Goslar, 19.2.2005, Demonstration gegen die Abschiebung von Zahra Kameli in den IranHintergrund-Information

Bleiberecht für Alle! Keine Abschiebung von Zahra Kameli!

Aufruf des Göttinger Arbeitskreises zur Unterstützung von Asylsuchenden e.V. zur Demonstration am 19.2.2005 in Goslar

Noch immer droht Zahra Kameli die Abschiebung in den Iran. Trotz der großen Unterstützung und Solidarität, die sich gegen Zahras Abschiebung entwickelt hat, hält die Ausländerbehörde des Landkreises Goslar daran fest, Zahra in den kommenden Wochen in den Iran abzuschieben. Dort steht ihr schwere Verfolgung bevor, weil sie sich vom Islam abgewendet hat und als 'Ehebrecherin' verfolgt würde. Auf die Gefahren haben in den letzten Wochen vielfach Organisationen hingewiesen. Doch alle Bedenken werden bisher vom Tisch gewischt. Und aus Parlamentskreisen in Berlin und Hannover heißt es immer wieder, man sei betroffen über Zahras Schicksal aber die eigene Verantwortung wird stets verleugnet. Der niedersächsische Inneminister verweist auf Schily und der gibt den Ball zurück ans Land und sagt, Niedersachsen müsse ein Bleiberecht gewähren.

Also: Zwar spricht heute niemand mehr von Abschiebung (außer der Ausländerbehörde), aber niemand in den Behörden und Ministerien tut etwas. Dabei hätte die Ausländerbehörde hier vor Ort die Möglichkeit, die Abschiebehaft auf zu heben und Zahras Abschiebung zurück zu nehmen!

Der erste Abschiebeversuch Zahras am Donnerstag, den 10.02, wurde im letzten Moment, begleitet von massivem Protest, verhindert. In den Tagen vorher und am Abschiebetag selbst demonstrierten einige hundert Menschen vor den Gerichten, im Flughafen und hier in Goslar. Zahra selbst wehrte sich in der Lufthansa-Maschine sehr gegen die Abschiebung, erlitt daraufhin einen Zusammenbruch, so dass der Pilot erklärte, sie nicht zu transportieren. Hohe politische Kreise waren anscheinend nicht in der Lage an diesem Tag die Abschiebung zu stoppen. Den Ausschlag lieferten letztlich der Protest und Zahras Widerstand.

Deshalb wollen wir weiter gegen die Abschiebung Zahras auf die Strasse gehen. Aber es geht dabei auch um mehr. Denn Zahra ist kein 'Einzelschicksal' - Sie eine von Tausenden, denen die Abschiebung droht. Dass es möglich ist, sich dagegen zu stellen, haben wir am Donnerstag gesehen.

Abschiebungen, immer mehr Lager für Flüchtlinge (hier oder in Nordafrika), Militär zur Flüchtlingsabwehr an den europäischen Außengrenzen, Gutscheine statt Bargeld, Residenzpflicht - also das Verbot sich ausserhalb der Stadt oder des Landkreises zu bewegen - sind Alltag für Flüchtlinge. All diese Maßnahmen richten sich gegen das Recht, frei darüber zu entscheiden, wo mensch leben möchte und gegen das Recht auf Schutz vor Krieg, Verfolgung und Armut.

An vielen Orten kämpfen Flüchtlinge gegen diese alltäglichen Entrechtungen. Roma und Ashkali aus dem ehemaligen Jugoslawien werden trotz der katastrophalen Situation in Ex-Jugoslawien dorthin abgeschoben. Seit langem organisieren sie Protest dagegegen. Einigen hundert libanesischen Bürgerkriegsflüchtlingen in Niedersachsen droht seit Jahren die Abschiebung in die Türkei. Am Donnerstag, den 10.02., als Zahras Abschiebung abends verhindert werden konnte, wurde eine 24-jährige Frau aus Hildesheim, Gazale Salame, mittags mit ihrem einjährigen Kind in die Türkei abgeschoben. Sie spricht kein Wort türkisch und hat in dem Land keine Anknüpfungspunkte. Die Abschiebung durch den Landkreis Hildesheim war nur über einen Verfahrenstrick möglich, anders hätte sie nicht abgeschoben werden können. Ihr Mann lebt noch mit zwei Kindern in Hildesheim. In Hildesheim, Northeim und Göttingen wehren sich libanesische Bürgerkriegsflüchtlinge gegen diese Politik. Unterstützen wir ihren Bleiberechtskampf!

Jeder Mensch hat das Recht frei zu wählen, wo er oder sie leben möchte! Sand ins Getriebe der Abschiebemaschine! Kein Mensch ist illegal!

