Köln, 8.1.2009 - Soldatengottesdienst im Kölner Dom und der Protest dagegenBilder

"Die Armut bekämpfen, den Frieden aufbauen"

Predigt von Kardinal Meisner beim Soldatengottesdienst am 8. Januar 2009

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

1. Papst Benedikt XVI. hat den diesjährigen Weltfriedenstag und damit auch den heutigen Internationalen Soldatengottesdienst unter das Motto gestellt: „Die Armut bekämpfen, den Frieden aufbauen". Ein Heiliger, der sein ganzes Leben diesem Motto gewidmet hat, ist Sankt Martin (+ 397), der Soldat und Offizier, der spätere Mönch und Bischof von Tours. Als er vor Amiens einen armen, frierenden Bettler sitzen sieht, teilt er mit diesem seinen Soldatenmantel. So hilft er dem Armen auf Kosten eigener Bequemlichkeit. Den Spott seiner Umgebung nimmt Martin ebenso in Kauf wie die drei Tage Haft, die er erhält, weil er Armee-Eigentum beschädigt hat. Einschlägig interessierte Kreise vereinnahmen den Heiligen gerne für ihre Kritik am Militär, weil er nach seiner Bekehrung zum Christentum aus dem Heer austrat. Aber tatsächlich hat Martin diesen Schritt eher als Wechsel des Feldherren verstanden; er war geradezu Prototyp des „miles christianus", des christlichen Soldaten.

Aber macht man nicht den Bock zum Gärtner, wenn man die Bekämpfung der Armut in die Hände des Militärs legt? Denn Militär und Armut - das war über weite Phasen der Menschheitsgeschichte geradezu ein Verhältnis von Ursache und Wirkung. Wenn Krieg geführt wurde, dann fielen Hab und Gut der Unterlegenen ganz selbstverständlich den Siegern zu. Allzu oft blieb es nicht beim Raub von Besitztümern; auch die unterworfenen Menschen selbst wurden verschleppt, verkauft und versklavt. Wie steht es also um die „Friedenskompetenz" des Militärs, nach solch schlimmen Erfahrungen durch all die Jahrhunderte? Hat das englische Sprichwort nicht Recht, das sagt: „Soldaten im Frieden sind wie Kamine im Sommer"?

2. Will man auf solche Fragen redlich antworten, dann reicht es nicht, in Stereotypen zu denken und sich auf vorgefasste Meinungen zu verlegen. Selbstverständlich: Wenn - wie beispielsweise jetzt wieder in Afrika - militärische oder paramilitärische Horden sengend und brennend durchs Land ziehen, wenn eine Soldateska plündert und mordet, raubt und vergewaltigt, dann hat das nichts mit dem Aufbau von Frieden und Wohlstand zu tun.

Aber es gibt eben nicht nur solche Söldnerbanden, die nichts anderes sind als bewaffnete Unholde in größerer Zahl. Es gibt auch jene, die über Ordnung und Sicherheit der Heimat wachen. Insbesondere in demokratischen Staaten hat das Militär eine ganz andere Funktion als in Diktaturen oder Anarchien. Auch wenn Kritiker es nicht wahrhaben wollen: Ziel demokratischer Armeen ist es gerade, Frieden zu schaffen und zu erhalten. Die Männer und Frauen zum Beispiel, die sich für die Sicherheit der Schiffsbesatzungen vor der Küste Somalias einsetzen, geben uns ein aktuelles Beispiel eines heiligen Martin. Sie haben mit denjenigen, die im Landesinneren die Bevölkerung ausplündern und bis aufs Blut quälen, nichts gemein.

3. Es ist leider wahr: In vielen Ländern werden Menschen durch Armut sowie wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit in den Kampf getrieben. Und es ist auch wahr, dass man solche Konflikte mit bloßer Waffengewalt nicht lösen und nachhaltig unterbinden kann. Es gilt, die Ursachen der Auseinandersetzung zu finden und zu beseitigen, nicht nur die Symptome zu kurieren. Aber bei einer schweren Erkrankung ist das Fieber ebenfalls nur ein Symptom - und kann doch lebensbedrohlich werden. Soll der Seemann, der von Piraten als Geisel genommen wurde, in Gefangenschaft bleiben und um sein Leben bangen, bis die Wirren in Somalia ein Ende gefunden haben? Nein: Es ist legitim, wenn ungerechte Gewalt durch Gegengewalt eingedämmt wird; es ist legitim, dass man Opfer befreit und gefährdete Menschen aus Krisengebieten evakuiert. Es ist legitim, wenn neu aufflammende Gewalt im Keim erstickt wird. Und es ist mehr als nur legitim, wenn man durch Hilfs- und Aufbaudienste schon erste Schritte hin zu einem wirklich stabilen Frieden tut. Der große Papst Johannes Paul II. hatte keine Scheu, sich in aller Deutlichkeit gegen den Irakkrieg auszusprechen. Gleichwohl sagte er einmal: „Der eigentliche Kern der Berufung zum Soldaten ist nichts anderes als die Verteidigung des Guten, der Wahrheit und vor allem jener, die zu Unrecht angegriffen werden".

