Berlin, 19.11.2006 - 'Volkstrauertag' - Heldengedenken im Olympiastadion-Langemarckhalle und in Neukölln ColumbiadammBilder

Volkstrauertag - 'Helden'-Gedenken in Berlin

Olympiastadion-Langemarckhalle und Neukölln Columbiadamm - Kommentar zu 'Olympische Hinterlassenschaft 1936', Klaus Ullrich und Rupert Kaiser, Spotless-Verlag Berlin, ISBN-10: 3-937943-29-3, ISBN-13: 978-3-937943-29-9, 96 Seiten, Broschur, 5,10 €

Der Protest "der Demokraten" gegen die Faschisten anlässlich des "Volkstrauertages" war ein halbherziger und scheinheiliger. Deutlich wurde das schon dadurch, dass es immer noch legale faschistische Organisationen gibt und auch der Mythos "Langemarck" nicht getilgt wurde, weder von der Bundesregierung, dem Berliner Senat, noch vom Komitee, das die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und den lauthals angekündigten Empfang von "Freunden" auch auf dem Olympiagelände organisierte und nicht dazu nutzte, schonungslos offenzulegen, wie die Welt schon einmal vor 70 Jahren im "friedlichen" Sportskostüm getäuscht und betrogen wurde. Anläßlich des "Heldengedenktages" 2006 muss auch daran erinnert werden.

Das Berliner Olympiastadion verweist mit seiner typischen Architektur und den es umgebenden Standbildern unverkennbar auf die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, eine steingewordene monumentalistische Selbstüberhebung. Das Stadion und das ehemalige Reichssportfeld wurden für die Olympischen Spiele 1936 gebaut. Die auf dem Gelände errichtete "Langemarckhalle" diente der Kultivierung eines menschenverachtenden, militaristischen Mythos´, der Instrumentalisierung einer Schlacht, die im November 1914 unweit der belgischen Küste in Flandern stattgefunden hat und zu den erschreckendsten Kapiteln des Ersten Weltkrieges gehört.

Rund 80.000 unausgebildete junge Männer fanden dort einen sinnlosen Tod. Und die Verfälschung der historischen Tatsachen bildet ein erschreckendes Kapitel der nationalsozialistischen Propaganda, eine kalkulierte und zynische Leugnung politischen (und auch militärischen)Versagens. Der Kult um "Langemarck", die Produktion des Mythos, war allerdings keine Erfindung der Nationalsozialisten, sondern eine Erblast der Weimarer Republik. "Langemarck" war nach den bürgerlichen Geschichtsbüchern Schauplatz einer blutigen Weltkrieg-I-Schlacht in Belgien gewesen. Tatsächlich aber gab es dort nie einen Schusswechsel. Doch gab es einen Grund, warum die kaiserliche Heeresleitung am 11. November 1914 die Nachricht verbreitete: "Westlich von Langemarck brachen junge Regimenter unter dem Gesange 'Deutschland, Deutschland über alles' gegen die erste Linie der feindlichen Stellungen vor und nahmen sie. Etwa 2.000 Mann französischer Linieninfanterie wurden gefangengenommen und sechs Maschinengewehre erbeutet."

Tatsächlich gibt es jedoch ganz andere Fakten:

"Die deutsche Armee führte nach dem bereits 1905 konzipierten Schlieffenplan einen massiven Angriff, der mit dem Durchbruch zur Nordsee enden sollte. Nach der Marneschlacht im September 1914 hatten sich die deutschen Truppen zurückgezogen, was dazu führte, dass ein Stellungskrieg einsetzte. Beim Kampf um den Weg zum Meer standen die deutschen Truppen französischen und britischen Einheiten gegenüber. Unweit der belgischen Stadt Ypern tobte dann die erste von drei Flandernschlachten, die Ende November zum Erstarren der Fronten führte. Zu den verlustreichen Kämpfen kam es dann am 10. November. Auf deutscher Seite fielen mehr als 2.000 Soldaten. Das bewog die Heeresleitung, ihre allen Tatsachen entbehrende Nachricht zu verbreiten. Wie kam man auf den Namen "Langemarck", das sich vor Ort nur mit k schreibt? Im Vergleich zu den tatsächlichen Schauplätzen der Schlacht klang "Langemarck" offensichtlich "teutscher".

