Adolf Hitler verkündet haben und die zweimal im Krieg endete. Von diesem alten Denken haben wir genug! Wir wollen eine neues Denken, dass die Ursachen von Gewalt, Krieg und Terror beseitigt, indem es einen Ausgleich zwischen Arm und Reich fordert, eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, in der nicht der Profit einzelner, sondern die Lebensinteressen aller Menschen im Mittelpunkt stehen. Wo das gemacht wird, da können wir Herrn Struck sogar zustimmen: Deutschlands Sicherheit wird in Nicaragua auf der Insel Ometepe verteidigt - von OberbergerInnen, die dort helfen, Gesundheit, Bildung und Entwicklung aufzubauen; Deutschlands Sicherheit wird in Bangladesh verteidigt - von OberbergerInnen, die mit ihrem Verein Lichtbrücke dort helfen, Not zu lindern. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen. Doch sie haben eines gemeinsam: Sie brauchen keine Soldaten und keine Bundeswehr-Think-Tanks, sondern Menschen mit sozialer Verantwortung und gesundem Menschenverstand. Viel mehr wäre möglich, wenn das Geld, was für neue Studien und für neue Waffen verschwendet wird, zur Unterstützung von Entwicklungsprojekten und zur gewaltfreien Krisenprävention genutzt würde. Ganz konkret möchte ich vorschlagen, dieses Haus nach dem Auszug der Bundeswehr nichtstaatlichen Projekten der Entwicklungsarbeit zur Verfügung zu stellen - und dafür auf eines der neuen Waffensysteme zu verzichten. Vielleicht kann dann ein neuer Geist in das Haus einziehen!

Quelle: www.friedenskooperative.de