Es war derselbe Papst, der in einer Generalaudienz (Mittwoch, 1. Dezember 2004) darauf hingewiesen hat, dass ein solcher militärischer Einsatz zur Verteidigung des Guten auch eine religiöse Dimension aufweisen kann. Denn - um Johannes Paul II. wörtlich zu zitieren - „wenn die Rechte der Armen verletzt werden, verübt man nicht nur eine politisch unkorrekte und moralisch verwerfliche Tat. Der Bibel zufolge verübt man auch eine gegen Gott gerichtete Tat, ein religiöses Verbrechen, denn der Herr ist Hüter und Anwalt der Elenden und Unterdrückten, der Witwen und Waisen (vgl. PS 68,6), das heißt derer, die keinen menschlichen Beschützer haben." Ein Soldat, der bereit ist, sein Leben für den Frieden und die Sicherheit der Armen einzusetzen, darf sich als Diener Gottes verstehen - wie der heilige Martin. Sein Einsatz für das Gute macht ihn zum „Defensor", zum Verteidiger der Menschlichkeit, und prägt damit sein Tun als defensives Handeln. Ein solcher Soldat kämpft nicht für eigene Interessen, nicht für Macht oder Besitz, sondern er bekämpft, was anderen die Menschenwürde raubt. Ersteht unter einem hohen moralischen Anspruch.

4. „Armut bekämpfen - Frieden aufbauen": Diese Zielsetzung führt uns mitten hinein in das Verständnis kirchlicher Gemeinschaft. Von den ersten Gläubigen der Jerusalemer Urgemeinde berichtet die Apostelgeschichte, dass sie alles gemeinsam besaßen. Und unser Heiliger Vater Benedikt XVI. hat in seiner Antrittsenzyklika über die Liebe betont: „Innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen darf es keine Armut derart geben, dass jemandem die für ein menschenwürdiges Leben nötigen Güter versagt bleiben" (DCE 20). Armut und Elend dürfen nicht Anlass zu bewaffneten Konflikten bieten, sondern müssen uns Motiv dafür sein, sich den Notleidenden zuzuwenden! So wächst die große „Zivilisation der Liebe", die zu schaffen uns allen gemeinsam aufgetragen ist und wie sie uns der heilige Martin beispielhaft vorgelebt hat.

Der Überlieferung zufolge lauteten Martins letzte Worte: „Mein Herr, es ist ein harter Kampf, den wir in deinem Dienste in diesem Dasein führen. Nun aber habe ich genug gestritten. Wenn du aber gebietest, weiterhin für deine Sache im Felde zu stehen, so soll die nachlassende Kraft des Alters kein Hindernis sein. Ich werde die Mission, die du mir anvertraust, getreu erfüllen. Solange du befiehlst, werde ich streiten. Und so willkommen dem Veteranen nach erfüllter Dienstzeit die Entlassung ist, so bleibt mein Geist doch Sieger über die Jahre, unnachgiebig gegenüber dem Alter." Der heilige Martin soll hier und heute für unser Bestreben stehen, die Armut zu bekämpfen und den Frieden aufzubauen - einen Frieden, der die pax romana und jeden Frieden, den die Welt zu geben vermag, bei weitem übersteigt. Möge Gott Sie alle bei diesem Bemühen schützen und segnen. Amen.


"Spiel mir das Lied vom Tod"

Soldatengottesdienst im Kölner Dom und Kardinal Meisners Nebelmaschine

Donnerstag, 8. Januar. Ab 9 Uhr läuft im Kölner Dom der so genannte Soldatengottesdienst ausgerechnet unter dem Motto "Die Armut bekämpfen, den Frieden aufbauen". Mit dabei: Joachim Kardinal Meisner (in der Hauptrolle), Verteidigungsminister Franz Josef Jung, Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma - und diejenigen, die wie in den vergangenen Jahren gegen dieses demonstrative Bündnis von Militär und Kirche protestieren.