Der Umgang mit dieser Information erinnert in vielem an die Gegenwart: Fast alle deutschen Zeitungen druckten die Propaganda-Nachricht auf der Titelseite. Der "Mythos Langemarck" war geboren. Unseriöse Militärhistoriker trugen das ihre dazu bei. Statt vom XXVII. Reservekorps wurde vornehmlich von "jungen Regimentern" geschrieben und diese seien mit "Deutschland, Deutschland über alles in den Tod gestürmt". Und auch diese angeblichen Gesänge sind durch nichts zu belegen. Die deutsche Nationalhymne war 1914 noch "Heil dir im Siegerkranz", aber die nun einmal verbreitete Legende wurde zur verbrieften Geschichte. Auch damals wussten die systemkonformen Medien schon, was ihre Pflichten waren...

Und in Wirklichkeit hatten den deutschen Truppen in dieser Schlacht vornehmlich britische Truppen gegenübergestanden. Es handelte sich um Eliteeinheiten, die ihre militärischen Erfahrungen vor allem in den Kolonien gesammelt hatten. Sie hatten im November 1914 - glaubt man seriöser Militärliteratur - wenig Mühe, sich gegen die unerfahrenen und mangelhaft bewaffneten deutschen Truppen durchzusetzen, die beim Sturmlauf über die Rübenäcker wohl kaum noch im Stande waren zu singen. An die unseelige Legende war bereits am ersten Jahrestag der blutigen Schlacht nördlich von Ypern erinnert worden, als die führenden deutschen Zeitungen schwülstige Artikel über den "Opfergang von Langemarck" publizierten und sogar vorschlugen, künftig einen "Langemarck-Tag" ins deutsche Leben zu rufen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde diese Forderung nachdrücklich wiederholt und 1919 veranstalteten ehemalige Angehörige des XXVII. Reservekorps in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eine Langemarck-Gedenkfeier. Im selben Jahr führte die nationale Studentenorganisation einen Langemarcktag ein, der fortan jährlich an deutschen Universitäten zelebriert wurde. 1924 versammelten sich rund 2.000 Mitglieder von Jugendbünden in der Rhön, um dort ein Langemarck-Denkmal zu weihen. 1928 entschied die Deutsche Studentenschaft, bei Langemark einen Soldatenfriedhof anzulegen. Es entstand eine "Langemarck-Stiftung", und am Tage der Einweihung jenes Friedhofs am 10.Juli 1932 fanden im gesamten deutschen Reich Gedenkfeiern statt.

Es dauerte nicht lange, bis die Nazis den Mythos der fürs Vaterland in den Tod Stürmenden für sich "entdeckten", und dass sie Kritik an dem Todesmarsch zu üben begannen, resultierte aus ihrer These, dass es nie zu der Tragödie gekommen wäre, wenn ein "Führer" wie Hitler das Kommando gehabt hätte. In "Mein Kampf" erinnert sich Hitler, der 1914 in Belgien eingesetzt war: "...Aus der Ferne aber klangen die Klänge eines Liedes an unser Ohr und kamen immer näher und näher, sprangen über von Kompanie zu Kompanie, und da, als der Tod gerade geschäftig hineingriff in unsere Reihen, da erreichte das Lied auch uns, und wir gaben es nun wieder weiter: Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt."

So entstand die faschistische Version des Langemarck-Mythos, der darin gipfelte, dass das Sterben auf dem Schlachtfeld einen "Sinn" habe.

