Berlin, 15.5.2004, 'Es reicht!' - Protest der 20.000 RentnerBilder

SoVD fordert: Soziale Härten der Gesundheitsreform abfedern

SoVD-Presseerklärung vom 11.5.2004

SoVD-Präsident Adolf Bauer erklärt zur Protestkundgebung „Gegen soziale Demontage – für soziale Gerechtigkeit“ am 15. Mai: Wir werden am 15. Mai vor dem Brandenburger Tor gegen die unsozialen Reformen der Bundesregierung demonstrieren. Zu der Protestkundgebung erwarten wir rund 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet. An der Kundgebung beteiligt sich auch die Volkssolidarität. Die Belastungen durch die Gesundheitsreform und die jüngsten Rentenreformen sind für viele Rentner unerträglich hoch. Wir protestieren dagegen, dass Betriebsrentnern mit dem vollen Krankenversicherungsbeitrag ein Sonderopfer abverlangt wird. Wir werden diese Regelung durch Musterklagen zu Fall bringen. Es sind bereits acht Musterklagen des SoVD vor den Sozialgerichten anhängig. Wir wehren uns gegen eine Gesundheitsreform, die die gesetzliche Krankenversicherung in ihrer Substanz angreift: Der Zugang zu notwendigen medizinischen Leistungen ist nicht mehr für alle Versicherten gewährleistet. Es geht nicht nur um die Praxisgebühr und die höheren Zuzahlungen für Arzneimittel. Die größte finanzielle Belastung entsteht durch die nicht verschreibungspflichtigen Medikamente, die die Krankenkassen nicht mehr übernehmen. In der Regel müssen chronisch Kranke 30 bis 50 Euro monatlich allein für verschreibungsfreie Medikamente aufbringen. In manchen Fällen sind es sogar 70 Euro und mehr. Diese Kosten müssen auch dann selbst getragen werden, wenn die Belastungsgrenze von ein bzw. zwei Prozent des Bruttoeinkommens erreicht wird und eine Befreiung von Zuzahlungen erfolgt. Besonders hart trifft es Menschen, die in Pflege- oder Behinderteneinrichtungen leben und Leistungen vom Sozialamt erhalten. Sie müssen von ihrem Taschengeld, das monatlich 80-90 Euro beträgt, Praxisgebühr, Zuzahlungen und verschreibungsfreie Medikamente bezahlen. Das ist unzumutbar. Wir fordern: Das Existenzminimum darf nicht angetastet werden. Wir fordern daher als Sofortmaßnahme für Personen mit geringem Einkommen (Grundsicherungsniveau) eine Härtefallregelung, d. h. eine Befreiung von der Zuzahlungspflicht und die Gewährung folgender Leistungen: Vom Arzt verordnete, verschreibungsfreie Arzneimittel, Zahnersatz sowie Brillen und notwendige Fahrten zur ambulanten Behandlung.

V.i.S.d.P.: Dorothee Winden


Quelle: http://www.presseportal.de


Es reicht! Wir fordern einen Kurswechsel in der Sozialpolitik!

SoVD-Presseerklärung vom 15.5.2004

SoVD-Präsident Adolf Bauer erklärt anlässlich der heutigen Protestkundgebung "Gegen soziale Demontage - für soziale Gerechtigkeit" am Brandenburger Tor:

Wir protestieren heute am Brandenburger Tor gegen den schärfsten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik. Wir wehren uns gegen die Renten- und Gesundheitsreformen, die Rentner, Kranke, behinderte und pflegebedürftige Menschen besonders stark belasten.

Zu der Protestkundgebung erwarten wir 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet. 140 Busse mit SoVD-Mitgliedern und 81 Busse mit Mitgliedern der Volkssolidarität rollen auf Berlin zu.

Wir sind bereit zu Reformen, aber die Belastungen müssen gerecht verteilt werden. Die Bundesregierung belastet aber mit ihren Reformen vor allem die sozial Schwachen. Dagegen wehren wir uns! Es reicht! Wir fordern die Bundesregierung zu einem Kurswechsel in der Sozialpolitik auf. Wir erwarten von dieser Regierung mehr soziale Gerechtigkeit.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die anhaltend hohe Massenarbeitslosigkeit entschiedener zu bekämpfen. Denn die Arbeitslosigkeit ist die Hauptursache der aktuellen Finanzprobleme der sozialen Sicherungssysteme. Wir wehren uns mit aller Kraft gegen die Einführung des Arbeitslosengeldes II (Hartz IV). Damit wird kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, sondern es werden Menschen bestraft, die unverschuldet arbeitslos geworden sind.

Auch wir haben die Ergebnisse der Steuerschätzung zur Kenntnis genommen, die weitere Milliardenlöcher in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen prognostiziert. Aber wir sagen mit aller Klarheit: Bei den kleinen Leuten ist nichts mehr zu holen! Die Grenze der Belastbarkeit ist längst überschritten. Weitere Kürzungen und Einsparungen auf Kosten von Geringverdienern, Kleinrentnern, Behinderten, Pflegebedürftigen und Arbeitslosen darf es nicht geben!

An die Adresse von Merz und Merkel sagen wir: Wer weitere soziale Einschnitte fordert, ist blind für die Lage der Menschen im Land. Die Realität sieht doch so aus, dass Sozialhilfeempfänger kaum Aussicht auf einen Job haben. Ihnen dann noch das Existenzminimum kürzen zu wollen, ist verantwortungslos.