Während der Kardinal seine Vernebelungsmaschine auf Touren bringt und damit beginnt, den kölschen Heiligen Sankt Martin für seine Zwecke zu missbrauchen, erklingt im Dom die Melodie 'Spiel mir das Lied vom Tod'. Und auch vor den Domtoren werden die Soldaten mit dem Protest der Initiative 'Bundeswehr wegtreten' und anderer Friedensgruppen konfrontiert. Meisner kann es nämlich wieder mal nicht lassen, seinem Mund wie in den Jahren zuvor Nebelschwaden entweichen zu lassen, obwohl es auch in seiner eigenen Kirche Menschen gibt, die des Denkens noch mächtig sind. In einer Darstellung des Bistums Trier lesen wir nämlich über Sankt Martin, der uns Jahr für Jahr den Martinstag begehen läßt: „Mit 18 Jahren empfängt Martin die Taufe und verlässt die Armee; er will Gott mehr dienen als dem kaiserlichen Befehlshaber." Es ist also klar: wer Gutes tun will, kann dies nicht in der Armee tun, der muss dem Militär den Rücken kehren und desertieren.

Aus Meisners Nebelmaschine aber quillt der Satz: „Einschlägig interessierte Kreise vereinnahmen den Heiligen gerne für ihre Kritik am Militär, weil er nach seiner Bekehrung zum Christentum aus dem Heer austrat. Aber tatsächlich hat Martin diesen Schritt eher als Wechsel des Feldherren verstanden; er war geradezu Prototyp ... des christlichen Soldaten."

Es gebe, will der Kardinal damit suggerieren, also keinen nennenswerten Unterschied zwischen denen, die das Leben, und denen, die die Armut bekämpfen. Seine Begründung: „Ein Soldat, der bereit ist, sein Leben für den Frieden und die Sicherheit der Armen einzusetzen, darf sich als Diener Gottes verstehen. Sein Einsatz für das Gute macht ihn ... zum Verteidiger der Menschlichkeit."

Einige der Kardinals-Sätze erwecken zunächst sogar den Eindruck, als wäre er in der Lage, auch mal was Vernünftiges zu sagen, beispielsweise: „Wenn eine Soldateska plündert und mordet, raubt und vergewaltigt, dann hat das nichts mit dem Aufbau von Frieden und Wohlstand zu tun." Doch weit gefehlt: das will er nur auf das Militär des Feindes bezogen wissen. Immerhin sorgte er bei der Vorbereitung ungewollt dafür, dass ein aktueller Bezug zum mörderischen Wirken der auch mit deutschen Waffen versorgten israelischen Armee in Gaza hergestellt wird: „Jerusalem, Jerusalem!" erklingt es aus den Mündern des uniformierten Chors unter den Domfenstern, während aus Meisners eigenem Munde dazu nur ohrenbetäubendes Schweigen zu vernehmen ist.

Papst Ratzinger zitiert der Kardinal mit den Worten: „Innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen darf es keine Armut derart geben, dass jemandem die für ein menschenwürdiges Leben nötigen Güter versagt bleiben", was doch nichts anderes heißt als: diejenigen, die nicht zu Herrn Ratzingers Gemeinschaft gehören, hätten dieses Anrecht nicht. Dazu bringt er es auch noch fertig, die Bekämpfung der Armut unter den so genannten Gläubigen dem Militär anheim zu stellen - mit Maschinengewehren von Heckler & Koch, Kampfpanzern von Thyssen-Krupp und Kampfflugzeugen der European Aeronautic Defence and Space Company.

Einen weiteren Höhepunkt seiner Versuche zur Desorientierung leistet er sich, als er staatliches Morden „Gegengewalt“ nennt: „Es ist legitim, wenn ungerechte Gewalt durch Gegengewalt eingedämmt wird." Vermutlich denkt er dabei an Afghanistan, ein Land, in dem unter Beteiligung der Bundeswehr ein völkerrechts- und grundgesetzwidriger Angriffskrieg geführt wird, weil sich dort angeblich ein Mensch aufhalten soll, dessen Ermordung der Kardinal im November 2001 für vertretbar erklärte, weil dieser für ein Verbrechen verantwortlich sein soll, von dem bis heute nicht bekannt ist, wer es tatsächlich begangen hat.

Die Töne der Melodie von 'Spiel mir das Lied vom Tod' kann Meisners Nebelmaschine auch damit nicht aufhalten. Im Gegenteil. Vielen ist wieder einmal klar geworden: hier im Hohen Dom haben sich die Verteidiger der Macht versammelt, die zur Aufrechterhaltung des Reichtums der Wenigen notfalls auch über Leichen gehen.


