Berlin, 17.1.2009 - Protest gegen das Massaker Israels an der palästinensischen Bevölkerung in GazaBilder

Gegen das Recht des Stärkeren - für die Stärke des Rechts

Ansprache von Fanny-Michaela Reisin (Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost - EJJP Germany)

Vorbemerkung [an Innensenator Körting (SPD), der den Protest durch verfassungswidrige Auflagen behindern wollte]: Nein, Herr Innensenator Körting, das war heute keineswegs eine Hamas-Demonstration. Tausende Deutsche, Palästinenser, Israelis, Christen, Juden und Moslems und Freidenker demonstrierten gemeinsam gegen das Massaker von Gaza. Die politischen Anschauungen der Demonstrationsteilnehmer, davon konnte sich heute jedermann überzeugen, waren höchst unterschiedlich. Ich hätte mir gewünscht, die Polizei hätte mehr zur De-Eskalation beigetragen.


Verehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

im Namen der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost rufe ich der Bevölkerung in Gaza und im übrigen besetzten Palästina zu: Ihr seid nicht allein! Zehntausende Juden und Jüdinnen in aller Welt stehen auf gegen den Staat Israel und erklären: Nicht in unserem Namen! Millionen Menschen in aller Welt sind mit Euch und werden keine Ruhe geben, bis Recht und Gerechtigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung für Palästina hergestellt sein werden.

Im Namen der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost rufe ich der Bevölkerung in Sderoth, Beer Sheba und Ashkelon zu: Lasst Euch nicht als Geisel missbrauchen. Die Kriegstreiber und Waffenhändler in Tel Aviv benutzen Euch für verwerfliche Machtinteressen. Steht auf! Rebelliert gegen sie. Sie spielen bewusst mit Eurem Leben.

Im Namen der jüdischen Stimme für gerechten Frieden sage ich allen Vertretern der öffentlichen Hand und – nicht zuletzt auch an die Adresse des Zentralrats und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin: Die Gleichsetzung von Palästinensern und Terroristen muss endlich aufhören! Sie schadet dem friedlichen Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft hier in Berlin und anderswo!

Wer glaubt, dass Antisemitismus mit pro-israelischer Propaganda zu bekämpfen ist, irrt. Wer glaubt, dass Solidarität mit Gaza Antisemitismus verbreitet, irrt ebenso. Und wer schließlich unseren gemeinsamen Protest gegen die israelische Besatzung zu antisemitischer Propaganda gegen Juden nutzt , irrt nicht weniger.

Nur wer konsequent gegen Unterdrückung und Ausgrenzung vorgeht und Apartheid und Rassismus, gegen Antisemitismus und Antiislamismus zurückdrängt, eröffnet eine Perspektive die eine Zukunft hat.

Zwischen Christen, Juden und Moslems steht nicht die Religion! Es sind Machtinteressen, die uns entzweien! Denen die daraus Nutzen ziehen, müssen wir Einhalt gebieten.

Meine Damen und Herren!

Seit 21 Tagen bombardiert nun die israelische Armee Gaza, ein Gefängnis, das für die meisten Insassen schon lange zu einer Lebensfalle geworden war: Feige, hinterhältig und brutal. Getroffen wird in der Hauptsache eine seit Jahren ummauerte und von Waffen umzingelte Zivilbevölkerung, die sich weder schützen noch irgendwo Zuflucht finden kann.

Wie ist es möglich, dass die Propagandamaschinerie Israels uns immer noch weis machen will, dass Israel sich vor dem Terror in Gaza schützen müsse? Warum folgen Regierung und Medien auch in Deutschland, diesem Informationsstil?

Nein! Das was in Gaza von der israelischen Armee angerichtet wird, hat nichts mit Selbstverteidigung zu tun.

Nein! Nein! Und noch mal Nein! Das, was in Gaza angerichtet wird, dient nicht dem Schutz der israelischen Bevölkerung.