V.i.S.d.P.: Dorothee Winden

Quelle: http://www.presseportal.de


Für den Erhalt des sozialen Friedens in Deutschland

Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) bei der Protestkundgebung am 15. Mai 2004 in Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Gäste, liebe Freunde im Sozialverband Deutschland,

als Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) darf auch ich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer heutigen Großkundgebung in der Hauptstadt Berlin herzlich willkommen heißen.

Aus allen Teilen der Bundesrepublik sind Sie heute zu uns gekommen. Gemeinsam wollen wir mit aller Entschlossenheit gegen eine Politik der Bundesregierung protestieren, die die „kleinen Leute“ immer stärker belastet und die Reichen schont.

Hier und heute wehren wir uns gegen den schärfsten Sozialabbau, den die Bundesrepublik Deutschland je erlebt hat und den diese Bundesregierung entgegen ihren Versprechungen eingeleitet hat. Wir wehren uns gegen eine immer stärkere Belastung von Arbeitnehmern und Rentnern, von Arbeitslosen, kranken, behinderten und pflegebedürftigen Menschen. Wir wehren uns gegen eine immer stärkere einseitige Verteilung von Reichtum und gegen die Spaltung der Gesellschaft durch Massenarbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung.

Wir im SoVD haben mit unserem jahrzehntelangen Einsatz diesen Sozialstaat Deutschland mit aufgebaut und wir werden mit allen demokratischen Mitteln für seinen Erhalt kämpfen.

Wir dürfen und wir werden es niemals zulassen, dass bewährte Arbeitnehmerrechte und die solidarischen und sozialen Sicherungssysteme als Stützpfeiler unserer sozialstaatlichen Ordnung auf dem Altar einer neoliberalen Wirtschaftspolitik geopfert werden.

Natürlich wissen wir, dass die Globalisierung der Märkte und die schwierige Arbeitsmarktsituation Veränderungen notwendig machen.

Der SoVD war und ist stets zu fortschrittlichen Sozialreformen bereit. Aber, sehr geehrter Herr Bundeskanzler Schröder, wir sehen keine Reformen. Was wir sehen ist eine gewaltige Demontage von Sozialleistungen in nie da gewesenem Umfang, den wir nur noch als sozialen Raubbau bezeichnen können.

Unsere Gesellschaft darf nicht saniert werden auf dem Rücken der Schwächsten und damit derjenigen, die sich am wenigsten wehren können und unseres Schutzes bedürfen (nämlich Arbeitslose, Rentner, Sozialhilfeempfänger, kranke, behinderte und pflegebedürftige Menschen).

Wir fragen Bundeskanzler Schröder: Welche sozialstaatlichen Grundsätze gelten eigentlich noch in einer sozialdemokratischen Partei, wenn unter Reformen nur noch Sozialabbau zu Lasten der kleinen Leute verstanden wird?

Aber wir fragen auch die CDU: Welche sozialstaatlichen Grundsätze gelten noch in einer christlich-demokratischen Partei, die diesen Sozialabbau mit trägt und vielleicht noch verschärfen will?

Sehen Sie nicht, Herr Bundeskanzler, dass dieser Sozialabbau einhergeht mit wachsender Massenarbeitslosigkeit? Sehen Sie nicht, Herr Bundeskanzler, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird?

Wir wollen in der Bundesrepublik Deutschland nicht zurück zu einer Klassengesellschaft und wir müssen die Probleme des 21. Jahrhunderts meistern, indem wir Reformen einleiten, die auf der Grundlage von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit von der großen Mehrheit der Bevölkerung auch mit getragen werden.

Arbeitnehmer und Rentner haben erhebliche Vorleistungen zur Haushaltskonsolidierung erbracht. Aber es ist ein himmelschreiendes Unrecht, wenn sie sich auf Dauer mit real sinkenden Einkünften abfinden sollen, während die Einkommen der Manager und Unternehmensvorstände ins Unermessliche steigen.

Wir werden mit den Gewerkschaften eine Arbeitsmarktpolitik bekämpfen, die immer stärker einseitig die Unternehmen und hohen Einkommen entlastet und der Arbeitnehmerschaft zumutet, sich mit mehreren Minijobs am Existenzminimum zu halten. Wir plädieren für menschenwürdige Arbeit und eine nachhaltige Stärkung der Kaufkraft. Wir fordern eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte statt deren Abbau. Mit dem Abbau von Kündigungsschutzbestimmungen wird nicht ein Arbeitsplatz geschaffen, wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat.

Für uns ist ganz klar: Wir wollen keinen Wettbewerb um die niedrigsten Löhne, keinen Wettbewerb um die geringsten Arbeitnehmerrechte, keinen Wettbewerb um die niedrigsten Steuern für hohe Einkommen.

Die Menschen in Deutschland spüren sehr genau, dass etwas faul in unserem Staate ist, wenn einerseits das Niveau der Einkommen und Renten immer dramatischer abfällt und andererseits die Monatsgehälter von Unternehmensvorständen sechsstellige Eurosummen erreichen.

Es ist etwas faul in unserem Land, wenn Betriebe Insolvenz anmelden müssen und die Großbanken sich schadlos halten – während mittelständische Betriebe, Arbeitnehmer und Kleinaktionäre um ihre Existenz, um ihren Lohn, um ihre Ersparnisse und Altersrücklagen bangen müssen – wie z.B. hier in und um Berlin bei der Insolvenz des Konsum über 150.000 Menschen den Verlust ihrer Einlagen und damit ihrer Ersparnisse und Altersrücklagen befürchten !