Als feststand, dass die Olympischen Spiele 1936 in Berlin gefeiert würden, und Hitler seine Architekten kommandierte, ein unvergleichliches Stadion zu bauen, erteilte er auch den Befehl, die Langemarckhalle zu errichten, als einen Tempel, der den Opfertod fürs Vaterland verherrlichte.

Am Nachmittag des 1. August 1936, kurz bevor Adolf Hitler die Olympischen Spiele eröffnete, inszenierte er in der Langemarckhalle einen bewussten Affront: Begleitet von Kriegsminister Werner von Blomberg legte der Reichskanzler auf dem Weg ins Stadion in der Halle unter dem Glockenturm eine Schweigeminute ein und widmete dieses Gedenken den Toten einer hochgradig mystifizierten Schlacht des Ersten Weltkrieges.

"Langemarck" ward ein Chiffre der Kriegsverherrlichung. Doch gab es diesen angeblichen Sturmangriff gar nicht... Verblendete Kriegsfreiwillige wurden reihenweise von erfahrenen britischen Berufssoldaten abgeschlachtet.

Hitlers Abstecher in die Langemarckhalle galt nur den deutschen Toten; hier waren deutsche Regimentsfahnen aufgehängt, unter einer Eisenplatte im Boden lag Erde vom deutschen Friedhof in Langemarck. Das Gedenken des "Führers" sollte eine Verbindung herstellen zwischen den deutschen Kämpfern des Weltkriegs und den deutschen Olympiateilnehmern - eine nicht gerade friedliche Geste.

Erwarten hätte man können, dass die Langemarckhalle als typisch nationalsozialistische Kultstätte nach 1945 beseitigt worden wäre, - doch das Gegenteil war der Fall. Sie wurde Anfang der sechziger Jahre sogar erneuert. Dabei durfte Werner March, der Architekt des Stadionkomplexes, die Weihestätte nahezu unverändert rekonstruieren. Bis heute ist die Langemarckhalle zugänglich und präsentiert den Besuchern einen unkommentierten Blick auf einen zentralen NS-Mythos.

Bleibt die Frage, wem dieses Denkmal dient? Niemandem dürfte die Antwort Zweifel bereiten!


Pressetext zu 'Olympische Hinterlassenschaft 1936':

Chronisten hielten den Tag fest: 16. August 1936. Um 19.37 Uhr verlosch im Berliner Olympiastadion das olympische Feuer, geriet Olympia für Jahre in den Feuerhagel des Krieges, loderten nur noch Häuser und Menschen. Die auf den ersten Blick glanzvollen Spiele hatten eine gravierende Rolle bei der heimlichen Vorbereitung des Krieges gespielt. Als der 70. Jahrestag fällig war, versprach die Bundesregierung, ihn würdig zu begehen, doch das missriet zu einer fast perfiden Show. Klaus ULLRICH nahm sie unter die Lupe. Rupert KAISER widmete sich den Persönlichkeiten der ahnungslosen Athleten, die 1936 unvergessliche Leistungen vollbracht hatten. An ihrer Spitze Jesse Owens, der in einer Woche vier Goldmedaillen gewann. Im Kreis der Medaillengewinner aber auch mancher, der von den olympischen Gastgebern ermordet wurde. Man darf sie nicht vergessen!


Leseprobe aus 'Olympische Hinterlassenschaft 1936':

Wäre es nicht die Pflicht und Schuldigkeit der Bundesregierung, des Berliner Senats und des die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 arrangierenden Komitees gewesen, den so lauthals angekündigten Empfang von 'Freunden' zu nutzen, um endlich bloßzulegen, wie Deutschland vor 70 Jahren die Welt im Olympiakostüm betrogen hatte? Wäre es nicht an der Zeit gewesen, 2006 am Schauplatz von 1936 endlich alle Wahrheiten über den Missbrauch der damaligen Spiele offen zu legen? ...

