Hildesheim, 3.3.2005, Demonstration gegen Abschiebung - für die Rückkehr von Gazale Salames aus der TürkeiBilder

Nach der Abschiebung in die Türkei: Situation Gazale Salames verschlechtert sich

Erklärung des Göttinger Arbeitskreises zur Unterstützung von Asylsuchenden e.V., Göttingen/Hildesheim, 8. März 2005

200 Menschen demonstrieren für Gazales Rückkehr in Hildesheim - UnterstützerInnen reisen in die Türkei

Die Situation Gazale Salames hat sich in den vergangenen Tagen massiv verschlechtert. Die 24jährige Frau wurde am 10. Februar aus dem Landkreis Hildesheim in die Türkei abgeschoben. Seit dem Wochenende sind UnterstützerInnen der Familie in der Türkei, um direkte Hilfe zu leisten. Am Donnerstag demonstrierten 200 Menschen in Hildesheim gegen die Abschiebung und forderten, dass Gazales Rückkehr ermöglicht wird.

Situation von Gazale Salame in der Türkei – UnterstützerInnen organisieren Hilfe vor Ort

Gazale wurde in der Nähe von Izmir von einer Familie in ärmlichsten Verhältnissen aufgenommen. Die aufnehmende Familie ist selbst aus Deutschland abgeschoben worden. Gazales gesundheitliche Situation hat sich seit der Abschiebung massiv verschlechtert. Die gewaltsame Trennung von ihrem Mann und zwei weiteren 6 und 7 Jahre alten Kindern ist für sie eine starke psychische Belastung. Zusätzlich leidet sie unter den schlechten Wohnverhältnissen und der mangelhaften Versorgung. Die einjährige Tochter Schamps, die zusammen mit der Mutter abgeschoben wurde, ist zudem nach der Abschiebung an Asthma erkrankt. Beide haben nahezu keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, da Gazale im dritten Monat schwanger ist.

Aufgrund der alarmierenden Situation der Abgeschobenen reisten UnterstützerInnen in die Türkei, um vor Ort Hilfe zu organisieren. Am Wochenende überbrachten sie Gazale die nötigsten Medikamente und Bargeld. Sie werden in den nächsten Tagen detailliert über Gazales Situation berichten. Gazale ist zusammen mit ihren Eltern als Siebenjährige aus dem Libanon in die BRD geflohen. Mit ihrer Abschiebung nach 17 Jahren Aufenthalt in Deutschland wird derzeit ihr Ehemann, libanesischer Staatsangehöriger, von der Ausländerbehörde unter Druck gesetzt, “freiwillig” in die Türkei auszureisen.

Gleichzeitig betreibt der Landkreis seine Abschiebung in den Libanon. Gazale wurde unter einem türkischen Namen und mit türkischen Passersatzpapieren vor drei Wochen in einer Nacht- und Nebel- Aktion abgeschoben. Einigen Tausend libanesischen Bürgerkriegsflüchtlingen droht seit vier Jahren die Abschiebung in die Türkei, die meisten Betroffenen leben bereits in der zweiten Generation hier, sind in der BRD geboren oder aufgewachsen.

Demonstration in Hildesheim: „Gazale soll zurückkommen!“

Gegen Gazales Abschiebung demonstrierten am Donnerstag 200 Menschen in Hildesheim. Während der Kundgebung vor der Ausländerbehörde des Landkreises sprachen Schwestern und die 7jährige Tochter von Gazale. Sie verurteilten das Vorgehen der Behörde und forderten, Gazales Rückkehr zu ermöglichen. Weitere Flüchtlinge aus Hildesheim berichteten spontan von ihren Bedrohungssituationen durch die Ausländerbehörde. Mehreren libanesischen Flüchtlingsfamilien im Kreis Hildesheim steht die Abschiebung in die Türkei bevor.

Die Demo wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Die Polizei filmte und fotografierte einen Großteil der TeilnehmerInnen. Während der Kundgebung vor der Ausländerbehörde wurden die Redebeiträge durch einen Polizeihubschrauber gestört und mehrmals drangen Zivilbeamte in die Demonstration ein, um Personalien einzelner TeilnehmerInnen festzustellen. Den Betroffenen stehen Bußgelder ins Haus: wegen Verteilens eines Flugblattes zur Situation Gazales, in dem kein ViSdP angegeben war. „Solche Maßnahmen bewerten wir als Einschüchterungsversuch insbesondere gegenüber den teilnehmenden Flüchtlingen. Sie sollen so von politischem Engagement und Widerstand gegen die drohenden Abschiebungen abgeschreckt werden“, sagte eine Sprecherin des Arbeitskreises Asyl.

Abschiebung libanesischer Bürgerkriegsflüchtlinge in die Türkei: eine absurde Konstruktion

Die Vorwürfe gegen Gazale und ihre Familie sind die gleichen wie gegen einige Tausend libanesische Bürgerkriegsflüchtlinge in Niedersachsen, Bremen und NRW. Jahrelang hatten sie hier einen gesicherten Aufenthaltsstatus als Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon. Dass sie nun mit türkischen Namen in die Türkei abgeschoben werden sollen, geht auf ihre Fluchtgeschichte zurück. Die Vorfahren lebten als Angehörige der arabischen Minderheit Mahalmi im Südosten der Türkei. Von dort wanderten sie ab den 1920er Jahren in den Libanon und nach Syrien aus – wegen besserer Arbeitsmöglichkeiten und um der Diskriminierung im jungen türkischen Staat zu entkommen. Aufgrund des türkischen Staatsangehörigkeitsrechts sind nun viele der Nachkommen dieser Gruppe offiziell türkische Staatsangehörige und unter aufgezwungenen türkischen Namen in türkischen Registern verzeichnet – zum größten Teil ohne das Wissen der Betroffenen. In Northeim, Göttingen, Bremen und auch in anderen Städten wehren sich Flüchtlinge gegen die Abschiebung in die Türkei. In Northeim konnten bisher alle Abschiebeversuche vereitelt werden. Nach wochenlangem Protest konnte vor zwei Jahren die Abschiebung von Gazales Familie – ihrer Eltern und Geschwister – letztlich verhindert werden.

Auf Wunsch senden wir Ihnen weitere Informationen zu. Ausführlich dokumentiert ist der Bleiberechtskampf im Internet unter
www.LibaSoli.de und www.abschiebemaschinerie-stoppen.de