Die Menschen in Deutschland haben genug davon, dass Politiker und Superreiche unserer Bevölkerung, in der Armut wächst, Wasser predigen und selbst süßesten Wein trinken.

Wir haben auch kein Verständnis dafür, wenn Politiker jeden Tag neue Hiobsbotschaften und Einschnitte bei den sozialen Leistungen verkünden und dann auch noch der Bevölkerung vorwerfen, es würde zuviel gespart.

Wir sagen diesen Damen und Herren: die Arbeitnehmer und Rentner handeln verantwortungsbewusster als ihr, wenn sie ihr Geld zusammenhalten, um morgen noch über die Runden zu kommen.

So genannte Reformen, die Arbeitnehmer, Arbeitslose und Rentner bestrafen, sind weder mutig noch geeignet, die strukturellen Probleme in Deutschland zu lösen. Wir brauchen und wir fordern Reformen, die die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest machen und die vor allem die Kaufkraft und die Binnennachfrage stärken.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die auch im europäischen Vergleich hohe Massenarbeitslosigkeit endlich massiv zu bekämpfen. Sie ist die Hauptursache unserer wirtschaftlichen und sozialen Probleme. Ohne den Abbau der Arbeitslosigkeit wird es in Deutschland nicht vorangehen. Sie gefährdet die großen Sozialversicherungssysteme und spaltet die Gesellschaft.

Wir warnen zugleich vor einer Schönfärberei bei der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetzgebung. Mit dieser Gesetzgebung hat sich die Bundesregierung nunmehr endgültig auf die Seite der Unternehmen gestellt und lässt die Arbeitnehmer im Regen stehen.

Die Hartz-Gesetze werden keine wirtschaftspolitischen Impulse setzen, aber sie schränken in gewaltigem Umfang Arbeitnehmerschutzrechte ein und verschlechtern die Leistungen im Falle der Arbeitslosigkeit für viele Menschen dramatisch.

Liebe Freunde im SoVD und befreundete Organisationen, wir wollen keinen Arbeitsmarkt, in dem allein Mini-Jobs und Niedriglöhne auf dem Vormarsch sind. Wir plädieren für menschenwürdige Arbeit und den Erhalt und den Ausbau normalversicherungspflichtiger Beschäftigungen. Wir wollen kein Arbeitslosengeld II und kein Modell Hartz IV, das unverschuldet arbeitslose Menschen nach einem Jahr bestraft und in große wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt und das Hunderttausende ganz vom Leistungsbezug ausgrenzt !

Wir rufen den Politikern, den Unternehmern und ihren Managern zu: Predigt nicht der Bevölkerung einen immer stärkeren Verzicht und scheffelt euch selbst die Taschen voll. Verzicht muss immer zuerst bei denen beginnen, die ihn sich tausendfach leisten können.

Wir halten es für einen Skandal, dass 40 % aller Unternehmen in Deutschland keinen Arbeitnehmer über 50 Jahre beschäftigen. Und wir halten es erst Recht für einen Skandal, dass über 75 % der Unternehmen in Deutschland ihrer Ausbildungsverpflichtung gegenüber jungen Menschen nicht nachkommen. Wir unterstützen mit Nachdruck eine Ausbildungsplatzabgabe, denn: Wer nicht ausbilden will, muss zahlen!

Hier und heute erinnern wir die Arbeitgeber an den Verfassungsgrundsatz, dass Eigentum verpflichtet. Wir appellieren an sie: Schließt mit den Arbeitnehmern einen Beschäftigungspakt, statt mit Abwanderungserklärungen nach Osteuropa das Prinzip Hoffnungslosigkeit zu vermitteln. Die Menschen in Deutschland sind zu großen Anstrengungen bereit, aber wir lassen uns nicht verschaukeln!

Von der Bundesregierung erwarten wir eine aktive Beschäftigungspolitik und umfassende Maßnahmen zum Abbau von Schwarzarbeit und Überstunden. Wir sprechen uns aus für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine scharfe Bekämpfung der Wirtschafts- und Steuerkriminalität.

14 Tage nach der Osterweiterung der Europäischen Union haben die Menschen in Deutschland zu Recht Angst vor Lohn- und Sozialdumping. Das nochmals gewachsene Europa darf kein Europa der Armutslöhne und des Ellenbogenkapitalismus werden.

Wir wollen kein Europa der Konzerne, sondern das gemeinsame Europa muss allen Menschen dienen.

Herr Bundeskanzler, zur Osterweiterung der Europäischen Union haben sie einmal formuliert: Arbeit zu Schleuderpreisen nutzt nur den Ausbeutern! Sie haben Recht, Herr Bundeskanzler, aber handeln sie auch danach!

Der Sozialstaat Deutschland muss erhalten und fortentwickelt werden. Wir wollen keinen Staat, in dem die Bosse von Großkonzernen die Richtlinien der Politik bestimmen und immer mehr Menschen mit Billiglöhnen und drastisch gekürzten Renten ihr Dasein am Existenzminimum fristen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Mitglieder im SoVD und befreundeter Organisationen, für viele Menschen in Deutschland werden jetzt die durchgreifenden Leistungseinschnitte in der Krankenversicherung deutlich, die mit dem Gesundheits-Modernisierungsgesetz am 1.1.2004 in Kraft getreten sind.