Die gesetzlichen Räuber und Mörder

Soldatengottesdienst im Kölner Dom

„Die Armut bekämpfen, den Frieden aufbauen“, so lautet im Jahr 2009 der fromme Wunsch des römisch-katholischen Stellvertreters Gottes auf Erden, Papst Ratzinger, zum diesjährigen, so genannten Weltfriedenstag. Gehorsam und traditionsgemäß und nicht ohne sichtliches Vergnügen lädt der Kölner Stellvertreter des Stellvertreters, Joachim Kardinal Meisner, hoch- und niederrangige Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Armee in das Haus Gottes, aus dem Jesus die Händler einst vertrieb.

In der Phantasie von Gottes General Meisner entspringen die Glorreichen und Gerechten - Kämpfer für Recht und Gesetz - offenbar Männerbünden aus angestaubten Hollywood-Western, deren rauchende Colts allerdings längst per Hightech aus der Wüste Nevadas fernsteuerbar sind. Und die Spießgesellen der so genannten westlichen Wertegemeinschaft und handfesten Militärbündnisse verlautbaren ungeniert: „Wir können alles sehen, was sich bewegt, und wir können alles zerstören, was wir sehen...“ (Richard Perle, Berater im US-Verteidigungsministerium - 2002). Dieser Logik folgend, regnete es in Afghanistan auf die durch gerechte Bomben befreite Bevölkerung Brot, das von Splitterbomben nicht zu unterscheiden war.

Den in der katholischen Mythologie bekannten Heiligen Martin, vormals Soldat und Offizier, später Mönch und Bischof von Tours, der in zahlreichen Kinderliedern und Kirchenbräuchen als Wohltäter und Barmherziger gepriesen wird, bezeichnet Kardinal Meisner in seiner Predigt als „geradezu Prototyp des miles christianus, eines christlichen Soldaten.“ Sankt Martin, Bischof von Tours war allerdings nicht an die Richtlinien der deutschen Armee gebunden, deren Aktualisierung im Jahr 2003 als Kernidee das Präventivkriegskonzept installiert - mit weltweitem Einsatzradius. So sind „Vitale Sicherheitsinteressen Deutschlands: ... Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“ (Wortlaut „Verteidigungspolitische Richtlinien“, 1992).

Frieden aufbauen?

Kein Raub, kein Mord, keine Leichenschändung durch deutsche Soldaten. Keine Gewissensbisse, denn die Überwindung der Tötungshemmung sind elementarer Bestandteil der militärischen Ausbildung an der Waffe. Es muß nicht immer Tucholsky sein, der Soldaten und Mörder auf eine Stufe stellt. Der streitbare Dichter Georg Büchner definierte schon 1834 das Wesen des Soldatentums: „Sie sind die gesetzlichen Mörder, welche die gesetzlichen Räuber schützen.“ Traditionspflege und Vergangenheitsbewältigung betreiben die Verantwortlichen der Bundeswehr im alljährlichen Aufmarsch der Gebirgsjäger im bayerischen Mittenwald. Der gemeinsame Feldgottesdienst schützt den in Italien wegen Kriegsverbrechen zu „lebenslänglich“ verurteilten früheren Wehrmachtsleutnant und Kompanieführer eines Gebirgspionierbataillons, Josef Scheungraber.

Armut bekämpfen?

Setzt die Armee sich künftig aus einem Heer von Arbeitslosen zusammen, die von Werbeoffizieren der Bundeswehr in regelmäßigen Veranstaltungen in den „Agenturen für Arbeit“ und zuvor bereits in Schulen, bei Industrie- und Handelsmessen mit Versprechen von Karriere und Kameradschaft geködert werden? Funktioniert Sozialabbau als Rekrutierungshilfe der Bundeswehr? Jonna Schürkes schreibt im IMI-Magazin 10/2005 von einer möglichen Zwangsrekrutierung mit Hartz IV: „ Der Druck, eine Ausbildungs-/Arbeitsstelle zu finden, und sei es als Soldat bei der Bundeswehr, wurde mit Hartz IV zum Zwang.“

Gelobt sei Jesus Christus. Die katholische Friedensbewegung PAX CHRISTI, Frieden im Namen Christi, ist - wie alljährlich - aus dem Tempel Jesu gebannt. Folgerichtig, denn da beweihräuchert sich, auf Einladung von Gottes General Meisner, das Militär. Ganz nüchtern kommentierte es der große Kölner Dichter Heinrich Böll: Vorsicht sei geboten bei Militärgottesdiensten, es gebe ja auch keine für Zahnärzte.


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Video 'Django Kardinale' bei youtube
Video 'Django Kardinale' in der Neuen Rheinischen Zeitung
Bildgalerie in der Neuen Rheinischen Zeitung