Beim ersten flüchtigen Aufschlagen [der offiziellen Denkschrift zur Eröffnungsveranstaltung der Fussballweltmeisterschaft 2006 im Berliner Olympia-Stadion] war ich [...] auf die Zeilen gestoßen: „... Als der Fackellauf startete, beschloss Hitler den Putsch des Generals Franco in Spanien mit der 'Legion Condor' zu unterstützen. Diese Flugstaffel wurde am 31. Juli unweit des Olympischen Dorfes verabschiedet." Sonst kein weiteres Wort über die Legion Condor. Wer sollte heute schon einen Vorwurf aus der Tatsache ableiten, dass die Legion "unweit des Olympischen Dorfes verabschiedet" worden war? Aber: Alle entscheidenden Fakten dieses 'Abschieds' waren schlicht ignoriert worden!

Tatsächlich hatte man sich des Olympischen Dorfes – offizieller damaliger Name 'Dorf des Friedens' – bedient, um den Aufbruch des deutschen Luftwaffenkontingents, das zur Unterstützung der in Spanien gegen die Republik putschenden Generale eingesetzt wurde, zu verschleiern. Die Legion war mitten im vorolympischen Trubel in der Kaserne auf der dem Olympischen Dorf gegenüberliegenden Straßenseite zusammengezogen worden.

Der im Olympischen Dorf Dienst tuende Oberfeldwebel Wilhelm Meiritz erinnerte sich: „Wir erfuhren erst später, daß die Truppenteile der Legion Condor zugeteilt waren. Auch mir bekannte Offiziere waren über Nacht plötzlich verschwunden – Monate später hörte ich, daß sie in Spanien seien." (Information. Gesellschaft zur Förderung des olympischen Gedankens in der DDR; 1/1971, S.4)

Der Chronist der Legion Condor, Beumelburg, – sein Buch erschien 1939 – hatte den Sachverhalt präzise beschrieben: „Am 26. Juli 1936 empfing der Führer Adolf Hitler in Bayreuth ... eine von General Franco aus Tetuan abgesandte Delegation ..., die Delegation übermittelte das dringende Ersuchen ..., das Deutsche Reich möge ihm eine Anzahl von Transportfugzeugen zur Verfügung stellen ... Der Führer entschied am gleichen Tag ..., daß dem Ersuchen Francos unverzüglich zu entsprechen sei. ... Gleichzeitig wurde eine merkwürdige `Reisegesellschaft Union´ ins Leben gerufen, die sich unter der Führung des Majors Alexander von Scheele alsbald in Döberitz zu versammeln begann. ... Am 31. Juli 1936 verabschiedete der ... General der Flieger Milch ... jene erwähnte `Reisegesellschaft Union´. Die Augen der Freiwilligen leuchteten. Sie waren von seltsamen Gefühlen beherrscht, als sie nachmittags in ihren neuen Zivilkleidern mit Autobussen durch Berlin fuhren und sich auf dem Lehrter Bahnhof versammelten, wo ein Schild `Reisegesellschaft Union´ sie am Zug zusammenrief. Ihr gutgelaunter und in fremden Kriegen reich bewanderter Major von der Scheele brachte sie in Hamburg auf den Dampfer `Usaramo´. ... Das Schiff war bis zum Rand der Ladeluke mit Flugzeugen, Bomben, Flakgeschützen und allem Zubehör beladen. In der Nacht zum 1. August ging die `Usaramo´ in See." (W. Beumelburg: Kampf um Spanien – die Geschichte der Legion Condor; Oldenburg 1939, S.22f.)

Es war die Nacht, die dem Tag der Eröffnung der Spiele vorausging, und so konnte man ziemlich sicher sein, dass der Aufbruch nicht auffallen würde, zumal man die „Reisegesellschaft Union" in den Bussen transportiert hatte, in denen zuvor Olympiateilnehmer vom Lehrter Bahnhof nach Döberitz gefahren worden waren.