Informationen zur Situation Zahra Kamelis und zu anderen Bleiberechtskämpfen:
www.abschiebemaschineriestoppen.de
www.libasoli.de
und über den Infobrief: infobrief@gmx.net

Spendet für die Kosten der rechtlichen und politischen Unterstützung Zahras! Die Anwaltliche Unterstuetzung, Oeffentlichkeitsarbeit und Aktionen gegen Abschiebungen kosten Geld. Der Arbeitskreis Asyl finanziert sich hauptsaechlich ueber Spenden. Deshalb sind wir auch auf Eure finanzielle Unterstuetzung angewiesen.

Spendenkonto: Arbeitskreis Asyl Göttingen, Sparkasse Göttingen, Kto.: 10 77 502, BLZ 260 500 01


Bleiberecht für Zahra Kameli durchgesetzt!

Erklärung des Göttinger Arbeitskreises zur Unterstützung von Asylsuchenden e.V.

Die Abschiebung Zahras ist vorerst von Tisch. Die "sturmfesten Niedersachsen" im Landtag und im Innenministerium haben dem öffentlichen Druck gegen die Abschiebungen nachgegeben und eine ungewöhnliche Lösung für einen vorläufigen Aufenthalt gefunden: Nach § 24.5 Zuwanderungsbegrenzungsgesetz wurde Zahra ein dreimonatiger Aufenthalt gewährt. Nach diesen drei Monaten - so die öffentlichen Zusagen - soll es für ein Jahr verlängert werden. Allerdings: Die CDU bestand in den Verhandlungen darauf, Zahra alle sozialen Rechte abzusprechen. Das heißt, dass ihr Lebennsunterhalt durch UnterstützerInnen aufgebracht werden muß.

Allen die dazu beigetragen haben, die Abschiebung zu verhindern, und die ihre Entschlossenheit auch angesichts des Verwirrspiels der verantwortlichen Behörden, Parteien und Ministerien nicht verloren haben, gebührt großer Dank. Es hat sich gezeigt, dass die Abschiebepraxis durchaus zu blockieren ist und das Rechte durchsetzbar sind. Selbst gegen ein ganzes Geflecht von Richtern, Polizisten, Verwaltungsbeamten, Politikern und Innenministern, die die Abschiebung über lange Zeit um jeden Preis durchsetzen wollten.

Viele UnterstützerInnen Zahras wurden nach den Protestaktionen am Frankfurter Flughafen mit Anzeigen und Ermittlungsverfahren überzogen. Diese Verfahren müssen zurückgenommen werden.

Die Freude über den Erfolg für Zahra ist allerdings getrübt durch die Abschiebung von Gazale Salame aus Hildesheim am 10.02. Gazale, die als Kind mit ihren Eltern aus dem Libanon nach Deutschland eingereist ist, wurde mit ihrem einjährigen Kind gegen ihren Willen in die Türkei abgeschoben. In einer Nacht-und Nebel-Aktion wurde sie von ihrem Mann und zwei weiteren Kindern getrennt. Nur über einen Verfahrenstrick war diese Abschiebung möglich. Wir fordern, dass Gazales Rückkehr ermöglicht wird. Und:

Jeder Mensch hat das Recht da zu leben, wo er oder sie leben möchte.

Quelle: www.abschiebemaschinerie-stoppen.de


Humanität, Hausverbote und Heuchelei

Erklärung des Göttinger Arbeitskreises zur Unterstützung von Asylsuchenden e.V., Göttingen, 24.02.2005

Das Bleiberecht für Zahra Kameli ist durchgesetzt. Während man sich in Hannover ob der eigenen Humanität gegenseitig auf die Schultern klopft sind etliche UnterstützerInnen Zahras mit staatlicher Repression belegt.

Am Mittwoch, den 24.2., hat der niedersächsische Landtag über den weiteren Aufenthalt Zahra Kamelis entschieden. Nach einem wochenlangen Instanzen-Hick-Hack hat der Landtag beschlossen, den Innenminister aufzufordern, ihr ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu gewähren. Damit wurde zum ersten Mal in Niedersachsen die sogenannte Härtefallregelung nach § 24.5 ZuwG angewandt. Mit dieser Entscheidung ist Zahra endlich vom Druck der drohenden Abschiebung befreit. Zunächst für drei Monate, eine Verlängerung, gar ein 'dauerhaftes Bleiberecht', wurde gegenüber der Öffentlichkeit zugesagt. Allerdings fiel diese Entscheidung für Zahra um den Preis des (dauerhaften) Verzichts auf alle sozialen Rechte. Die jetzt gefundene Lösung beruht nicht auf der formalen Anerkennung der frauenspezifischen Verfolgung, die Zhara droht.