Das was in Gaza seit nunmehr drei Wochen, Tag und Nacht, Stunde um Stunde vonstatten geht, hat nicht den Hauch einer humanen Operation. Die Operation „Gegossens Blei“ muss als das bezeichnet, was sie ist:

Ein Massker, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit! In voller Absicht von langer Hand geplant und systematisch durchgeführt. Das Ziel: Den Freiheitswillen der Palästinenser zu brechen, ihre Lebensbejahung und Hoffnung vollends zu zerstören.

Es ist doch offenkundig und alle Welt kann es sehen: Es muss nicht die Bevölkerung Israels vor dem Hamasterror, es muss umgekehrt die Bevölkerung Gazas vor dem israelischen Terror geschützt werden!

Unumstritten ist auch mittlerweile: Der am 19. Juni für ein halbes Jahr vereinbarte Waffenstillstand in Gaza wurde nicht von der Hamas, sondern von Israel gebrochen. Durch international vermittelte Verhandlungen – Jimmy Carter, der sich darum bemühte, ließ es alle Welt wissen – hätte die verheerende israelische Invasion in Gaza leicht vermieden werden können.

Die Führer Israels wollen nicht verhandeln. Verhandlungen mit Hamas lehnen sie rundweg ab.

Eine internationale Vermittlung auch! Ehud Barak will „eine dauerhafte Lösung des Problems“ und gibt nicht an, was er meint. Will er die Hamas vernichten? Das wird nicht gelingen! Die Bevölkerung von Gaza wird sich nicht von ihren einzign Verteidigern abtrennen lassen. Will er die Gesamtbevölkerung von Gaza vernichten?

Gaza wird ihm das Ende der Arroganz seiner Macht zeigen.

Um welchen Preis? Über 1000 Tote, Tausende Verletzte, eine traumatisierte Bevölkerung, zerstörte Moschen, Schulen und Wohnhäuser. Wasser- und Elektrizitätsversorgung sind dahin. Die UNO muss jetzt die eigenen Beschlüsse auch endlich durchsetzen. Die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung muss gestoppt, die Durchsetzung einseitiger Machtinteressen der USA, der EU und Israels, die gesamte Politik der doppelten Standards muss endlich beendet werden!

Um die militärischen Angriffe, die Blockaden und die Besatzung insgesamt zu beenden, ist es nötig, konkret und gezielt politischen, juristischen und wirtschaftlichen Druck auf Israel auszuüben.

Die Bundesrepublik Deutschland ist verpflichtet! sich mit allen politischen Mitteln – auch mit Sanktionen - für die Einhaltung des Internationalen Rechts einzusetzen. Die kürzlich im Rahmen des Assoziationsabkommens der EU mit den südlichen Mittelmeerstaaten erneuerten und aufgewerteten Vereinbarungen über Beziehungen zwischen der EU und Israel in Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie müssen ausgesetzt werden, bis Israel das Internationale Recht und die Genfer Konventionen einhält.

In Solidarität mit allen zivilen Opfern der vergangenen Wochen fordern wir:
  • Das sofortige und bedingungslose Ende der Waffengewalt auf beiden Seiten.
  • Die Beurteilung der Waffengewalt seit dem 27. Dezember 2008 durch das internationale Strafgericht.
  • Die sofortige und vollständige Aufhebung der Belagerung des Gaza-Streifens
  • Den Rückzug Israels aus allen besetzten palästinensischen Gebieten
  • Ein konsequentes und wirksames Engagement für die Einhaltung des Internationalen Rechts
  • Die Beendigung der militärischen Kooperation und des gesamten Rüstungshandels mit Israel und allen übrigen Staaten des Nahen Ostens
  • Die Abberufung des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland aus Israel
Die internationale Völkergemeinschaft muss davon abkommen, das Recht des Stärkeren zu stützen! Die Stärke des Rechts muss wiederhergestellt werden!