Deutscher 'Heldentod' gefeiert

Volkstrauertag: Gemeinsame Gedenkveranstaltung von Alt- wie Neonazis und Reservisten der Bundeswehr in Berlin - Artikel von Frank Brendle aus 'junge Welt' vom 20.11.06

Seite an Seite standen am Sonntag Vertreter der Bundeswehr und neofaschistischer Organisationen auf dem Berliner Garnisonsfriedhof am Columbiadamm. Zum Volkstrauertag organisiert der Verband der Reservisten der Bundeswehr dort alljährlich eine Gedenkveranstaltung. Rund 100 Antifaschisten protestierten vor dem Friedhofseingang gegen die Kungelei von Bundeswehr und Neonazis.

Zu den knapp 200 Besuchern der Gedenkveranstaltung gehörten zahlreiche DVU- und NPD-Vertreter sowie Angehörige der Kameradschaftsszene. Unter anderem waren der Berliner DVU-Funktionär Sascha Kari und der parlamentarische Geschäftsführer der Brandenburger DVU-Landtagsfrak­tion, Sigmar-Peter Schuldt, anwesend. Ebenso mehrere NPD-Abgeordnete aus Berliner Bezirksversammlungen. Die Kränze von rechtsextremen Gruppierungen wie dem »Stahlhelm«, der Berliner Burschenschaft »Gothia«, des »Bundes der Mitteldeutschen« sowie mehrerer Gliederungen des »Bundes der Vertriebenen« teilten sich den Platz mit offiziösen Vereinigungen wie dem Reservistenverband, dem Bund der Fallschirmjäger und dem Deutschen Marinebund.

Oberstleutnant Armin Brenker, stellvertretender Vorsitzender der Berliner Sektion des Reservistenverbandes, distanzierte sich zwar von den Delegationen der Neonazis – allerdings nur im Gespräch mit junge Welt. In seiner Ansprache betonte er hingegen: »Jeder darf hier Kränze oder Blumen ablegen.« Das Gedenken umfasse sowohl die Gefallenen früherer Kriege als auch diejenigen Bundeswehrsoldaten, die in Afghanistan den »Heldentod« gestorben seien. Auch ein weiterer Vertreter des Reservistenverbandes unterließ jeden Versuch, sich von den Nazis zu distanzieren und begrüßte die militärischen Traditionsgemeinschaften, darunter die »Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger« und die »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der früheren Waffen-SS« (HIAG), beides Organisationen, die selbst von der Bundesregierung als rechtsextremistisch eingeschätzt werden.

Bislang fand diese gespenstische Veranstaltung weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit statt. In diesem Jahr rief ein antifaschistisches Bündnis zu einer Kundgebung vor dem Friedhof auf, um gegen »diese Form militaristischen und geschichtsrevisionistischen Gedenkens« zu protestieren. Die Polizei sorgte für Friedhofsruhe und erteilte Platzverweise an alle, die ihr verdächtig vorkamen – die Neonazis wurden hingegen geduldet.

Quelle: jungewelt.de


Für Unruhe auf dem Columbiadamm-Friedhof - Gegen völkisch-nationales Denken!

Aufruf des Gedenkpolitischen Rechercheteams zum Protest gegen das Heldengedenken am Columbiadamm

Jedes Jahr am sogenannten Volkstrauertag treffen sich auf dem Friedhof am Columbiadamm Angehörige der Bundeswehr, Veteranen der Wehrmacht, Vertreter von Republikanern, der DVU und der NPD sowie der Ordensverein der Ritterkreuzträger und verschiedene Burschenschaften, um der Soldaten zu gedenken, die in deutsch-nationalistischen Kriegen gefallen sind. Auf dem mit den Meilensteinen einer deutschen Geschichtsklitterung gepflasterten Friedhof werden deutsches Heldengedenken und völkisch-nationalistische Traditionspflege seit Jahren relativ ungestört zelebriert. Vereint werden die "Trauergäste" durch die Verehrung ihrer im Kampf für "die deutsche Nation" gefallenen "Helden": "Wir starben, auf das Deutschland lebe! So lasst uns leben in Euch!" - so lautet die Innschrift des zentralen Kriegerdenkmals zur Erinnerung an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten des Garde-Grenadier-Regiments N0. 4. Weitere Denkmäler und Inschriften erinnern an die Soldaten des Zweiten Weltkrieges, der Kolonial- und zahlreicher anderer Kriege.

