Berlin, 20.10.2006 - Streik gegen Arbeitsplatzvernichtung beim Bosch-Siemens-Hausgerätewerk (BSH) in Berlin-SpandauBilder

Das geht anders!

Artikel von Daniel Behruzi in 'junge Welt', 21.10.2006

Siemens bleibt unter Druck: Überwältigende Mehrheit der Gewerkschafter in Berliner Waschmaschinenfabrik BSH will weiter streiken. Solidarität eingefordert

Mehr als zwei Drittel der IG-Metall-Mitglieder im Bosch-Siemens-Hausgerätewerk (BSH) in Berlin-Spandau haben in einer Urabstimmung die mit der Unternehmensspitze erzielte Einigung abgelehnt und sich somit für eine Fortsetzung des seit dem 25. September andauernden Arbeitskampfes ausgesprochen. Da mit 32 Prozent allerdings über ein Viertel der Aufgerufenen für die Annahme des Abkommens votierte, ist laut Gewerkschaftssatzung die Voraussetzung für eine Beendigung des Ausstands durch den IG-Metall-Vorstand gegeben. Die Aktivisten im Betrieb wollen die Arbeit aber offenbar unabhängig von der für Montag erwarteten Entscheidung der Gewerkschaftsspitze nicht wieder aufnehmen.

Das Urabstimmungsergebnis sei »ein klares Votum für die Fortsetzung des Streiks«, erklärte der Leiter des IG-Metall-Vertrauensleutekörpers, Hüssein Akyurt, vor mehreren Hundert Beschäftigten im Streikzelt. Auch Betriebsratschef Güngör Demirci kündigte an, die Belegschaft werde weiterkämpfen. Er stellte drei Forderungen zur Abstimmung, die noch durchgesetzt werden sollen: Betriebsbedingte Kündigungen müßten ausgeschlossen und die Regelungen für Abfindungen und beim Ausscheiden älterer Mitarbeiter verbessert werden. Per Akklamation votierten die versammelten Streikenden ohne Gegenstimme für die Annahme dieser Forderungen. »Die Minderheit kann nicht über die Mehrheit bestimmen – wir werden den Kampf um den Erhalt aller Arbeitsplätze fortsetzen«, sagte Betriebsrat Ali Adigüzel gegenüber jW. Demirci erklärte auf Nachfrage, die Mehrheit der Kollegen lehne das Ergebnis ab. Ob die IG Metall eine Fortsetzung des Ausstands unterstützt, werde man gewerkschaftsintern klären.

IG-Metall-Sprecher Bernd Kruppa führte das »nicht gerade berühmte« Abstimmungsergebnis darauf zurück, daß die Beschäftigten nicht wüßten, wer von den 216 Entlassungen betroffen sei und wie hoch die individuellen Abfindungen ausfielen. Zudem habe man nur »ein kleines Kommunikationsfenster« zur Vermittlung des Ergebnisses gehabt. Kruppa betonte, die Vereinbarung sei nach Satzung der IG Metall akzeptiert. Er gehe davon aus, daß der Gewerkschaftsvorstand am Montag eine entsprechende Entscheidung fällen werde. Adigüzel erklärte hingegen: »Wenn die IG Metall uns nicht mehr unterstützt, werden wir den Arbeitskampf allein weiterführen.« Die Streikenden hätten von anderen Belegschaften und in der Öffentlichkeit sehr große Solidarität erhalten. Nun hoffe er auf weitere bundesweite Unterstützung, so der Aktivist. »Unser Signal ist: Es muß endlich Schluß sein mit der massenhaften Vernichtung von Arbeitsplätzen – und wir machen den Anfang im Kampf dagegen.«

Weitere Information unter: http://www.bsh-streik.de

Quelle: http://www.jungewelt.de


Widerstand europaweit

Artikel von Daniel Behruzi in 'junge Welt', 17.10.2006

Treffen mit polnischen und türkischen Gewerkschaftern im Streikzelt des Berliner Bosch-Siemens-Hausgerätewerks

