Berlin, 20.7.2002 - Gelöbnix - Protest gegen das Bundeswehrgelöbnis im BendlerblockBilder

Auf Distanz gehalten

Artikel von Frank Brendle in 'junge Welt' vom 22.7.2002

Proteste gegen das Bundeswehrgelöbnis im Berliner Bendlerblock. Struck lobt seine »Friedenssoldaten«

Beinahe wäre es wieder nichts geworden mit der Feierlichkeit beim Bundeswehr-Gelöbnis in Berlin: Während auf dem Gelände des Bendlerblocks die Vorbereitungen für die Militärzeremonie auf Hochtouren liefen, warteten im Keller der ehemaligen griechischen Botschaft acht junge Leute auf ihren »Einsatz«. Seit Donnerstag abend hatten sich die Angehörigen der Jungdemokraten/ Jungen Linken in dem leerstehenden Haus einquartiert, direkt gegenüber dem Gelöbnisplatz, ausgestattet mit ausreichend Wasser- und Nahrungsvorräten sowie einer Campingtoilette. Außerdem im Gepäck: Transparente, Flugblätter sowie jede Menge »Alarm-Eier« und sonstiges akustisches Gerät, um die Militärzeremonie zu übertönen.

Die Polizei hatte das Haus offenbar nur oberflächlich untersucht. Eine letzte Streife am Samstagvormittag wollte das Gebäude nach Auskunft eines Beteiligten schon wieder verlassen, als einem Polizisten ein Teil des Stör-Materials ins Auge fiel, das die Kriegsgegner schon nach und nach in die oberen Stockwerke gebracht hatten. Die Jugendlichen wurden vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, gegen sie soll nun wegen Hausfriedensbruch ermittelt werden.

Die 500 Rekruten des Wachbataillons auf der anderen Straßenseite konnten daher ungestört von kritischer Öffentlichkeit ihre Treue in künftigen Kriegen geloben. Dennoch zeige die Aktion, »daß die Bundeswehr stets mit phantasievollem Protest rechnen muß«, erklärte das Gelöbnix-Bündnis am Abend.

Von den lautstarken Protesten der knapp 1000 Demonstranten war auf dem Gelände des Kriegsministeriums nichts zu hören. Dafür hatte die Berliner Polizei gesorgt, welche die Demo auf 300 Meter Abstand hielt, ohne direkte Hör- und Sichtachse. 1000 Polizisten und zwei Feldjägerkompanien sorgten dafür, daß das Ziel des Protestbündnisses, dem 40 Organisationen angehören, erreicht wurde: Ein öffentliches Gelöbnis war auch in diesem Jahr nicht möglich, Zutritt erhielten nur handverlesene Gäste nach mehrfacher Kontrolle.

Unter Bedingungen des Ausnahmezustandes erklärte der neue Verteidigungsminister Peter Struck (SPD)den angetretenen Rekruten, sie seien »Soldaten für den Frieden«. Der Interventionskurs der Bundeswehr, die auf immer mehr Kriegsschauplätzen in aller Welt mitmischt, heißt bei Struck »Friedensdienst außerhalb der eigenen Grenzen«. Der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski, der eine Ehrenkompanie der polnischen Armee im Gepäck hatte, bezeichnete seinen Auftritt als Beweis, »die richtigen Schlüsse« aus der Geschichte gezogen zu haben. Die habe schließlich auch gezeigt, daß Armeen den Menschen Sicherheit, Frieden und Freiheit bringen könnten. Eine solche Armee sei die Bundeswehr.

Während beim Staatsakt die Offiziere des 20. Juli gelobt wurden, die bis zuletzt den Angriffskrieg der Wehrmacht mitgetragen hatten, sprach auf der Gelöbnix-Kundgebung jemand, der tatsächlich eine kriegsverkürzende Maßnahme ergriffen hatte: Ludwig Baumann von der Bundesvereinigung »Opfer der NS- Militärjustiz« desertierte 1942 aus der Wehrmacht. Dem Todesurteil entging er durch »Bewährungsdienst« in einem Strafbataillon. Heute ist er einer von nur noch 150 lebenden Wehrmachtsdeserteuren. Rehabilitiert wurde er erst vor knapp zwei Monaten«. Die Richter, die damals über 30000 Todesurteile verhängt haben, können heute nicht mehr bestraft werden«, erklärte er diese späte Entscheidung. Ilka Schröder, die aufgrund ihres antimilitaristischen Engagements aus der Grünen-Fraktion im Europaparlament gedrängt wurde, bekräftigte die Notwendigkeit, dem kriegerischen Kurs der Bundeswehr »Protest, Widerstand und Sabotage« entgegenzusetzen.

Dem neuen Verteidigungsminister versicherte das Gelöbnix-Bündnis: »Wir stören auch nächstes Jahr, ob durch Demonstration oder andere unberechenbare und kreative Aktionen.«

Quelle: http://www.jungewelt.de