Entgegen den ersten Versprechungen von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wird mit dieser so genannten Gesundheitsreform eine Politik fortgesetzt, die in unsolidarischer Weise einseitig die Patienten und Versicherten belastet. Wir haben uns gegen das In-Kraft-Treten dieses Gesetzes vehement zur Wehr gesetzt und wir werden dies auch weiter tun.

Dieses Gesundheits-Modernisierungsgesetz ist nichts anderes als eine Streichorgie zu Lasten kranker, chronisch kranker, pflegebedürftiger und älterer Menschen und trägt erheblich zur Entsolidarisierung der sozialen Krankenversicherung bei. Die Patienten und Versicherten müssen stark erhöhte Zuzahlungen für Arzneimittel und Arztbesuche hinnehmen und künftig Leistungen wie Sehhilfen und notwendige Fahrtkosten selbst bezahlen.

Ab 2005 wird ihnen der Zahnersatz und ab 2006 auch das Krankengeld allein aufgebürdet. Gewinner dieser so genannten Reform sind in erster Linie die Unternehmen. Gewinner sind aber auch die Pharmaindustrie, die Ärzte und die Krankenkassen.

Wir stellen fest: Mit diesem Gesundheits-Modernisierungsgesetz wurde die gesetzliche Krankenversicherung keineswegs modernisiert, sondern in ihren Kernleistungsbereichen dramatisch zusammengestrichen!

Wir werden die Folgen dieser verfehlten Gesundheitspolitik deutlich aufzeigen. Wir werden es niemals hinnehmen, dass pflegebedürftige Heimbewohner, chronisch kranke und schwerstbehinderte Menschen von diesen Belastungen existenziell getroffen werden.

Und wir können kein Verständnis dafür haben, dass die notwendigen strukturellen Maßnahmen – wenn überhaupt – nur äußerst zögerlich eingeleitet werden.

Wir wehren uns gegen eine Zwei- oder Dreiklassenmedizin. Wir wehren uns gegen eine schlechtere Behandlung von Kassenpatienten, obwohl diese ganz überwiegend die Leistungen mit ihren Beiträgen finanzieren. Und wir wehren uns – meine Damen und Herren – mit unserer ganzen Kraft gegen eine unerträgliche öffentliche Diskussion, die älteren Menschen eine umfassende medizinische Versorgung versagen will.

Wir fordern eine Trendwende in der Gesundheitspolitik. Wir wollen eine wirkliche Gesundheitsreform, die Leistungsdefizite beseitigt und strukturelle Fehlentwicklungen korrigiert.

Nach unserer Auffassung muss die Solidargemeinschaft der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung gestärkt und nicht immer wieder geschwächt werden. Deswegen setzt sich der SoVD ein für die Fortentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung, in die alle Erwerbstätigen einzahlen. Statt Reformen auf dem Rücken der Kranken und der Beschäftigten brauchen wir mehr Solidarität, Qualität und Effizienz im Gesundheitswesen. Hierfür werden wir nicht aufhören zu kämpfen.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde,

die soziale Demontage der Bundesregierung erreicht mit den Rentenkürzungsgesetzen einen weiteren traurigen Höhepunkt. Sie bedeuten eine bisher beispiellose Abstrafung der Rentnerinnen und Rentner, die diesen Staat nach dem 2. Weltkrieg mit aufgebaut haben und die sich ihre Rente schwer verdient haben.

Mit der von der Bundesregierung beabsichtigten dramatischen Absenkung des Rentenniveaus und der Aufgabe jeglichen Sicherungsziels in der Rentenversicherung wird aber auch für die jüngeren Versicherten das Prinzip Hoffnungslosigkeit verkündet. Viele jüngere Versicherte werden aufgrund Arbeitslosigkeit oder auch geringen Einkommens überhaupt keine Chance haben, diese Leistungskürzungen durch eigene private Vorsorge auszugleichen.

Wir wehren uns gegen
  • die Verdoppelung der Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten,
  • die Verdoppelung des Pflegeversicherungsbeitrags der Rentner,
  • die Nullrunde in diesem Jahr und in den Folgejahren,
  • die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors,
  • die Vollbesteuerung der Renten,
  • die Streichung der Berücksichtigung von Ausbildungszeiten.
Diese und viele weitere belastenden Maßnahmen leiten den Ausverkauf der gesetzlichen Rentenversicherung ein und werden mit Sicherheit zu einer neuen Altersarmut führen.

Herr Bundeskanzler Schröder und Frau Bundessozialministerin Schmidt, werte Damen und Herren Abgeordnete des deutschen Bundestages: So kann man mit den Menschen in Deutschland nicht umgehen. Das haben die Arbeitnehmer und Rentner nicht verdient. Diese Rentenpolitik nimmt den Menschen in unserem Lande den letzten Rest an Zuversicht.

Wir haben genug davon, dass Politiker ein Rentenversicherungssystem zusammenstreichen, auf das sie selbst nie angewiesen sind.

Wir lehnen es ab, wenn ein Durchschnittsverdiener zukünftig nur noch eine Rente auf Sozialhilfeniveau erhalten soll.

Wir wehren uns dagegen, dass Nullrunden und Minusrunden für die Rentnerinnen und Rentner zur Regel werden sollen.