Die Beschäftigten des Bosch-Siemens-Hausgerätewerks (BSH) in Berlin-Spandau, die seit drei Wochen für den Erhalt der Waschmaschinenproduktion und ihrer Jobs streiken, tun alles, um die gegenseitige Unterstützung der von Arbeitsplatzabbau betroffenen Belegschaften zu entwickeln. Mit dem »Marsch der Solidarität« - der am kommenden Donnerstag mit einer Kundgebung vor der BSH-Zentrale in München endet - zogen sie vor die Betriebstore verschiedener Standorte des Konzerns sowie zum Nürnberger AEG-Werk und zu BenQ im nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort. Zudem setzen die BSHler, von denen viele aus der Türkei oder Vietnam stammen, auf internationale Solidarität.

Grundlegende Fragen

»Die Konzerne versuchen, eine Belegschaft gegen die andere auszuspielen, um noch höhere Profite rauszuschlagen - gegen diese Profitgier und die soziale Katastrophe, die diese nach sich zieht, wehren wir uns mit unserem Arbeitskampf«, stellte IG-Metall-Sekretär Luis Sergio am Freitag zur Eröffnung eines Treffens mit ausländischen Gewerkschaftern im Spandauer Streikzelt fest. Bei dem Arbeitskampf, der am 25. September begonnen hat, gehe es nicht nur um das Schicksal der hiesigen Belegschaft. »Es geht auch um die ganz grundlegende Frage nach dem Wert der arbeitenden Menschen in dieser Gesellschaft. Es geht darum, ob nur Profitinteressen zählen und die Belange der Beschäftigten und Erwerbslosen nur noch als Restgröße gelten«, so der Streikleiter. Er wolle ein soziales Eu­ropa, in dem das Ausspielen der Belegschaften gegeneinander ein Ende habe, betonte Sergio. Um dieser Vision ein Stück näherzukommen und die Möglichkeiten praktischer Zusammenarbeit auszuloten, habe man Gewerkschafter von anderen europäischen BSH-Standorten nach Berlin eingeladen.

Was die internationalen Gewerkschaftsvertreter allerdings zu berichten hatten, war nur wenig ermutigend. »Im BSH-Werk in Lodz herrschen unzumutbare Bedingungen«, erzählte Tadeusz Feliksinski von der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc. Innerhalb des Betriebs schwankten die Temperaturen zwischen sieben und 20 Grad, was zu häufigen Erkrankungen führe. An dem seit drei Jahren bestehenden Standort habe die Gewerkschaft keinerlei Einfluß. »Die Mehrheit hat befristete Verträge. Wenn Kollegen versuchen, sich zu wehren, werden sie sofort gefeuert«, so Feliksinski. Die Nettolöhne lägen lediglich zwischen 300 und 400 Euro. »Wir hoffen, daß wir das Lohnniveau irgendwann an das in Westeuropa angleichen können - aber das wird ein steiniger Weg, auf dem wir auch eure Unterstützung brauchen«, erklärte der polnische Gewerkschafter. Zudem stellte er klar, daß auch die polnische Arbeiterschaft von den Produktionsverlagerungen letztlich nicht profitiere. »Heute wird die Produktion nach Polen verlagert, und morgen geht’s weiter Richtung Osten«, zeigte er sich überzeugt.