Schluss mit der ungestörten "Helden"-Verehrung! Wir wollen mit einer kollektiven Recherche-Kundgebung dieser rechts-nationalen bis rechtsextremistischen Geschichtsschreibung ein Ende setzen und laden Euch ein, am 19.11.2006 pünktlich um 10:00 Uhr zum Eingang des Columbiadamm-Friedhofs zu kommen, mit uns diese geschichtsrevisionistischen Vorgänge aufzuspüren und sie zu skandalisieren. Gemeinsam wollen wir der Geschichte von deutschem Militarismus und seiner Verherrlichung in Burschenschaften, Bundeswehr und anderen Traditionsvereinen auf den Grund gehen und ihren AnhängerInnen unseren Widerstand gegen jedes "Helden-Gedenken entgegensetzen.

Nein zu Heldengedenken und Traditionspflege!
Gegen jeden Geschichtsrevisionismus!
Keine Ruhe den NS-Tätern!

Unser Gedenken gilt den Opfern der Shoa und der nationalsozialistischen Massenmorde, unsere Empathie den Überlebenden der deutschen Vernichtungspolitik.


'Volkstrauertag' in Berlin-Neukölln

Bericht von 'Der kleine Vampir' auf indymedia über das Heldengedenken am Columbiadamm, 21.11.2006 18:13

Wie jedes Jahr versammelten sich etwa 100 bis 200 Altnazis, Burschenschafter, Militärgedenkvereine, Bundeswehrmitglieder und Neonazis am ehemaligen Neuen Garnisonsfriedhof am Columbiadamm in Berlin-Neukölln, um den gefallenen deutschen Soldaten zu gedenken. Ihr Gedenken wurde dieses Jahr durch eine Gegenkundgebung mit ca. 70 bis 80 Leuten beeinträchtigt. So "schön" ruhig wie die letzten Jahre läuft es nicht mehr.

Etwa ab 10 Uhr am Sonntag, den 19.11., tröpfelten langsam Kleingruppen von Teilnehmern der Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof. Verschiedentlich wurden Kränze an einzelnen Gedenksteinen und Gräbern abgeworfen, bevor sich um 11 Uhr zur zentralen Gedenkveranstaltung vor der Trauerhalle versammelt wurde. Nach den Angaben der Polizei wurde die Veranstaltung dieses Jahr vom Ring deutscher Soldatenvereine (RdS) organsiert, die taz nennt als Organisator Armin Brenker, stellvertretender Landesvorsitzender des "Verbands der Reservisten der deutschen Bundeswehr". Unter den Teilnehmenden waren eine größere Anzahl Bundeswehrmitglieder, verschiedene Militärgedenkvereine, der "Deutsche Stahlhelm", verschiedene Burschenschaften, einige Abgesandte der Aliierten und Abordnungen von NPD, DVU und parteiungebundenen Rechtsradikalen. Dazu gehörten u.a. Jörg Hähnel, NPD-Aktivist der mittlerweile in der Lichtenberger BVV sitzt, Sascha Kari aus Neukölln, dort schon lange in der Neonazi-Szene aktiv, und Sigmar-Peter Schmidt, brandenburgischer DVU-Abgeordneter. An ihnen schien sich wie die letzten Jahre niemand zu stören.