Unsere Renten sind kein Almosen, sondern Lohn für Lebensleistung. Unsere Renten sind eigentumsgeschützt und wir werden sie mit aller unserer Kraft verteidigen. Der Sozialverband Deutschland hat ein verfassungsrechtliches Gutachten in Auftrag gegeben und wird gegen die geplanten Rentenkürzungen bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Unsere ersten Klagen vor den Sozialgerichten laufen bereits. Wir werden es nicht hinnehmen, dass Rentnerinnen und Rentner für eine Renten- und Haushaltspolitik bluten müssen, die sie nicht zu verantworten haben.

Der vorprogrammierte dramatische Verfall des Rentenniveaus nutzt weder jüngeren noch älteren Versicherten. Wir wollen keine permanente Schwächung, sondern eine Stärkung unseres wichtigsten Alterssicherungssystems, auf das die Bevölkerung nach wie vor ganz überwiegend angewiesen ist.

Wir fordern eine ehrliche Rentenpolitik. Wir halten es für unredlich und verlogen, wenn der Bevölkerung die tiefen Renteneinschnitte immer nur mit der demographischen Entwicklung erklärt werden.

Wir alle wissen: Ursache der Finanzprobleme in der Rentenversicherung ist und bleibt in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit.

Wir fordern ein Ende dieser Rentenpolitik. Wir verlangen von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zum System der Rentenversicherung. Wir wollen in der Rentenversicherung Strukturreformen statt Rentenabbau. Unsere Forderungen an die Politiker lauten:

1. Bekämpft die Arbeitslosigkeit! Dann werden auch die Finanzen der Rentenversicherung stimmen!

2. Keine weitere Sanierung des Bundeshaushalts auf Kosten der Rentenversicherung! Haltet eure Hände aus den Rentenkassen! Sorgt für einen verlässlichen und ausreichenden Bundeszuschuss in Höhe von dauerhaft 25 Prozent der Rentenausgaben!

3. Die Bundesregierung muss die betriebliche Altersversorgung als 2. Säule stärken und nicht kürzen. Wir wollen eine verpflichtende betriebliche Altersversorgung, von Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch finanziert!

4. Die gesetzliche Rentenversicherung braucht eine starke Solidargemeinschaft. Deshalb fordern wir ihre Fortentwicklung zu einer Erwerbstätigenversicherung mit der Einbeziehung aller Berufstätigen.

Darüber hinaus ist es fast 15 Jahre nach Vollendung der deutschen Einheit nunmehr dringend erforderlich, die Versprechungen zur vollständigen Angleichung der Renten in Ostdeutschland endlich einzulösen.

Herr Bundeskanzler, wir rufen Ihnen zu: Die Rentnerinnen und Rentner sind nicht die Melkkühe der Nation! Die Rentnerinnen und Rentner sind vielleicht alt, aber sie vergessen nicht! Und die Rentnerinnen und Rentner haben eine starke Lobby, wie wir am heutigen Tag feststellen können!

Sehr geehrte Damen und Herren, von dieser heutigen weiteren Protestveranstaltung des SoVD geht unser eindringlicher Appell an die Bundesregierung, die Politik der sozialen Demontage zu beenden. Wir fordern Reformen, die ermutigen und nicht entmutigen.

Den Politikern rufen wir zu: Greift nicht die Sozialverbände und ihre Mitstreiter an! Kümmert euch lieber um die, die sich in diesem Land zu Unrecht bereichern und egoistisch allein ihre Interessen verfolgen.

Viele hundert Milliarden Euro könnten für fortschrittliche Sozialreformen zur Verfügung stehen, wenn Steuerflucht, Steuerhinterziehung, Schattenwirtschaft und öffentliche Verschwendung gestoppt würden.

Wir brauchen eine neue Moral der Unternehmer und nochmals verstärkte Anstrengungen, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Nicht der kurzsichtige Gewinn für einige Aktionäre, sondern eine verlässliche und nachhaltige Beschäftigungspolitik entscheidet über den Erfolg eines Unternehmens.

Die Bundesregierung propagiert die Agenda 2010 unter dem Motto: Deutschland bewegt sich. Aber Herr Bundeskanzler Schröder, wir sagen Ihnen hier und heute: Deutschland muss sich auch in die richtige Richtung bewegen! Deutschland und Europa müssen allen Menschen dienen. Mit sozial gerechten Reformen müssen wir vor allem den „kleinen Leuten“ eine Zukunft bauen und nicht die Superreichen noch reicher machen.

Wir lassen uns den Klassenkampf von oben nicht gefallen. Wir wollen, dass unser Land nicht ständig von denen schlecht geredet wird, die am wenigsten zum Sozialstaat beitragen, aber am meisten davon profitieren.

Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf: Unterstützt unseren Kampf für Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Kämpfen wir gemeinsam für den Erhalt und die fortschrittliche Weiterentwicklung unseres Sozialstaats und damit für den Erhalt des sozialen Friedens in Deutschland.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Quelle: www.presseportal.de


Wir wehren uns gegen Sozialabbau, weil die Schwächsten auf der Strecke bleiben

Presseerklärung Bundesverbands Volkssolidarität vom 15.5.2004

Zur heutigen Protestkundgebung des Sozialverbandes Deutschland( SoVD), an der sich die Volkssolidarität beteiligt, erklärt der Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität, Dr. Bernd Niederland

Die Volkssolidarität setzt mit ihrer aktiven Beteiligung an der Protestkundgebung am Brandenburger Tor ein klares Zeichen an die Politik.

Tausende von Mitgliedern aus den neuen Bundesländern und Berlin protestieren heute gegen Sozialabbau und für soziale Gerechtigkeit zusammen mit tausenden Mitgliedern des SoVD. Diese Gemeinsamkeit ist positiv, zeigt aber auch, wie ernst die Lage vor allem für viele Ältere ist.