Anders, aber kaum besser ist die Situation der Arbeiter am BSH-Standort Cerkezköy in der Türkei, wo seit 1997 Hausgeräte produziert werden. Mit einer Steigerung der Gewinne um 57 Prozent im vergangenen Jahr und einem Anteil von 22 Prozent am türkischen Markt agiere das deutsche Unternehmen dort äußerst erfolgreich, berichtete Hasan Arslan vom Gewerkschaftsdachverband DISK, der allerdings sogleich klarstellte, auf wessen Kosten dieser Erfolg erwirtschaftet wird. »Die Stundenlöhne liegen zum Teil bei 2,13 Euro, inklusive Zusatzleistungen kommen die Kollegen auf Bruttoeinkommen von monatlich rund 680 Euro«, erklärte er. Noch schlechter seien die Bedingungen der vielen befristet Beschäftigten, die lediglich den Mindestlohn von etwa 380 Euro erhalten. In dem türkischen BSH-Werk ist zwar eine Beschäftigtenvertretung zugelassen, allerdings eine unternehmernahe »gelbe Gewerkschaft«, wie Arslan erläuterte. Diese tue beispielsweise nichts dagegen, daß das Unternehmen offenbar Leiharbeiter ohne Sozialversicherung beschäftige. Trotz der schwierigen Bedingungen für unabhängige Gewerkschaften in der Türkei habe DISK seinen Organisa­tionsgrad in den vergangenen zweieinhalb Jahren um 30 Prozent verbessern können, berichtete Arslan. »Der internationale Konkurrenzkampf wird auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen. Das können wir nur verhindern, wenn wir uns - insbesondere innerhalb eines Konzerns - gemeinsam zur Wehr setzen«, unterstrich er.

Repression in der Türkei

»Einem Unternehmen, das eine halbe Milliarde Euro Gewinn macht, Menschen- und Arbeitnehmerrechte aber mit Füßen tritt, muß überall Widerstand entgegengesetzt werden«, ergänzte der Betriebsratschef des bestreikten Berliner Werks Güngör Demirci. »Es muß auch hierzulande publik gemacht werden, wie sich Bosch-Siemens anderswo verhält«, forderte er. Besonders empört zeigte sich Demirci über einen Vorfall in der Türkei, wo ein Arbeiter deshalb fristlos gekündigt worden sei, weil er gegenüber Spiegel TV über die miserablen Bedingungen in der Fabrik berichtet hatte. Man werde eine öffentliche Protestaktion in Cerkezköy durchführen, falls der betroffene Kollege nicht wieder eingestellt werde, drohte er. Zudem beschloß die Versammlung, eine andere streikende Belegschaft in der Türkei mit 300 Euro aus der Spandauer Streikkasse zu unterstützen. »Wir führen diese Auseinandersetzung auch stellvertretend für alle anderen Beschäftigten«, betonte Demirci.

Feliksinski und Arslan sagten zu, Informationen über den Berliner Arbeitskampf in beiden Ländern zu verbreiten und Flugblätter vor den BSH-Werken zu verteilen. »Wir werden alles dafür tun, die Gewerkschaft bei uns im Betrieb aufzubauen - damit helfen wir uns, damit helfen wir aber auch euch«, betonte Feliksinski.

Weitere Information unter: http://www.bsh-streik.de

Quelle: http://www.jungewelt.de


Ein Sieg der Vernunft

Aus dem Senat - Pressemitteilung von DieLinke.PDS Berlin zu BSH, 18.10.2006

Belegschaft, IG Metall und die Geschäftsführung von BSH haben sich darauf geeinigt, dass das Werk in Spandau weiter betrieben wird und der größte Teil der Arbeitsplätze erhalten bleibt.

Dazu erklärt Berlins Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Harald Wolf:

Ich gratuliere Belegschaft und Geschäftsführung von BSH sowie der IG Metall zu der Einigung, die sie nach harten und langen Verhandlungen erreicht haben. Die Übereinkunft ist ein Sieg der Vernunft. Denn die Produktion in Spandau-Gartenfeld bleibt, der größte Teil der Arbeitsplätze ist bis mindestens 2010 sicher. Ich habe immer an die Zukunft des BSH-Werks in Spandau geglaubt und mich in vielen Gesprächen mit Vertretern von Siemens, der Belegschaft und der IG Metall für seinen Erhalt eingesetzt.

Dieser Erfolg ist zum einen der Hartnäckigkeit und dem Kampfgeist der Belegschaft zu verdanken, die sich mit der Schließung ihres Werks nicht abfinden wollte. Er wäre aber auch nicht möglich gewesen ohne die Einsicht bei BSH, dass Profitmaximierung bis zum Äußersten keine nachhaltige Unternehmensstrategie sein kann. Ich danke auch dem Verband der Metall- und Elektroindustrie für seine erfolgreiche Vermittlung in dem Konflikt.