Eine Neuerung waren dieses Jahr die Einlasskontrollen, ein Erfolg der Gegenkundgebung. Ab einer gewissen Uhrzeit mußte jede Person, die auf den Friedhof wollte oder sich dort aufhielt, eine Einladung vorzeigen. Jede ? Nicht jede Person. Während einige Besucher, in denen die Polizei kritische BeobachterInnen oder GegendemonstrantInnen vermutete, flugs des Friedhofs verwiesen wurden, konnten NPD und DVU an der Gedenkveranstaltung teilnehmen, obwohl sie angeblich nicht eingeladen worden waren.

Durch die Einlasskontrollen und die überall anwesende Polizei, sowie einige Militärangehörige die wachend durch die Gegend streiften oder das Friedhofsumfeld beobachteten, wurde die Existenz der Protestkundgebung und das Vorhandensein einer Opposition gegen das zynische und geschichtsrelativierende Gedenken den Teilnehmern permanent wahrnehmbar gemacht und schien ärgerlich debattiertes Thema unter den Kameraden gewesen zu sein.

Dabei hatte die Polizei schon vorher durch skandalöse Auflagen die Gegenkundgebung auf einen Platz verwiesen, der weder dazu geneigt war, eine kritische Öffentlichkeit herzustellen, noch die Gedenkenden mit dem Protest zu konfrontieren, außer wenn sie sich gerade einen der Parkplätze gegenüber der Kundgebung suchen mußten. Gerade im Lichte des "staatlichen Antifaschismus", der u.a. nach den rechten Übergriffen am 9.11. wieder bedingt en vogue ist, zeigt sich hier die klare Positionierung der Berliner Polizei zugunsten der vesammtelten Nationalisten, Militaristen und Neonazis. Nicht zum ersten Mal. Von Anfang an konnte sich die Polizei nicht zurückhalten die TeilnehmerInnen der Gegenkundgebung verbal und körperlich anzugehen. Schon auf dem Hinweg wurden Einzelpersonen und Kleingruppen, die sich der Kundgebung auf der anscheinend falschen Seite näherten, von den Polizisten, zwar wenige, aber dafür um so engagierter, beleidigt und teilweise mit Gewalt auf die andere Straßenseite verfrachtet. Ähnlich erging es der kurzzeitig vor dem Friedhofstor agierenden Clownarmy. Ein Fotograf der 'arbeiterfotografie' wurde von einer sich 'kameradschaftlich' äußernden Polizeieinheit angegriffen, und Fotos wurden zerstört, die den Angriff auf die Clowns dokumentierten. Als sich gegen Ende der Kundgebung einige Leute mit Transpi auf der Straße Richtung Friedhof bewegten, rasteten die überspannten Polizisten völlig aus und griffen die Leute mit CS-Gas und teilweise gezielten Tritten auf Kopf und Rücken an. Zwei Personen, denen die Polizei anscheinend vorwarf, verantwortlich für den kleinen Ausbruchversuch gewesen zu sein, wurden brutal festgenommen und nach Tempelhof verschleppt. So ein Scheiss-Verhalten wird auf jeden Fall nicht vergessen werden!

In einer fast komödiantischen Einlage zeigten einige Beamte noch ihre zweifelhafte Eignung für andere Aufgaben als das Prügeln und Beleidigen, als sie heftige Mühe hatten, ein kleines Feuer zu löschen, das plötzlich am Rande der Kundgebung aufflackerte. Überfordert von den technischen Möglichkeiten eines Feuerlöschers wurde es mit dem Tonfa angegriffen und schließlich heldenhaft ausgetreten. Abgesehen von diesem kleinen Spaß war die Gegenkundgebung für die etwa 70 bis 80 Leute, die taz schätzt immerhin 150, keine allzu fröhliche Veranstaltung. Uhrzeit, Temperaturen, Auflagen und die Polizei machten vehementeren Protest nicht immer ganz einfach, aber er flackerte regelmäßig auf, sobald sich eine Gruppe kostümierter Soldaten näherte.