„Noch nie – so der Präsident der Volkssolidarität, Prof. Gunnar Winkler in seinem Grußwort – wurden in kürzester Zeit so viele Eingriffe in den Lebensstandard der älteren Generationen vorgenommen.“ Er forderte eine Sozialpolitik, die diese Bezeichnung verdient. „Kürzungen und Nullrunden sind unsozial. Damit muss Schluss sein!“

Zu den Belastungen im Bereich der Renten kommen die erhöhten Kosten hinzu, die vor allem ältere Menschen durch Zuzahlungen für Medikamente, den Wegfall von Erstattungen durch die Krankenkassen und die Praxisgebühr zu tragen haben. Die Anhäufung der Zumutungen führt für Rentnerinnen und Rentner zu realen Kürzungen ihrer Einkommen.

Mit der ab 2005 erfolgenden Absenkung der Rentenanpassungen durch einen „Nachhaltigkeitsfaktor“ sowie die „nachgelagerte Besteuerung“ der Renten sind bereits weitere Weichen für eine Reduzierung der Rentenleistungen gestellt. Davon werden zunehmend auch Jüngere betroffen sein.

Winkler erklärte dazu, dass die Volkssolidarität „eine neue Altersarmut“ nicht akzeptiert. Deshalb wendet sie sich vor allem gegen Minusrunden bei der Rente und die einseitige Belastung der Versicherten durch die „Gesundheitsreform“.

„Die Gegensätze liegen heute nicht zwischen jung und alt, sondern zwischen arm und reich“. Deshalb gehe es nicht ohne eine Umverteilung von oben nach unten. Eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die wieder Arbeitsplätze schafft, müsse dafür sorgen, dass „die Gewinne der Großunternehmen produktiv investiert und nicht an den Finanzmärkten verspekuliert werden“.

Die Volkssolidarität fordert zugleich „strukturelle Reformen, die den Sozialstaat stärken und zukunftsfähig machen“. Dazu gehören die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung bei der gesetzlichen Rente sowie eine solidarische Ausgestaltung der gesundheitlichen Versorgung durch eine Bürgerversicherung.

Mit Blick auf die Situation in den neuen Bundesländern setzte sich der Präsident der Volkssolidarität für neue Initiativen ein, damit sich die Unterschiede Ost-West nicht weiter vertiefen. Dazu müsse ein „Soziales Infrastrukturprogramm“ auf den Weg gebracht werden, um funktionsfähige Netze sozialer und sozio-kultureller Dienstleistungen für eine älter werdende Bevölkerung zu sichern.

Winkler plädierte für einen Fahrplan, „wie annähernd gleiche Lebensverhältnisse in allen Teilen unseres Landes erreicht werden können“. Gleichzeitig warnte er vor einer „Angleichung nach unten mit gleich schlechten Bedingungen für alle“. Gegen diese Entwicklung „müssen wir uns in Ost und West gemeinsam wehren“.

V.i.S.d.P: Dr. Bernd Niederland

Quelle: www.volkssolidaritaet.de


Gegen soziale Demontage - für soziale Gerechtigkeit

Grußwort des Präsidenten der Volkssolidarität, Prof. Dr. Gunnar Winkler, zur Protestkundgebung des SoVD am 15. Mai 2004

Liebe Freunde des Sozialverbandes Deutschland, Liebe Mitglieder und Freunde der Volkssolidarität,

nur gute 100 Meter von hier entfernt wurden im Deutschen Bundestag die umfangreichsten Maßnahmen zum Sozialabbau beschlossen, vor allem für ältere Bürger. Noch nie wurden in kürzester Zeit so viele Eingriffe in den Lebensstandard der älteren Generationen vorgenommen.

Mehrfach haben wir der Bundesregierung gesagt:
  • Wir sind für Reformen, aber sie müssen sozial gerecht sein.
  • Wir sind für Reformen, aber sie müssen für die Jungen und für die Alten menschenwürdige Lebenschancen bieten.
Diesen Anforderungen genügt die Reformpolitik der Bundesregierung nicht. Im Gegenteil – diese Art von „Reformpolitik“ verschärft die sozialen Gegensätze. Diese Politik ist auch nicht zukunftsfähig. Durch den Abbau des Sozialstaats werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Stattdessen werden Hunderttausende demnächst von der Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe gedrängt oder völlig ohne Hilfen leben müssen. Renten werden gekürzt und Gesundheitsleistungen verteuert. Es wird eine „neue Armut“ gefördert. Dagegen wehren wir uns, weil die Schwächsten auf der Strecke bleiben.

Der älteren Generation redet man ein, sie müsse Opfer bringen, damit die Jungen eine Chance bekommen. Versäumnisse bei Kindereinrichtungen, Schulen und Universitäten hat aber vor allem die Politik der verschiedenen Bundesregierungen zu verantworten. Wir sagen der Politik: Macht bitte nicht die ältere Generation zum Sündenbock für Eure Versäumnisse der Vergangenheit!

Es ist ein Skandal, dass ausgerechnet eine sozialdemokratische Regierung den Abschied von der lebensstandardsichernden Rente beschließt. Das haben die geschafft, die sich als die Erben von Willy Brandt betrachten.

Angeblich gibt es keine anderen Alternativen zu den Kürzungen. Wer jedoch bei den Besserverdienenden die Spitzensteuersätze absenkt und die Vermögenden verschont, ist für uns nicht glaubwürdig.