Die Entscheidung offenbart, dass sich die Politik schließlich dem öffentlichen Druck gebeugt hat. Noch vor einer Woche hatten sich die Innenminister des Bundes und des Landes, Schily und Schünemann, einmütig für die Abschiebung Zahras ausgesprochen.

Wir danken allen, die sich in den vergangegen Wochen gegen Zahras Abschiebung eingesetzt und mit dazu beigetragen haben, diesen Umschwung herbei zu führen. Ungezählte Protestbriefe wurden an die verantwortlichen Richter, Behördenmitarbeiter, und Ministerien geschickt. Vor allem Frauenzusammenhänge haben Unterstützung angeboten. In vielen Städten kam es zu Protestaktionen und Demonstrationen und mit Sicherheit haben wir von Göttingen aus nur einen Bruchteil der Solidarität wahrgenommen.

Am vorgesehenen Abschiebetag vor zwei Wochen, am 10.02., hat sich erwiesen, wie richtig und wichtig es ist, auf die eigene Handlungsfähigkeit zu setzen und sich gegen die Abschiebungen zu stellen, selbst wenn politisch und rechtlich alle Möglickeiten verbaut scheinen. Mehrere hundert Menschen haben an diesem Tag gegen die Abschiebung von Zahra Kameli protestiert. Am Flughafen wurden alle Fluggäste über die bevorstehende Abschiebung informiert und auf ihre Möglichkeiten hingewiesen, sich gegen die Abschiebung in der Maschine zu verhalten. Die Lufthansa als durchführendes Unternehmen wurde öffentlich aufgefordert, Zahra nicht gegen ihren Willen zu befördern. 150 AbschiebegegnerInnen protestierten am Frankfurter Flughafen gegen die Abschiebung, bis Zahra aus der Maschine geholt wurde. Der Pilot reagierte auf ihren erklärten Widerstand gegen die Abschiebung und erklärte, sie nicht zu befördern, als sie schließlich einen Zusammenbruch erlitt. In der öffentlichen Wahrnehmung war er schließlich der einzige unter den vielen an der gnadenlos ablaufenden Abschiebemaschinierie Beteiligten, der seine Handlungsspielräume zugunsten von Zahra Kameli nutzte.

Nachdem die Abschiebung am 10.2. durch die Entschlossenheit und den Mut vieler verhindert werden konnte, machten die verantwortlichen politischen Intitutionen klar, dass sie an der Abschiebung festhalten wollen. Das Bundesinneministerium und die niedersächsische Landesregierung erklärten, dass die Abschiebung nur aufgeschoben aber nicht aufgehoben ist und Zahra bei nächster Gelegenheit abgeschoben werden solle. Am Frankfurter Flughafen bekamen UnterstützerInnen Zahras dies unmittelbar zu spüren: von den 150 Menschen, die sich am Protest im Flughafen beteiligten, wurden 63 nach dem Scheitern der Abschiebung von Bereitschaftspolizei eingekesselt, durch den Flughafen gejagt, geschlagen, getreten, in Fesseln abgeführt, über Nacht eingesperrt und erkennungsdienstlich behandelt. Ihnen stehen Strafverfahren bevor wegen Hausfriedensbruch und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Die Flughafenbetreiberin FRAPORT hat angekündigt, mit den Strafanzeigen NachahmerInnen abschrecken zu wollen.

Unter den Betroffenen sind viele iranische Menschen im Exil, die zusätzlich mit Ordnungsgeldern wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht zu rechnen haben. Sie sind nicht die einzigen, die für ihre Solidarität mit Zahra in besonderer Weise bezahlen müssen: Flüchtlinge, Bekannte und Freunde Zahras aus dem Landkreis Goslar, erhielten von der Ausländerbehörde Goslar in den vergangenen Tagen Schreiben, in denen ihnen ein Bußgeld angedroht wird. Das Vergehen, das ihnen vorgeworfen wird: sie hätten sich - ohne Erlaubnis - in Braunschweig aufgehalten, just an dem Tag, an dem dort die Protestkundgebung gegen die Abschiebung von Zahra stattfand.

Auch wenn sich derzeit alle Sprecher aus Parteien und Innenministerien “erleichtert” zeigen über die Aufentahltsgewährung, ist angesichts der Repression gegen die UnterstützerInnen Zahras offensichtlich, dass ihnen die praktische Solidarität und der Widerstand gegen die Abschiebepraxis ein Dorn im Auge ist. An diese Praxis wollen wir auch in Zukunft anknüpfen. Abschiebungen und Abschottung sind kriminell, nicht die, die dagegen vorgehen. Wir fordern, dass alle Anzeigen, Ermittlungsverfahren und Bußgelder in diesem Zusammenhang zurückgenommen werden.

Quelle: www.abschiebemaschinerie-stoppen.de