Quelle: http://www.jungewelt.de


Auch Linkspartei hilft, Streik abzuwürgen

Artikel von Karl Weiss in 'Berliner Umschau', 11.11.2006

Politik und IG Metall-Funktionäre hintertreiben Streik bei BSH in Berlin

In enem beispiellosen Einsatz von Politprominenz mit Champagner und allemdrum und dran gelang es noch einmal, den Streik von Arbeitern abzuwürgen. Die Linkspartei war mit von der Partie. Die Bosch-Siemens-Hausgeräte (BSH) in Berlin soll geschlossen bzw. verlegt werden. Dagegen begannen die Arbeiter einen Streik und bereiteten einen siemensweiten Aktionstag vor.

Sie hatten bereits Kontakt zur Belegschaft der Benq aufgenommen, ein anderer Siemens-Betrieb, der dem Profitstreben der Siemens-Vorstände zum Opfer fallen soll. In dieser Situation kam es zu Verhandlungen der IG Metall mit Siemens und es wurde eine scheinbare Einigung erzielt, die praktisch immer noch die Stillegung von BSH beinhaltete, lediglich eine Art winziger „Notbelegschaft“ soll für einen scheinbaren Erhalt des Standorts stehen. Der Siemens-Aktionstag wurde von der IG-Metall-Führung abgesagt.

Die Belegschaft reagierte darauf logischerweise nach einer Streikversammlung am Nachmittag des 20.Oktober in einer Urabstimmung mit einem Beschluss zur Fortführung des Streiks.

Daraufhin trat die Spitze der Berliner Regierungsparteien SPD und PDS sowie die Führung der hauptstädtischen IG Metall in Aktion, erschien im Streikzelt der kämpfenden Kollegen und machte Druck.

Bald hatte sich herumgesprochen, dass Bürgermeister Wowereit sowie PDS-Gysi und Wolf im Streikzelt erwartet wurden und die Belegschaft kam zusammen. Die örtliche IG Metall, sonst immer knapp bei Kasse, hatte für das abendliche Treffen ein Essen auffahren lassen, das seinesgleichen sucht. Selbst Champagner war angesagt.

Die Berliner IG Metall machte klar: Es gibt keine Unterstützung mehr von ihr, wenn der Streik weitergeführt werde. Wowereit, Gysi und Wolf waren sich einig: Der Streik habe ein Ergebnis erzielt und müsse jetzt abgebrochen werden. Am Anfang kamen noch Buh-Konzerte auf die Aufforderngen, zu Kreuze zu kriechen, doch mit der Zeit wurden die leiser und am Ende hatte die aufgefahrene Politprominenz die noch Stunden vorher besehende Mehrheit gebrochen. Der Streik ging zu Ende.

Ein Vertreter der MLPD, der die ganzen Wochen des Kampfes seine Solidarität mit dem Kampf der Arbeiter gezeigt und viele gute Vorschläge zm Vorgehen gebracht hatte, wurde mit massiver Gewalt am Reden gehindert. Als die Arbeiter ihn aus der Umklammerung befreit hatten, bauten die IG-Metall-Funktionäre sofort die Verstärkeranlage ab, damit er auf keinen Fall gehört werden könnte.

Damit haben die rechten Gewerkschaftsführer mit SPD- (und manchmal auch Grünen-) Parteibuch in der Tasche, die SPD-Führung (was war von der anders zu erwarten?), aber ebenso die in der Entstehung begriffene „Die Linke.“ gezeigt, auf welcher Seite sie stehen. Die Siemens-Monopolherren reiben sich die Hände: Wieder ein Kampf abgewürgt, der zu einem Fanal hätte werden können.

Der massive Einsatz von Polit-Prominenz zeigt aber auch, wie groß die Angst vor einem Kampf der Arbeiter ist, wenn er der sozialdemokratischen Maxime („möglichst viel Abfindung herausholen“) und den sozialdemokratischen Führern aus der Kontrolle zu laufen droht.

Quelle: http://www.berlinerumschau.com