Die Gegensätze liegen heute nicht zwischen jung und alt, sondern zwischen arm und reich. Deshalb sagen wir: Ohne eine Umverteilung von oben nach unten wird es nicht gehen.

(1.) Unser Land braucht vor allem eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die wieder Arbeitsplätze schafft.

Die Arbeitslosigkeit von über 4 Millionen Menschen ist ein Krebsschaden, der die sozialen Sicherungen aushöhlt. Wirtschaftspolitik muss dafür sorgen, dass die Gewinne der Großunternehmen produktiv investiert und nicht an den Finanzmärkten verspekuliert werden. Es kann nicht sein, dass die Gewinne der Großen komplett privatisiert und die Kosten der Arbeitslosigkeit komplett vergesellschaftet werden.

(2.) Unser Land braucht strukturelle Reformen, die den Sozialstaat stärken und zukunftsfähig machen.

Für uns gehört dazu die schrittweise Einführung einer Erwerbstätigenversicherung bei der gesetzlichen Rente. Und für ein solidarisches Gesundheitssystem fordern wir eine Bürgerversicherung.

(3.) Unser Land braucht wieder eine Sozialpolitik, die diese Bezeichnung verdient.

Kürzungen und Nullrunden sind unsozial. Damit muss Schluss sein! Deshalb lehnen wir das Rentenreformpaket der Regierung entschieden ab. Wer jetzt schon die Renten bis zum Jahre 2040 in Richtung Sozialhilfe absenkt, der sägt damit am Ast der künftigen Alterssicherung für die Jungen. Die nächste Hiobsbotschaft ist schon im Gespräch – ohne dass sich der Bundeskanzler dagegen gewandt hat: Die „Nullrunde“ für 2005. Aber 2004 beweist: So genannte Nullrunden sind Minusrunden! Das wird 2005 und danach nicht anders sein! Eine solche Politik ist nichts anderes als soziale Demontage. Dagegen wehren wir uns, weil sie zukunftsfeindlich ist und die Gesellschaft spaltet.

(4.) Unser Land braucht funktionsfähige Netze sozialer Dienste und Dienstleistungen, um den Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft gerecht zu werden.

Die Volkssolidarität leistet hier eine wichtige Arbeit. Aus eigener Erfahrung sagen wir aber: Professionelle Strukturen und ehrenamtliche Tätigkeit können sich nur unter vernünftigen Rahmenbedingungen entwickeln. Der Druck des Marktes kann nicht ständig auf diejenigen abgewälzt werden, die die Betreuung und Pflege von hilfebedürftigen, älteren Menschen sowie von Kindern und Jugendlichen unter oft schwierigen Bedingungen leisten.

Der Kostendruck im sozialen Bereich ist nicht durch eine Abwanderung in die Slowakei oder nach Polen zu kompensieren: Menschen brauchen dort Pflege und Betreuung, wo sie zuhause sind. Und Menschen können nicht durch Maschinen betreut oder gepflegt werden, sondern nur durch Menschen, die dafür qualifiziert sind und sich dieser Aufgabe mit großem Engagement stellen. Die Volkssolidarität fordert daher ein öffentlich finanziertes „Soziales Infrastruktur-Programm“ in den neuen Bundesländern und Berlin – als ein Modellprojekt für ganz Deutschland.

(5.) Unser Land braucht aber auch Initiativen, damit die Unterschiede zwischen Ost und West nicht größer werden.

Wir kritisieren die Bundesregierung und ihre Agenda 2010 auch deshalb, weil sie mit ihrer Politik die Probleme der neuen Bundesländer und ihrer Menschen ignoriert. Damit muss Schluss sein – sonst könnte das Fass überlaufen. Zum „Aufbau Ost“ muss endlich wieder die soziale Dimension dazugehören.

Seit Mitte der neunziger Jahre leben wir mit einem Sockel von mehr als anderthalb Millionen Arbeitslosen zwischen Rügen und dem Erzgebirge. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen liegt über 40 Prozent. Und das, obwohl Hunderttausende, vor allem jüngere Leute, den Weg gen Westen gegangen sind. Minijobs und Billiglöhne sind der Alltag. Die Generation der über 50 – Jährigen hat kaum Chancen, sich durch Erwerbstätigkeit eine vernünftige Existenz zu sichern. Besonders benachteiligt sind ältere Frauen. Zunehmend kommen Jahrgänge in die Rente, die wegen Langzeitarbeitslosigkeit und Frühverrentung mit deutlich niedrigeren Renten auskommen müssen. Diese Entwicklung trifft auch immer mehr die Menschen in den alten Bundesländern.

Eine neue Altersarmut werden wir nicht akzeptieren – weder im Osten, noch im Westen. Deshalb wenden wir uns entschieden gegen die Beseitigung der Arbeitslosenhilfe, die Belastung der Versicherten durch die „Gesundheitsreform“ und die Minusrunden bei der Rente. Die Anhäufung der Belastungen ist unerträglich.

Für 93 Prozent der Rentner im Osten ist die gesetzliche Rente das einzige Alterseinkommen. Wer hier kürzt und gleichzeitig neue Belastungen schafft, hat offenbar keinen Bezug mehr zur Lebenswirklichkeit der Bürger. Und es bleibt ungerecht, dass ein Renten-Entgeltpunkt im Osten mit 12 Prozent weniger bewertet wird als in den alten Bundesländern. Damit wird nicht nur die Lebensarbeitsleistung der Menschen im Osten geringer bewertet, sondern auch ihr Alterseinkommen noch auf längere Sicht niedrig gehalten.

Wir fordern für die Älteren und für die nachfolgenden Generationen einen Fahrplan, wie annähernd gleiche Lebensverhältnisse in allen Teilen unseres Landes erreicht werden können. Das darf aber auf keinen Fall zu einer Angleichung nach unten mit gleich schlechten Bedingungen für alle führen. Gegen diese Entwicklung müssen wir uns in Ost und West gemeinsam wehren.

Liebe Freunde, meine Damen und Herren,

ich danke allen, die heute gemeinsam mit uns demonstrieren. Damit entsprechen wir der Leitidee bei der Gründung unseres Verbandes vor fast 60 Jahren – Solidarität und soziale Gerechtigkeit.

Lassen Sie uns heute einen neuen Anfang setzen in unseren gemeinsamen Bemühungen, eine soziale und für alle lebenswerte Gesellschaft zu bewahren. Der Spruch über dem Reichstagsgebäude „Dem deutschen Volke“ wird nur dann zur Verpflichtung für die Regierenden, wenn wir gemeinsam dafür sorgen, dass sie sich daran halten müssen!

Quelle: www.volkssolidaritaet.de


Gegen Koalition der Asozialen

Artikel von Tamara Bartlitz in 'junge Welt' vom 17.05.2004

Berlin: 20 000 Menschen verurteilten die Politik von Bundesregierung wie Unionsparteien

Rund 20 000 Menschen haben am Samstag auf einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin gegen die Politik der Bundesregierung protestiert. Zu der Aktion, an der sich vorwiegend ältere und behinderte Frauen und Männer beteiligten, hatten der Sozialverband Deutschland (SoVD) und die Volkssolidarität aufgerufen. »Unsere Gesellschaft darf nicht auf dem Rücken der Schwächsten saniert werden«, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer unter dem Beifall der Demonstranten, die aus der ganzen Bundesrepublik in die Hauptstadt gekommen waren.

Bauer äußerte scharfe Kritik an Bundesregierung und Opposition. Die Schere zwischen Arm und Reich werde in Deutschland immer größer. Die Regierung habe sich »auf die Seite der Unternehmen« gestellt. »Welche sozialstaatlichen Grundsätze gelten noch in einer sozialdemokratischen Partei, wenn unter Reformen nur noch Sozialabbau zu Lasten der kleinen Leute verstanden wird?« fragte Bauer. Es könne nicht sein, daß Millionen Menschen in Deutschland sinkende Realeinkommen hinnehmen müßten, während Konzernmanager sechsstellige Monatsgehälter bezögen. Wenn die christlichen Parteien CDU und CSU diesen Sozialabbau »mittragen und sogar noch verschärfen wollen«, sei dies verantwortungslos, betonte Bauer. Der Verband wehre sich auch »mit aller Kraft« gegen die Einführung des Arbeitslosengeldes II. Damit werde kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, sondern Menschen bestraft, die unverschuldet arbeitslos geworden seien.

Die Kundgebungsteilnehmer machten im strömenden Regen ihrer Empörung mit Pfeifkonzerten und Plakaten Luft. »Schluß mit der Rentenlüge« und »Das Maß ist voll« war auf den Transparenten zu lesen. Hauptthema bei den Demonstranten waren die Streichungen bei den Leistungen für Kranke und Rentenkürzungen. Gewinner der Änderungen im Gesundheitswesen seien die Unternehmen, kritisierte Bauer. Die Krankenversicherung sei nicht modernisiert, sondern »in ihren Kernleistungsbereichen dramatisch zusammengestrichen« worden. Leidtragende seien ältere Menschen, Behinderte und chronisch Kranke.

Ihren »traurigen Höhepunkt« aber erreiche die »soziale Demontage« mit den Rentenkürzungsgesetzen, sagte der SoVD-Präsident. Für viele jüngere Versicherte bedeuteten sie die Verkündung des »Prinzips Hoffnungslosigkeit«. Sie hätten auf Grund fehlender Beschäftigung oder geringer Einkommen keine Chance, die Leistungskürzungen durch private Vorsorge auszugleichen.

Die Rentner würden mit den Gesetzen zu den »Melkkühen der Nation«. Seine Organisation fordere eine Rentenversicherung auf der Basis einer starken Solidargemeinschaft. Für Personen mit mit sehr geringem Einkommen verlangt der Verband eine Härtefallregelung. Zu echten Strukturreformen im Gesundheitswesen gehört nach Auffassung des SoVD die Entmachtung der Kassenärztlichen Vereinigungen sowie größere Einsparungen in der Pharmaindustrie.

Der Sozialverband VdK hat die Regierungskoalition ebenfalls davor gewarnt, an ihren Plänen für eine Erhöhung der Rentenbesteuerung festzuhalten. Sollte es zu der vorgesehenen Anhebung auf 50 Prozent kommen, sei ein Gang vor das Bundesverfassungsgericht unausweichlich, sagte VdK-Präsident Walter Hirrlinger der Chemnitzer Freien Presse (Samstagausgabe). Da die Rentenbeiträge aus versteuerten Einkommen stammten, seien 40 Prozent die Obergrenze. Alles andere verstoße gegen das Grundgesetz, betonte Hirrlinger.

Quelle: www.jungewelt.de